19. September 1968: Sorge um historisches Erbe

NN

19.9.2018, 07:17 Uhr
19. September 1968: Sorge um historisches Erbe

© Hochbauamt

Die Spitzen der Verwaltung und die Sprecher aller Parteien betonten einhellig, daß die historisch wertvollen Stücke der Stadtmauer auf jeden Fall erhalten werden müssen. Ein eigener Stadtratsausschuß wird von nun an alle Probleme behandeln, die mit dem bedeutungsvollen Projekt zusammenhängen; er soll garantieren, daß die Arbeiten ebenso schnell wie gründlich vorangetrieben werden.

Mit dieser Entscheidung hat der Stadtrat – vor allem nach der Ansicht von SPD und CSU – den Grundstein dafür gelegt, daß Nürnberg bis zum Dürer-Jahr 1971 ein Bauwerk von bleibendem Wert bekommt.

Nach den heftigen öffentlichen Diskussionen der letzten Wochen, bei denen vor allem das Schicksal der Stadtmauer eine bedeutende Rolle gespielt hatte, ging das Plenum betont sachlich in die erste wichtige Runde des Ringens um die Ringpartie. In der Sorge um das historische Erbe wollte sich keiner vom anderen übertreffen lassen; alle miteinander feilten an dem Beschluß, auf daß die Stadt für ihre Grundstücke auch genug Geld bekommt; SPD und CSU schließlich stimmten ein neues Loblied auf den künftigen Bauherrn an, dem – so Kulturreferent Dr. Hermann Glaser – Nürnberg eine Sternstunde verdankt.

Die beiden großen Rathaus-Parteien bezeugten erneut ihre Dankbarkeit für die Versicherungskammer, die an die 80 Millionen Mark in der Stadt anlegen will. Sie soll nun bewegt werden, ein Vorprojekt für die Zone Königstor – Marientorgraben alsbald ausarbeiten zu lassen, das – daran gibt es keinen Zweifel – von den Architekten Dittrich und Kappler stammen wird. Allerdings hat sich die Stadt ausbedungen, daß an den Plänen für das Kunst- und Bildungszentrum mindestens ein Preisträger des Ideen-Wettbewerbs mitgestalten soll; Dittrich und Kappler hatten sich in einem Schreiben an die SPD-Fraktion zu einer solchen Zusammenarbeit schon ausdrücklich bereit erklärt.

Die FDP-Fraktion nahm einen letzten Anlauf, dem weiteren Vorgehen für das Projekt eine andere Richtung zu geben. Ihr Vorsitzender Dr. Friedrich Bergold forderte, daß die Stadt erst einmal einen Bebauungsplan vorlegen soll, in dem sie selbst erklärt, wie sie sich die Höhe und Ausdehnung der künftigen Bauten vorstellt; sie könne damit von vornherein verhindern, daß der Königstorturm und die Stadtsilhouette Schaden leidet. Weiter verlangte die FDP, die Stadt müsse das Kunst-und Bildungszentrum selbst errichten, weil es nicht einzusehen sei, daß die Bayerische Versicherungskammer besser oder schneller bauen könne.

In beiden Fällen scheiterten die Freien Demokraten an der Verwaltung und den stimmkräftigen Fraktionen. „Ein Bauleitplan ist von Nutzen, wenn irgendwo draußen der Bau von Wohnungen vorbereitet wird“, erklärte Referent Heinz Schmeißner, „hier aber kommt es auf feine Abwägungen im Entwurf an, die wir niemals mit roten oder blauen Linien vorschreiben können!“ Gegen die geforderte Bauherrschaft der Stadt beim Kunst- und Bildungszentrum wandte SPD-Fraktionschef Willy Prölß ein, die Versicherungskammer allein scheine ein Garant für die termingerechte Vollendung dieses sogenannten Kubiz zu sein; sie trage außerdem das alleinige Risiko bei Preissteigerungen.

Kein Vermögen verlieren

Obwohl Baureferent Schmeißner nicht eine Sekunde lang den geringsten Zweifel daran gelassen hatte, daß er wie ein Fels hinter der Stadtmauer steht, stießen alle folgenden Redner noch einmal lautstark ins Horn der Historie: SPD-Sprecher Prölß verwahrte sich entschieden gegen den Vorwurf, seine Partei wolle das Stadtbild am Königstor verschandeln. „Wir haben uns nie angemaßt, allein den Wiederaufbau geschaffen zu haben, daher möchten wir auch nicht allein den Fußabstreifer für all das spielen, was berechtigte oder unberechtigte Kritik hervorgerufen hat.“

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