7. März 1969: Keine alten Meister
7.3.2019, 07:00 UhrMit Funksprechanlage im Wagen war der 22jährige Boß von Nürnberg mit drei Helfern an einem Dezemberabend nach München gereist und hatte sich durch einen telefonischen Anruf in der Wohnung eines ihm bekannten Kunsthändlers von dessen Abwesenheit überzeugt. Der Einbruch verlief planmäßig. Während zwei Einbrecher mit Empfangsgerät in die Wohnung eindrangen, stand der Boß, der sich schon einmal als Drahtzieher bei einem Madonnenraub bewährt hatte, vor dem Haus, um sie notfalls vom Wagen aus über Funkspruch warnen zu können. Die Technik brauchte aber nicht in Anspruch genommen zu werden. Wenige Minuten später schon hatte der Boß eine-Mappe in Händen, freilich nicht die gewünschte. Die Einbrecher, primitive Burschen ohne jeglichen Kunstsinn, hatten daneben gegriffen.
"Rein erfunden"
Enttäuscht jagte der Boß seine Mannen noch in der gleichen Nacht vor die Wohnung eines Chemikers in München, in der er Gemälde von Picasso wußte. Seine "Arbeiter" spurten aber nicht mehr, das Haus war ihnen zu lebendig. Sie hätten auch in diesem Fall vermutlich die falsche Beute gebracht: denn sie hatten, wie einer gestern vor Gericht sagte, zwar den Namen Picasso schon gehört, konnten sich darunter aber nichts vorstellen. Ein drittes Projekt, ein Einbruch in die Villa Krupp, um dort thailändische Kunstwerke zu requirieren, blieb bereits in der Debatte stecken.
Der Boß will nur den vollendeten Einbruch auf seine Kappe nehmen, die zwei anderen Fälle müßten seine Helfer, die zum Teil schon abgeurteilt wurden, rein erfunden haben. Darüber will das Gericht heute urteilen. Um dem Rätsel seiner Persönlichkeit auf die Spur zu kommen, war er auf Veranlassung des Gerichts von einem Psychiater getestet worden. Was auf Paragraph 51 schließen ließe, war dabei nicht entdeckt worden.
Zum Teil harte Burschen
Als hochintelligenter Junge – Abiturnote 1,2 – war er von seinen Eltern auf die Universität geschickt worden. Statt zu studieren, hatte er sich mit Einbrechern zum Raub einer Madonna In einer fränkischen Kirche verbunden. Nach Strafverbüßung war ihm auf Fürsprache des Anstaltsgeistlichen eine einmalige berufliche Chance geboten worden. Wie seine Eltern, so enttäuschte er aber auch seine Gönner. Wie der Gutachter meinte, wohl aus Geldgier, wurde er wieder straffällig, verübte Scheckbetrügereien, verkaufte eine ihm nicht gehörende Zimmereinrichtung und wurde geistiger Mittelpunkt einer von Herzogenaurach aus agierenden Einbrecherbande.
Die mit ihm auf der Anklagebank sitzenden "Freunde" müssen mit dem Gericht wegen einer Reihe nächtlicher Einbrüche abrechnen, die sie in Nürnberg verübt haben. Zum Teil harte Burschen, die vor keinem Tresor zurückschrecken und ganze Lager mit dem Kraftwagen abfahren. Sie werden heute die Quittung bekommen.
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