26. Oktober 1963: Das letzte Wort der drei Kandidaten

26.10.2013, 06:40 Uhr
26. Oktober 1963: Das letzte Wort der drei Kandidaten

© NN-Bildarchiv

340.000 Nürnberger können morgen den Mann wählen, der in den nächsten sechs Jahren die Geschicke der Stadt lenken und leiten wird. Ihnen stellen sich diesmal drei Oberbürgermeister-Kandidaten zur Wahl: Ministerialrat Dr. Friedrich Zimmermann als Bewerber für die Überparteiliche Wählervereinigung (Christlich-Soziale Union und Nürnberger Bürgerverein); Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und Rechtsanwalt Dr. Friedrich Bergold (Freie Demokratische Partei). Die Bürger haben von 8 bis 18 Uhr in 398 Wahllokalen die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Wer von den 3 Kandidaten 50 v. H. und 1 Stimme bekommt, hat gewonnen. Gelingt es keinem der drei Bewerber um das höchste Amt der Stadt, im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit aller abgegebenen Stimmen zu erhalten, so kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl. Sie würde zwei Wochen später stattfinden. Wir geben auf dieser Seite den drei Kandidaten eine Gelegenheit, ihr „Regierungsprogramm“ und ihre Ziele darzulegen. Auf dieser Seite sind die Beiträge mit Kürzungen zu finden.

Dr. Fr. Zimmermann: „Ansehen fördern“

Das Regierungsprogramm eines Oberbürgermeisters unterscheidet sich angesichts seiner Doppelstellung als Vorsitzender des Stadtrats und als oberster Dienstvorgesetzter des städtischen Personals nach Art und Inhalt von dem eines Regierungschefs. Der Oberbürgermeister ist ein besonders herausgestelltes Mitglied des Stadtrats, und er hat sich dieser Tatsache bewußt zu sein.

Aus dieser rechtlichen Stellung ergibt sich von selbst, daß die Erarbeitung eines Regierungsprogramms im engsten Einvernehmen  und im lebendigen Gedankenaustausch mit dem Stadtrat und damit mit allen Fraktionen erfolgen muß. Mir wird auch besonders daran gelegen sein, mit allen meinen Mitarbeitern in der Stadtverwaltung, ob Beamte, Anstellte oder Arbeiter, vertrauensvoll und kollegial zusammenzuarbeiten.

„Leerlauf beseitigen“

Es scheint hier auch notwendig zu sein, daß sich der Oberbürgermeister persönlich um die dienstlichen Sorgen und organisatorischen Belange der Verwaltungsangehörigen an Ort und Stelle unterrichtet. Wenn es auch unvermeidbar sein wird, in verschiedenen überörtlichen Gremien im Interesse der Stadt Nürnberg mitzuwirken, so muß doch die Arbeitskraft des Oberbürgermeisters zunächst seiner Stadt und ihren Bürgern gehören.

26. Oktober 1963: Das letzte Wort der drei Kandidaten

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Mein ganzes Bemühen wird der Förderung des Gemeinwohls gehören, das heißt, unsere Stadt muß im ganzen zu einem Gemeinwesen werden, in dem es sich zu leben lohnt, in dem ein gesundes und sicheres Wohnen möglich ist, in dem alle sozialen und kulturellen Voraussetzungen geschaffen sind und in dem jeder Bürger gleichviel welcher Partei, welcher Konfession und welcher Rasse er angehört, sich als Bürger heimisch und geborgen fühlen kann.

Im besonderen wird meine Sorge gelten dem Krankenhausbau, denn es ist ein sozialer Notstand, wenn für unsere Bürgerschaft ein gutes Viertel der benötigten Krankenbetten heute immer noch fehlt.

„Schulhausbau fördern“

Ich werde mich mit dem Stadtrat bemühen, den Schulhausbau weiter zu fördern; insbesondere liegt mir daran, unsere Berufsschulen und die Gewerbemittelschule so auszubauen, daß sie den hohen Nachwuchsbedarf an qualifizierten Facharbeitern für unsere heimische Industrie und Wirtschaft decken können. Wirtschaftsförderung bedeutet Hebung der Steuerkraft unserer Stadt. Wir brauchen daher eine klare, auswertbare und entwicklungsfähige Konzeption zur Förderung unserer Wirtschaft und zur Ausweitung unseres Messeprogramms.

