5. April 1969: Ab Freitag weg von allen Straßen?

5.4.2019, 07:30 Uhr
5. April 1969: Ab Freitag weg von allen Straßen?

© Ulrich

Aus der Wirtschaft häufen sich die Stimmen, die dagegen ganz energisch protestieren. Grundtendenz aller Argumentationen: "Die Zeche zahlen am Ende doch die, denen Gutes getan werden sollte – nämlich die Normalverbraucher, die in die Ferien fahren."

Begonnen hat die Diskussion, als man entdeckt hatte, was in einem "Schnellbrief" stand, den Bundesverkehrsminister Leber an die Kollegen in den Ländern geschrieben hat. Beschränkung des schweren Lastkraftwagenverkehrs zwischen Freitag 15 Uhr und Montag 9 Uhr in der sommerlichen Hauptreisezeit auf einigen besonders stark belasteten Autobahnstrecken. Außerdem stand in dem Brief, man solle prüfen, ob in den Großstädten nicht generell Sperrzeiten vor- und nachmittags zur Hauptverkehrszeit eingeführt werden sollen.

Nach der scharfen Reaktion der Wirtschaft und der meist ablehnenden Haltung der Städte hat Leber inzwischen selbst erklärt, daß das Fahrverbot in den Großstädten "als nicht vordringlich" zu betrachten sei und "sehr behutsam" behandelt werde.

"Sehr behutsam"

Weiter auf dem Tisch aber liegt die Lkw-Beschränkung in der Hauptreisezeit für bestimmte Autobahnen.

Das Land Bayern hat noch eine besondere Variante in die Diskussion gebracht: als "Hauptferienland" schlägt man sogar vor, an den "kritischen Wochenenden" zwischen dem 27.6. und 28.7. das Fahrverbot zwischen Freitag 15 Uhr und Montag 9 Uhr auf alle Straßen auszudehnen.

In den Wirtschaftsverbänden und bei den Kammern hat man dagegen bereits heftig protestiert. In Besprechungen mit dem federführenden bayerischen Innenministerium haben die Kammern die Vorschläge als "nicht durchführbar" bezeichnet.

Der Verkehrsreferent der Nürnberger Industrie- und Handelskammer, Dr. Paulus, ergänzt: "Wenn alle Straßen für Lkw über 7,5 Tonnen gesperrt werden würden, müßte die Wirtschaft, um in dieser Zeit den nötigsten Zuliefererverkehr aufrechterhalten zu können, die mehrfache Zahl an kleinen Lastkraftwagen entweder anschaffen oder leihen. Ganz davon abgesehen, daß so viel kleine Lkw gar nicht zur Verfügung stehen, würde das Kostenerhöhungen bringen, die schließlich der Endverbraucher zahlen müßte.“

Assessor Müller vom Bayerischen Einzelhandelsverband: "Bei Verwirklichung der vorgesehenen Beschränkungen würde der gesamte Wirtschaftsverkehr empfindlich gestört mit der Folge, daß eine zufriedenstellende Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern nicht mehr gewährleistet wäre. In den frühen Morgenstunden des Montags könnten der Einzelhandel, das Ernährungshandwerk und die Großverbraucher nicht mehr mit leichtverderblichen Waren beliefert werden.“

Der Chef der Spar-Zentrale Nordbayern, Robert Loch, ergänzt: "Konsequent durchgeführt würde nach dieser Verordnung ein Eisenbahnwaggon mit Pfirsichen aus Italien von Freitagnachmittag bis Montagvormittag herumstehen. Was das in der heißen Jahreszeit bedeutet, können Sie sich vorstellen. Oder wir müßten statt unserer jetzt laufenden zwölf schweren Lastzüge an die 60 kleine Lkw beschaffen, um die gleiche Ladekapazität zu erreichen. Das würde Kosten bringen, die kein Mensch mehr bezahlen kann. Ein Salatkopf aus dem Knoblauchsland würde durch die hohe Transportkostenbelastung einfach unverkäuflich werden. Man sollte auch darauf hinweisen, daß gerade in der Sperrzeit große Mengen von einheimischem Obst und Gemüse anfallen, die leicht verderblich sind.“

Selbst wenn es für die leichtverderblichen Lebensmittel Ausnahmegenehmigungen geben sollte, so bleibt doch zu fragen, was beispielsweise mit dem Baustellenverkehr würde. Zwischen Freitag 15 Uhr und Montag 9 Uhr dürfte kein Zement in großen Silos transportiert werden. Neue Kostenbelastungen ergäben sich ferner im Fernverkehr, weil die Lkw einen Tag früher zu ihren Ausgangspunkten zurückkehren müßten oder irgendwo in den Landen stehenbleiben müßten mit zusätzlichen Kosten für die Besatzung.

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