Bahn entschuldigt sich bei geplagten S1-Pendlern
16.2.2012, 22:00 UhrIn Berlin war das so: Um sich bei den Kunden der S-Bahn für die fortgesetzte Misere auf den Gleisen zu entschuldigen, griff die DB 2011 tief in die Kasse: Jahreskarteninhaber bekamen einen Monatsanteil komplett erstattet, andere Abos wurden verbilligt, Einzelfahrkarten galten einen ganzen Tag lang.
Das weiß Anja Steidl natürlich alles. Erst letzte Woche wurde die Marketing-Geschäftsleiterin von DB Regio Franken mit einem deutlichen Schreiben vom Grünen-Kreisverband in Fürth daran erinnert, dass auch die Fahrgäste der S-Bahn-Linie 1 vor der eigenen Haustür unter ständigen Verspätungen und Zugausfällen leiden. In Anlehnung an Berlin sei deshalb nun endlich eine Entschädigung für die Pendler nötig, so die Grünen.
Solche Forderungen gab es in den letzten Monaten immer wieder. Gern versehen mit dem Hinweis auf Bahnchef Rüdiger Grube, der gerne den hohen Stellenwert des „Brot- und Buttergeschäfts“ betont. Nun ist Nürnberg aber nicht die Hauptstadt. Doch immerhin will DB Regio Franken nach 14 Monaten fortgesetzten Pendlerärgers auf der S1 nun tatsächlich die Fahrgäste zwischen Bamberg und Hartmannshof ein wenig streicheln. „Wir planen eine Entschuldigung“, sagt Steidl. Den Begriff Entschädigung vermeidet sie bewusst — wohl wissend, dass die als direkter finanzieller Ausgleich für erlittene Nachteile definiert wird. Und das ist so nicht vorgesehen. Aber wenigstens sollen rund 4000 bis 5000 Dauerpendler auf der S1 demnächst einen warm formulierten Brief bekommen. Zusammen mit der Option, zwischen einem Bayernticket im Wert von 29 Euro oder einem Essensgutschein für ein Nürnberger Restaurant zu wählen.
Gute Werte im Januar
Wie lange die Freude darüber anhält, ist jedoch fraglich. Denn für die Reisenden auf der Linie S1 wird es künftig nicht unbedingt leichter werden. Im Januar hatte sich die durchschnittliche Pünktlichkeit der Züge zwar auf 94,2 Prozent verbessert. Diese Zahl ist jedoch wenig aussagekräftig. Schließlich wurde im letzten Monat nicht an den Gleisen gebaut, fuhren nur wenig Güterzüge, mit denen sich die S-Bahn nördlich von Fürth die Gleise teilen muss. Das aber wird sich jetzt wieder ändern.
Dazu kommt, dass sich die Inbetriebnahme der neuen Triebfahrzeuge vom Typ „Talent 2“ weiter verzögert. Zwar stehen inzwischen 14 von 42 bestellten Einzelzügen in Nürnberg. Vier davon fahren in zwei Einheiten gekoppelt auf der S1. Fast alle noch fehlenden Triebzüge sollen laut DB und Hersteller Bombardier bis April geliefert werden. Doch die Umstellung der „Talent 2“ auf eine neue Software, die nach Informationen der Redaktion auch Bremsprobleme endgültig ausschließen soll, hat sich verzögert und wird erst jetzt nach und nach durchgeführt. Laut Steidl wird es somit erst bis Mitte 2012 möglich sein, die Linien S1 und S3 (Nürnberg—Neumarkt) mit neuen „Talent 2“ auszurüsten. Die S4 (Nürnberg—Ansbach) soll bis Ende 2012 folgen.
Zusätzlich gibt es aber noch technische Probleme mit den jetzt eingesetzten, sehr betagten Ersatzloks und vor allem Wagen. Ein Großteil der Waggons muss dringend in die Revision, was mehrere Wochen dauert. Entsprechend fahren die meisten S-Bahnen, etwa nach Neumarkt, nun nur noch mit drei statt vier Waggons. Gerade im Schüler- und Pendlerverkehr am Morgen wird es deshalb entsprechend eng zugehen.
Doch selbst wenn alle neuen Züge da sind, wird es wohl noch über Jahre zu Schwierigkeiten bei der S1 kommen, wie es schon bei den Planungen im Bayerischen Verkehrsministerium hätte klar sein müssen. „Am Strecken-Engpass können wir nichts ändern“, sagt auch Steidl.
In Nürnberg blockieren sich die verschiedenen S-Bahnen aufgrund fehlender Infrastruktur teils gegenseitig bei der Ein- und Ausfahrt. Zwischen Nürnberg und Fürth liegt zwar jetzt ein zusätzliches Gleis. Eine Möglichkeit zu überholen, ohne dabei ein Gegengleis zu kreuzen, fehlt jedoch auch hier. Und weiter nördlich fahren wegen des Streits zwischen DB und Fürth um die Streckenführung und des somit fehlenden Ausbaus noch über Jahre Fern-, Nah- und Güterverkehr gemeinsam auf nur zwei Gleisen.
Das behindert übrigens nicht nur die S-Bahn. Oft müssen dort auch ICE auf ihrem Weg nach Berlin hinter langsamen Zügen bummeln. Bis zu 55 Minuten braucht aktuell ein Fernzug für die Fahrt von Nürnberg nach Lichtenfels. Und das haben Schnellzüge vor über 30 Jahren auch schon geschafft.