Forchheim: Sensationelle Grabungsfunde im Rathaus
13.3.2019, 16:00 Uhr"Du bist keineswegs eine der geringsten unter den Städten. Für eine solche Geschichts-Bedeutung würden sich andere alle zehn Finger lecken." Der Ausspruch vom einstigen Forchheimer Heimatpfleger Max Schleifer kommt Stadtführerin Ulrike Baier sofort wieder ins Gedächtnis, als sie die Funde im Forchheimer Rathaus gesehen hat. Ende 1982 hat Baier ihre Ausbildung bei Schleifer zur Stadtführerin gemacht und führt seitdem Touristen und Einheimische zu den Sehenswürdigkeiten der Forchheimer Altstadt.
Auch eine Stunde nach der Ortsbegehung in den Rathaushallen sind die Stadtführer, unter ihnen sind auch Marlene Hahn, Klaus Fößel und Ina Killmann sprachlos. "Wir sind erschlagen und können es nicht fassen, was da alles gefunden wurde", sagt Marlene Hahn.
Denn Claus Vetterling, Mitinhaber der Firma ReVe und Grabungsleiter spricht nicht nur einmal von "bemerkenswerten und sehr teuren Funden, die dem oberen Milieu zuzuordnen sind". Eine Kanne mit Tülle etwa, deren Ursprung der Archäologe ins Rheinland verortet, die bei Tisch als Schankgefäß für teure Öle und Essenzen verwendet wurde oder auch Bügelkannen, die mit Gesichtern verziert waren. Spielsteine für Dame, Mühle oder Backgammon, Würfel aus Elfenbein, Knochen oder Marmor. Und auch zahlreiche Murmeln, mit denen früher nicht nur die Kinder spielten. Spielzeugfiguren aus dem zwölften und 13. Jahrhundert mit einer ockergrünen Glasierung sind dabei, wie man sie früher nur auf Burgen, in Klöstern oder in reichen Bürgerhäusern fand. Ein Stückchen Glas-Schlacke aus dem neunten Jahrhundert, das man im Erdreich gefunden hat, spreche ebenfalls für Reichtum, so Vetterling, denn "früher war Glas teurer als Gold".
Dass Forchheim schon im siebten oder achten Jahrhundert ein Zentrum des Textilhandwerks war, könnten sogenannte Spinnwirteln belegen, worauf der gezwirnte Faden aufgewickelt wurde. Dabei sind die Spinnwirteln so fein, dass nicht etwa grobes Tuch, sondern wohl Seide damit bearbeitet wurde. Ein echtes Luxusgut war auch die Wärmekugel aus Persien, in der Duftstoffe und Kräuter verdampft werden konnten oder an denen sich die Pfarrer, wie an einer Art Taschenwärmer, einst vor dem Verteilen der Hostien die Hände wärmen konnten. "In ganz Europa gibt es davon nur elf Stück, das zwölfte Exemplar haben wir in Forchheim gefunden", erzählt Vetterling.
"Runde Mauern machen jeden Archäologen nervös", sagt Vetterling, denn genau solche runden Bauteile wie sie aus anderen Kaiserpfalzen, etwa aus Ingelheim bekannt sind, hat man auch in Forchheim freigelegt. Also doch die Kaiserpfalz im Rathaus? "Die Struktur geht in Richtung Pfalz", hält sich der Fachmann ein wenig bedeckt.
Stadtführer Klaus Fößel muss eingestehen, dass er im Vorfeld die archäologischen Grabungen ein wenig skeptisch betrachtet habe, "doch die Bauverzögerung hat durchaus ihre Berechtigung", so Fößel nach dem Ortstermin. Mehr noch: "Früher haben wir gesagt, wir wissen nicht, ob hier eine Pfalz war. Jetzt können wir sagen: Es könnte schon sein."
Sicher sind sich alle Stadtführer: "Dieses Highlight wollen wir in unsere Stadtführungen unbedingt mit einbauen." Viel zu lange habe Forchheim ein Schattendasein zwischen den Metropolen Bamberg und Nürnberg gefristet, doch nun könne man mit den Sensationsfunden "die Bamberger und Nürnberger gscheid ärgern".
Bis Ostern sollen die Grabungen in der Rathaushalle abgeschlossen sein, dann werden die Funde, die aktuell in 130 Kisten lagern, gewaschen, katalogisiert, vom Denkmalamt freigegeben und zurück an die Stadt gegeben.
Momentan sind die Archäologen auf einem Niveau von zwei Metern Tiefe angekommen. Nach dem Abschluss der archäologischen Arbeiten werden die Rathaushallen "unterfangen" und vier Meter tief mit einem Bagger für die künftige Unterkellerung ausgebaggert. Die aktuell freigelegten Mauern werden entfernt — und sollen doch für den Besucher in Zukunft erhalten bleiben: "Auf jeden Fall sollen die künftigen Rathaus-Besucher auch die Grabungen nachvollziehen können", sagt Projektleiterin Claudia Stumpf vom Forchheimer Bauamt. Durch große Fotowände etwa oder auch via Smartphone könnte die Dokumentation lebendig bleiben und besonders schöne Grabungsobjekte ins Rathaus integriert werden. Heimatpfleger Max Schleifer würde sich freuen.
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