18. Mai 1964: Kleinbahn auf erster großer Fahrt
18.5.2014, 09:35 UhrViel Prominenz war gestern in den Tiergarten gekommen, um an der ersten, lustigen Rundfahrt mit der Kleinbahn teilzunehmen. Ferner wurde das neuerbaute Giraffenhaus der Öffentlichkeit übergeben.
Bei der herzlichen Begrüßung der großen Gästeschar sprach Direktor Dr. Alfred Seitz von einem einmaligen Ereignis. Die Kleinbahn werde sicher vielen Besuchern große Freude bereiten.
Bürgermeister Franz Haas meinte in seiner Ansprache, die er von der "Miniatur-Adler"-Lokomotive aus hielt, daß er sich vorkomme wie bei der Feier vor 129 Jahren, als die erste Eisenbahn vom Nürnberger Plärrer in Richtung Fürth fuhr. Ein Unterschied allerdings bestehe: heute habe man doch etwas mehr Vertrauen zur Technik.
Ein Tropenhaus fehlt noch
Eingehend würdigte Haas die Verdienste des Vereins der Tiergartenfreunde e. V., der zusammen mit den Firmen MAN, SSW und Trix diese herrliche Kleinbahn gestiftet hat. Insbesondere gedachte dabei der Bürgermeister des verstorbenen Vorsitzenden des Vereins, Direktor Konrad Kraft. "Dieser Tag wäre die Krönung seines Wirkens für den Tiergarten geworden!" "Was uns jetzt am Herzen liegen sollte", so wandte sich Franz Haas an die Stadträte aller Fraktionen, "ist der Bau eines Tropenhauses." Abschließend hob der Bürgermeister das unermüdliche und verantwortungsbewußte Wirken des Tiergarten-Direktors Dr. Alfred Seitz und seines Assistenten, Dr. Manfred Kraus, hervor.
Die Glückwünsche des Vereins der Tiergartenfreunde überbrachte Direktor H. Kleigast. Dann begann die erste Rundfahrt, mit großem Hallo und ohne Panne.
Schon zweimal gab es in der Geschichte des Nürnberger Tiergartens eine Kleinbahn. Allerdings konnte sich weder die Dampflok im Dutzendteichgelände noch die Diesellok der Nachkriegsjahre am Schmausenbuck mit dem schmucken "Miniatur-Adler" von heute messen.
Vor 25 Jahren - zur Eröffnung des Tiergartens am Schmausenbuck - waren die alten Gleise und der Dampfzug wieder verwendet worden. Doch erwies sich der Betrieb dieses Veteranen bald als zu unrentabel. In den Nachkriegsjahren erstand der Tiergarten eine ausrangierte Lok aus einer norddeutschen Kiesgrube. Das bereits altersschwache Gefährt mußte sogar per Eisenscheine erworben und unter großen Mühen aus der damals englischen Besatzungszone nach Nürnberg transportiert werden. Noch 1958 wurden rund 20.000 Personen befördert. Dann jedoch hatten die Gleise ausgedient. Nun, zum Jubiläumsjahr am Schmausenbuck, kann der Tiergarten eine Eisenbahn-Attraktion bieten, die man in keinem anderen, zoologischen Garten finden dürfte.
In neun Monate langer Arbeit hatten Lehrlinge der MAN unter Anleitung ihrer Ausbilder die Kleinbahn gebaut. Dafür durften sie als erste damit durch die Anlage fahren. Erst bei der zweiten Fahrt konnte die Prominenz mit von der Partie sein.
Für die Interessierten wurde eine Kurzbeschreibung mit den technischen Daten der neuen Tiergartenbahn verteilt. Darin heißt es unter anderem: "Der Zug besteht aus einer dreiachsigen Lokomotive mit Tender und fünf zweiachsigen Personenwagen. Er ist in seiner äußeren Form in Anlehnung an den ersten Zug der Ludwigs-Eisenbahn etwa im Größenverhältnis 1:2 ausgeführt. In der Lok ist ein benzinelektrisches Stromaggregat untergebracht, das aus einem 1,5-Liter-VW-Motor und einem SSW-Gleichstromgenerator besteht." Die Anzahl der Sitzplätze reicht für 40 Erwachsene oder 60 Kinder aus: die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 15 Stundenkilometer.
Ein Afrikaner namens "Schorsch"?
Indessen trugen auch die Tiere zum Jubiläum bei. Mit der Geburt einer kleinen Hirschziegenantilope wuchs die Herde auf ein Dutzend an. Stolz präsentierte eine Graugans am großen Weiher fünf flaumige Junge. Ferner brachte die Rentierkuh "Enare" ein Kalb zur Welt. Direktor Dr. Seitz ist recht froh über diesen Züchtungserfolg. Denn die Hirsche der arktischen Breiten sind ziemlich heikle Pfleglinge. Damit diese wertvollen Tiere nicht auf ihre heimatliche Kost verzichten müssen, kauft der Tiergarten jedes Jahr für sie große Mengen Flechten im Ausland ein.
Die Giraffen fühlen sich in ihrem Bau und der Freianlage schon sichtlich wohl. Die Eröffnungsfeier der Kleinbahn beobachteten die Tiere mit großer Neugierde. Sie sind längst nicht mehr so scheu wie anfangs. Und es gibt kaum Besucher, die nicht beim Giraffenhaus verweilen und die prächtigen Tiere beobachten.
Bei den Gorillas ist das Familienglück eingezogen. "Schorschi" und seine neue Gefährtin verstehen sich ausgezeichnet. Jetzt fehlt für das Gorillamädchen nur noch ein Name. Dr. Seitz hat - wie bereits berichtet - alle Jugendlichen aufgefordert, einen hübschen, exotischen Namen für das Weibchen und eventuell auch für den „Schorsch“ zu finden, denn ein afrikanischer Name würde zu dem "Urwaldmann" besser passen. Jeder Einsender soll nun je einen Namen vorschlagen. Der Einsendeschluß ist auf den 31. Mai verschoben worden. Den Gewinnern winken hübsche Preise.