Tatort Nürnberg: Dieser Polizistenmord bewegte die Stadt

19.1.2019, 11:38 Uhr
In der Bulmannstraße in der Südstadt wurde der Polizist 1946 auf zwei Einbrecher aufmerksam. Wenig später traf ihn eine Kugel tödlich.

© Günter Distler In der Bulmannstraße in der Südstadt wurde der Polizist 1946 auf zwei Einbrecher aufmerksam. Wenig später traf ihn eine Kugel tödlich.

Die gute Nachricht zuerst: Der Mord an einem Polizisten im Jahre 1946 konnte später aufgeklärt werden. Es geht um Konrad Baier. Er war als Polizist im 11. Revier in der Haslerstraße in Nürnberg stationiert. Seinerzeit gab es in der Stadt 30 bis 40 Reviere, ehe nach eine Reform Ende der 50er Jahre die Inspektionen entstanden.

Die Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg liegt noch kein Jahr zurück. Die Wirtschaft ist am Boden, der Schwarzmarkt blüht, den Menschen fehlt es an Nahrung. Die Polizei versucht, Diebstähle und Plünderungen zu verhindern. Konrad Baier hat vom 14. auf den 15. März 1946 Nachtdienst. Es ist sein letzter. Warum der 25-Jährige gegen 0.30 Uhr in der Südstadt an der Ecke Bulmannstraße/Comeniusstraße steht, lässt sich heute nur vermuten. Möglicherweise hat er einen Hinweis aus der Bevölkerung erhalten oder es kam ihm selbst etwas verdächtig vor.

Der Beamte war allein unterwegs

Baier beobachtet zwei Gestalten, die eben in einen Lebensmittelladen eingebrochen sind und jetzt Eier und Säcke mit Nahrungsmitteln davonschleppen. Merkwürdigerweise tragen die Männer Uniformen der US-Streitkräfte. Der deutsche Polizeibeamte nimmt die Verfolgung auf und stellt sie kurz darauf an der Ecke Peter-Henlein-Straße. Wie aus Akten der US-Militärbehörden hervorgeht, ist es zwischen dem Polizisten und den Männern in Uniform zu einem Wortwechsel gekommen. Einer der beiden Amerikaner belehrt ihn dreist, Baier hätte gar nicht das Recht, sie als Soldaten des US-Militärs zu kontrollieren.

Der Polizist bleibt aber hartnäckig. Er ist sich sicher, dass hier vor ihm zwei Straftäter stehen. Der Beamte zieht seine Dienstwaffe, will die Männer in Schach halten. Doch wie soll es weitergehen? Baier ist alleine, kein Kollege weit und breit. Und Funkgeräte gibt es lange noch nicht. Er will die beiden mitnehmen. Der Widerstand der Täter ist aber groß. Zu groß. Einer von ihnen, Max Mulvaney, liefert sich mit Baier ein Handgemenge.

Die Täter flüchteten Richtung Hauptbahnhof

Dem Soldaten gelingt es, dem Polizisten die Waffe zu entreißen. Kaltblütig schießt er den Beamten nieder. Die zwei Täter lassen das lebensgefährlich verletzte Opfer liegen. Die Nürnberger Nachrichten berichteten am 23. März 1946: "Die Täter sind unter Zurücklassung ihrer Beute in Richtung Hauptbahnhof Nürnberg geflüchtet." Baier erliegt seinen Verletzungen auf dem Weg ins Krankenhaus.

Mit wem aber haben es die Ermittler hier zu tun? Angehörige der US-Besatzungsmacht, die in den Ruinen der Stadt in Geschäfte einbrechen und Polizisten erschießen? Die Täter tauchten mit Baiers Dienstwaffe unter. Bis zu einer Julinacht im selben Jahr, als sie noch einmal in einen Laden einbrechen wollten. Dieses Mal werden sie von mehreren Polizisten überrascht. Mulvaney zielt mit Baiers Pistole auf einen Beamten, ist aber zu langsam. Ehe er schießen kann, trifft ihn eine Kugel aus der Waffe eines Beamten. Der Soldat wird verletzt, die Schusswunde verheilt in den nächsten Wochen schnell.

Die Deserteure lebten im Untergrund

Die Kripo Nürnberg, gerade erst wieder in den Dienst genommen, übernimmt die Ermittlungen und übergibt die Akten nach Abschluss der amerikanischen Militärregierung. Allmählich ist Licht ins Dunkel gekommen: Die beiden Amerikaner Max K. Mulvaney und Clifford C. Welco waren Angehörige einer US-Einheit, die im Frühjahr 1945 Nürnberg eingenommen hatte. Sie standen zur Siegesfeier am 20. April auch auf dem Hauptmarkt, dem früheren Adolf-Hitler-Platz. Doch vom Soldaten-Dasein hatten sie, die in der Kaserne "O‘Brian-Barracks" in Schwabach stationiert waren, irgendwann genug.

In der Nacht zum 16. Juli 1945 sägten sie die Gitterstäbe ihres Zimmers durch und flohen. In Nürnberg lachten sie sich zwei Mädchen an, bei denen sie dann wohnten. Doch im Untergrund zu leben, war für die Deserteure nicht leicht. Schließlich war die Militärpolizei hinter ihnen her und das Essen war, wie für alle Überlebenden des Krieges, knapp. Sie entschlossen sich also, auf Beutezüge zu gehen.

Die Haftstrafen wurden in den USA vollstreckt

Das US-Militärgericht ging nicht zimperlich mit ihnen um. Am 15. Mai 1947 war in Bamberg der Prozess-Auftakt. Die Anklage nach US-Militärgesetzen lautete: Mord, Fahnenflucht und Einbruch. Das Gericht machte keinen Unterschied, wer von den beiden den Polizisten erschossen hatte. Es verurteilte die Angeklagten zur unehrenhaften Entlassung aus dem Militärdienst, Zwangsarbeit auf Lebzeiten und lebenslangen Haft in einem Kerker. Die Strafen wurden in den USA vollstreckt. Die Verurteilten starben Jahre später in Haft.

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