Als die Stadt das Volksbad opferte

29.2.2012, 20:00 Uhr
Als die Stadt das Volksbad opferte

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Heiße Kämpfe zwischen SPD und CSU, zwischen Befürworten und Gegnern, bestimmten 1992 die Sitzungen des Sozialausschusses. Der Verein „Rettet das Volksbad“ sammelte Unterschriften, Nürnberger Musiker schrieben einen Protestsong gegen die Schließung. Ein Rückblick auf das spannende Jahr, in dem sich das Schicksal der „Jugendstilperle“ entschied.

Als die Stadt das Volksbad opferte

© Günter Distler

Im Januar 1992 legte das Baureferat das alles entscheidende Gutachten vor, der Inhalt: Das Volksbad am Plärrer muss für 17,5 Millionen Mark saniert werden. Veraltete Technik und hohe Energiekosten waren nicht mehr tragbar. Der damalige Bäderamtschef Heinrich Polster erinnert sich: „Die Summe war nicht neu. Das Bäderamt wollte schon in den Jahren vorher die Sanierungskosten in den Mittelfristigen Investitionsplan einbringen, doch wir haben dafür nie die Unterstützung des Stadtrats bekommen.“

Es ging ans Eingemachte

Und 1992 war für eine Rettung des Volksbads ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, Stichwort Haushaltskonsolidierung. „Das Bäderamt sollte plötzlich sein Defizit von zehn Millionen Mark um zehn Prozent reduzieren.“ Polster schlug vor, beim Volksbad zu sparen, „ich hätte auch das Nordostbad schließen können, aber da gingen dreimal so viele Leute hin.“ Das Volksbad besuchten damals 200000 Badegäste pro Jahr.

Nicht nur der politisch verordnete Sparzwang habe das Aus für das Volksbad eingeleitet. „Es kam noch etwas hinzu“, sagt Polster. Die Plafonierung erlaubte es dem Bäderamt, eigenverantwortlich mit seinem Etat zu wirtschaften. „Wir hatten 2,5 Millionen Euro gespart. Damit hätten wir eine Sanierung ansteuern können.“

Doch als der damalige Kämmerer und heutige Oberbürgermeister Ulrich Maly davon erfuhr, habe er das Geld für den städtischen Haushalt einkassiert. Danach sei der Frust bei seinen Mitarbeitern groß gewesen, erinnert sich Polster. Sie gaben ihr Engagement für die unverzichtbaren Einsparungen auf, „obwohl sie das Volksbad geliebt haben“.

Das Gutachten war 1992 umstritten. Der Verein „Erhaltet das Volksbad“ kritisierte, dass die Kosten von einer Luxussanierung ausgehen und viel zu hoch seien. Die CSU bezeichnet die 17,5 Millionen als „Totschlagszahl“.

Doch die Stadtrats-SPD und Oberbürgermeister Peter Schönlein favorisierten wie die FDP den Verkauf des Volksbads. Auf der anderen Seite wollten CSU, Grüne und Republikaner die vor allem bei älteren Menschen in Gostenhof beliebte Einrichtung retten. Bei der Abstimmung im Stadtrat fiel mit einer knappen Mehrheit von 35 zu 34 Stimmen die Entscheidung für den Verkauf der „Jugendstilperle“. OB Schönleins Kommentar: „Die Verwaltung hätte auch ohne Auftrag des Stadtrats einen Käufer gesucht!“

Das Gutachten basierte tatsächlich auf der Vorgabe, aus dem Volksbad einen Wellnesstempel zu machen. „Wir wollten gut verdienende junge Leute anziehen, die auch Geld im Bad lassen“, erklärt Heinrich Polster.

Für 17,5 Millionen Mark sollten die altmodischen Einzelkabinen entlang der Schwimmbecken abgebrochen werden, in der Maschinenhalle war Platz für eine zentrale Umkleide. Außerdem sollten die Trennwände zwischen den drei Hallen fallen und eine große Badelandschaft entstehen. Dampfbad, Sauna, Solarium waren auch geplant. „Der Umbau hätte 18 Monate gedauert“, sagt Polster.

Doch realistisch sei er 1992 schon gar nicht mehr gewesen. „Zuvor war nämlich einiges versäumt worden.“ Beispielsweise der Bau eines Parkhauses auf der anderen Seite der Rothenburger Straße. Das hatte Polster vorgeschlagen, weil die Ewag als Nachbar des Jugendstilbads in ihrem Hof keine Stellplätze für Badebesucher haben wollte. Doch die Stadtspitze lehnte die Idee ab. Nürnberg sei nie eine „Bäderstadt“ gewesen, bilanziert der frühere Amtsleiter.

Er habe damals die Schließung des von ihm durchaus geschätzten Volksbads nur schweren Herzens zur Debatte gestellt. „Schließlich hatten wir in den 80er Jahren schon einiges saniert.“ So wurden in das Becken in Halle III Unterwasserscheinwerfer eingebaut. Doch der Spardruck habe ihm 1992 keine Wahl gelassen, sagt Polster heute. „Presst man einen Schwamm aus und tropft dann Wasser runter, ist die Hand schuld, die zudrückt, nicht der Schwamm.“ Dieser Vergleiche spiegele gut seine Rolle und die des Stadtrats.

Sozis und Grüne beschlossen schließlich in ihrer Koalitionsvereinbarung, dass künftig nur noch eine der drei Schwimmhallen öffnen soll. Bei den Haushaltsberatungen im März wurde gegen 30 Stimmen von CSU, Rep und SPD-Stadtrat Wolfgang Hauck beschlossen, die Hallen I und II dicht zu machen. In der dritten Halle kommt ein Drei-Schicht-Betrieb: Morgens sind die Schulen im Wasser, nachmittags Privatleute und abends Vereine.

16000 Unterschriften

„Der Deal war so: Grüne und CSU drängten darauf, wenigstens eine Halle offen zu lassen, wenn das Volksbad schon zugemacht werden soll“, sagt Polster. Der Förderverein sammelte 16000 Unterschriften für die Rettung der historischen Badestätte. Auch SPD Gostenhof und der dortige Bürgervereine kämpften für den Erhalt.

Im April 1992 schlug der Bäderamtschef vor, das Volksbad ab Oktober nur noch für Vereine und Schulen sowie für Saunabesucher zu öffnen, um den von ihm geforderten Sparbeitrag zum Haushalt überhaupt einhalten zu können. Dagegen protestierten die Grünen. Es widerspreche den Koalitionsvereinbarungen, die Öffentlichkeit auszuschließen. Grünen-Stadträtin Ulrike Zylla warf der SPD vor, sich zu wenig für das Bad einzusetzen.

Private Badegäste durften daraufhin weiter in Halle III abtauchen, das Liegenschaftsamt bot derweil das Volksbad auf dem Immobilienmarkt an. Polster spricht von einem naiven Glauben an die freie Marktwirtschaft. Verkauft ist die marode „Perle“ auch 20 Jahre später noch nicht.

Dafür bröckeln Wände, ist das Dach löcherig. Die Kosten für eine Sanierung mag heute weder ein Investor noch die Stadt tragen. Polster wollte damals das staatliche Neue Museum in Schwimmhalle I locken, „Interesse war da“. Außerdem sollten der Jazz-Club in die Maschinenhalle und die Stadtbibliothek in Halle II ziehen. „Doch die Stadt wollte die Nassnutzung nicht aufgeben.“ Die ist heute freilich unrealistischer denn je.

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