26. Oktober 1963: Das letzte Wort der drei Kandidaten

© Gertrud Gerardi

Die Behebung unserer Verkehrsnot sehe ich auch unter dem Gesichtspunkt der Lebensrettung. Die Unfallziffer in Nürnberg muß fallen.

In ganz besonderem Maße werde ich mich der Kulturförderung widmen und dabei jedes dirigistische Eingreifen oder Einengen der freien Initiative verhindern. Auch dem Sport im Bereich des Schulsports und nicht zuletzt dem Vereinssport werde ich meine ganze Aufmerksamkeit zuwenden. Nürnberg muß eine Sporthochburg bleiben und ich werde mich bemühen, darauf hinzuwirken, daß immer mehr Menschen den Weg in die Sportvereine finden und damit aktiv Sport treiben.

„Die Verschuldung der Stadt muß man im Auge behalten“

Ein Oberbürgermeister kann kein „Regierungsprogramm“ vorlegen. Er steht der Verwaltung einer Stadt vor, für die der Stadtrat die Richtlinien gibt. Seine „Politik“ kann nur sein, die Verwaltung auf das beste zu führen. Jeder Redliche kann daher nur sagen, welche Richtlinien er für diese „beste Führung“ der Verwaltung einhalten möchte.

Als besonders wichtige Aufgabe steht vor mir eine gründliche Überprüfung der gesamten Verwaltungsabläufe. In jeder Verwaltung entstehen mit der Zeit Leerläufe durch überholte Formalitäten. Sie verursachen Doppelarbeit und Arbeitsstauungen. Es ist eben das Wesen der notwendigen Bürokratie, solche Mängel aus sich selbst immer von neuem zu erzeugen.

Dem Ziel, Nürnbergs Bevölkerung gut und rasch zu bedienen, soll auch die Personalpolitik untergeordnet werden. Ich werde eine neutrale Personalpolitik beachten und durchsetzen, bei der Anstellung und Beförderungen ausschließlich nach objektiver Qualifikation und Arbeitsleistung entschieden werden.

In diesem Zusammenhang gehört auch, daß vor jeder Gebührenerhöhung genau geprüft wird, wo Einsparungen stattfinden können. Ich habe als Mitglied des Rechts- und Wirtschaftsausschusses schon mehrfach darauf gedrängt, daß bei der Zusammenstellung der zu deckenden Kosten nicht nur eine fiskalische Kostenrechnung aufgemacht wird, sondern eine solche, die wirklich kostenecht auf das jeweilige Verwaltungsgebiet abgestellt ist.

Selbstverständlich ist es aber, daß ich der Verschuldungsgrenze der Stadt mein ganzes Augenmerk widmen werde. Die Verwaltung muß so sparsam wie nur immer möglich arbeiten. Natürlich darf dabei der Dienst am Bürger nicht leiden. Auf alle Fälle werde ich die heutzutage meines Erachtens zu sehr angeschwollene Aufwendigkeit der Repräsentanz der Stadt wieder auf eine würdige Schlichtheit zurückführen.

Vor dem Lehrerverein habe ich eingehend dargelegt, daß ich für den weiteren Neubau von Schulen zum baldigen Abbau des Schichtunterrichts, für den Ausbau der Oberstufen unserer Schulen, für den Bau weiterer Oberschulen, den Bau einer Mädchen-Gewerbeschule und die Verbesserung der Lage der Lehrerschaft eintreten werden.

Die FDP hat als erste Partei in Nürnberg die Zusammenarbeit mit den Nachbarstäden und Nachbarlandkreisen gefordert. Daß ich diese begonnen Zusammenarbeit intensiv fortsetzen werde, ist für mich eine Herzenssache.

Dabei wird die Wahrung der freiheitlichen und fränkischen Tradition der Stadt für mich besonders wichtig sein. Ich werde dabei versuchen, mit Energie der steigenden Belastung der Gemeinden durch das Land entgegenzuarbeiten.

Sportplätze, Theater und Konzertsäle – dies reicht noch lange nicht aus zur Erholung der Bürgerschaft. Und unsere Kleinen wollen schließlich spielen. Dafür sind die Kinderspielplätze, Grünanlagen und Parks da. Am Dutzendteich und Marienberg, in den Pegnitzauen und auf der Wöhrder Wiese finden die Bürger nach des Tages Last und Arbeit, was sie suchen: Erholung.

Die Grundlage für das Leben unserer Bürgerschaft, aber auch gleichzeitig für die Erfüllung der kommunalen Gemeinschaftsaufgaben ist unsere Wirtschaft: Industrie, Gewerbe und Handel bedarf der Förderung. Indem ich für die großzügige Gewährung von Mittelstandskrediten, die Schaffung von Gewerbehöfen, die Bereitstellung von Grundstücken und den Bau von Wirtschaftswegen in Höhe von 1,5 Millionen DM bei der Flurbereinigung im Knoblauchsland sorgte und für die Verbesserung der überörtlichen Verkehrsverbindungen nachhaltig eintrat, konnte ich wesentlich zum Gedeihen der heimischen Wirtschaft beitragen.

Es ist nicht übertrieben: Alle arbeiteten gerne mit. Dazu sind viele fleißige Hände und denkende Köpfe notwendig, können doch Wiederaufbau und Neugestaltung Nürnbergs nicht das Werk eines einzelnen sein.

Dr. Andreas Urschlechter: „Großzügig planen“

Nürnberg steht im letzten Viertel des Wiederaufbaues und am Beginn seiner Neugestaltung. Indem ich an das Werk meiner Vorgänger Oberbürgermeister und Bürgermeister Treu, Dr. Ziebill, Landgraf, Dr. Bärnreuther und Julius Loßmann anknüpfte und dieses fortsetzte, wies ich neue Wege und Ziele auf und stellte bei allem stets in Rechnung, daß in unserer Zeit großräumig gedacht, geplant und gehandelt werden muß.

Seit 1945 wurden in einer großen Gemeinschaftsleistung der Bürgerschaft rund 93 000 Wohnungen in Nürnberg gebaut, davon in meiner Amtsperiode 33 000. Die Stadt wächst, neue Siedlungen entstehen, jeder soll und muß seine eigenen vier Wände haben. Darum wurde der Stadtteil Langwasser geschaffen, darum sollen in den nächsten 6 Jahren weitere 28 000 Wohnungen und Eigenheime gebaut werden.

Gegen den Verkehrstod

Den Schlagadern des Verkehrs gilt meine besondere Aufmerksamkeit. Der in meiner Amtsperiode entwickelte Generalverkehrsplan wird mithelfen, dem Verkehrstod Einhalt zu gebieten: Die Unterpflasterbahn, die Stadtautobahnen, der Plärrerumbau, Fußgängertunnels vor den Schulen, dies alles sind Maßnahmen, dem Bürger und Besucher das Leben in unserer Stadt angenehmer zu machen.

Der Bürger von morgen – das ist der Schüler von heute. Wir müssen ihm den Weg in eine gesicherte Zukunft ebnen. Allein 1963 wurden 24 Millionen DM in den Schulhausbau investiert. Bis 1965 soll der Schichtunterricht an unseren Volksschulen beseitigt werden. Der weitere Ausbau aller Bildungsbereiche ist fortzusetzen, denn: Bildung ist Fortschritt.

Auch in kranken Tagen muß der Bürger die Gewißheit haben, daß alles für seine Heilung getan wird. Unser moderner Chirurgie-, Strahlen- und Bäderbau und unsere neue Hals-, Nasen- und Ohrenklinik beweisen den Ernst dieses Grundsatzes. Im Süden der Stadt wird ein zweites Krankenhaus mit 700 Betten errichtet.

Geborgenheit im Alter ist notwendig. Wir alle sind nicht ewig jung. Unseren alten den Lebensabend zu verschönern, ist eine unserer vornehmsten Aufgaben: In vorbildlichen Altersheimen und Alterswohnheimen erfahren sie Fürsorge und Pflege.

Ein reiches kulturelles Leben blüht in unserer Stadt. In bunter Vielfalt bietet sich das kulturelle Schaffen dar. Ihm dienen die in den letzten Jahren ihrer Bestimmung übergebenen Institutionen wie Schauspielhaus, Kammerspiele und Meistersingerhalle. Der Bürger hat Anspruch auf Zugang zu allen Kulturgütern.