Begraben und verlinkt
5.5.2012, 19:00 UhrDie ersten weiteren Interessenten, die einen sogenannten QR-Code (siehe Stichwort) auf ihrem Denkmal für die Ewigkeit stehen haben wollen, haben sich bei Rosenkranz längst gemeldet. „Besser als massenindustrielle Grabsteine“, antwortet Rosenkranz trocken, wenn jemand seine Idee, Trauerkultur zu digitalisieren, für geschmack- und pietätlos hält. Deswegen hat Rosenkranz auch „Das Ende des Lebens ist der Beginn der Ewigkeit“ eingemeißelt.
Denn eine digitaler Code könne „eine Anbindung an Informationen ins Internet sein und das sagen, was ein normaler Grabstein nicht sagen kann“, meint der Steinmetz-Meister. „Für mich ist ein QR-Code ein Transmitter.“ Die Schnittstelle zwischen dem tatsächlichen Grab und einem virtuellen Trauerraum – der Code soll den Verstorbenen in seiner Essenz in der Gegenwart halten.
„Viele Menschen glauben, dass Friedhöfe nicht zeitgemäß betrieben werden können“, klagt hingegen Günther Gebhardt, Leiter der Nürnberger Friedhofsverwaltung und des Städtischen Bestattungsinstituts und meint: „Friedhöfe sollten auch den Zeitgeist widerspiegeln.“ Das Modell des Steinmetzes Andreas Rosenkranz hat er bereits gesehen – auf Bildern allerdings.
Denn bis die modernen Grabsteine in Serie gehen, könnten noch einige Jahre verstreichen. „Diesen QR-Code sieht man gar nicht so gut“, meint Gebhardt. Denn das gepixelte Feld ist in ein künstlerisch-klassisches Kreuz eingearbeitet und nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen. „Das ist ein handgefertigtes und grafisches Monument, ein Kunstwerk, wenn man so will“, meint der Mit-Initiator des Leitfriedhofes und der Künstlergräber.
Ist die Verlinkung wirklich pietätlos?
„Solange die guten Sitten bewahrt bleiben, lässt sich über Geschmack immer streiten“, findet er und fügt an: „Für viel schlimmer halte ich diese seelenlosen Kisten aus China und Indien.“ Prinzipiell müsse sich der gestaltende Künstler aber an die Friedhofssatzung halten.
Die bestimmt, in welchen Abmessungen Gräber zueinander stehen müssen und beschränkt das Erinnerungsmal auf eine bestimmte Größe. Alles, was nicht „an die Grenzen des guten Geschmacks“ stößt, könnte so auch für die Ewigkeit stehen. Schließlich wolle ja nicht jeder unter einem Kreuz beerdigt werden.
Dass viele Bürger und Angehörige die QR-Codes pietätlos und völlig fehl am Platz empfinden, kann Gebhardt verstehen, denn viele „möchten Trauer auf dem Friedhof erleben – und nicht auf Facebook“. Letztlich aber sei Trauer und Trauerbewältigung heute längst nicht mehr so „klassisch und uniform“.
Für Letzteres macht sich Gebhardt bereits seit ein paar Jahren stark: Mit den Künstlergräbern will er die Optik der Friedhöfe kreativ unterbrechen, der Leitfriedhof soll Hinterbliebenen Impulse geben, wie sie dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen wollten. „Wir müssen unsere Angebote an die Zeit und die Lebensbedingungen anpassen“, sagt er. Vor allem, seitdem der Leiter der Friedhofsverwaltung notgedrungen und unter Protest der Bevölkerung die Grabkosten in Nürnberg immer wieder anheben muss.
Auch der zunehmenden Entwurzelung der jungen Generation könnte so Abhilfe geschaffen haben und das Gräberfeld wieder zugänglicher machen – das sieht auch der meißelnde Steinmetz Rosenkranz so. Diejenigen, die den Artverwandten des Strichcodes für fehl an der letzten Ruhestätte befinden, beruhigt Günther Gebhardt: „Zum einen verarbeitet der Steinmetz ein künstlerisches Element und zum anderen sind unsere Friedhöfe weitläufig genug. Das fügt sich gut und ein“, meint er.
Hingegen nicht zugänglich sollen die Daten sein, die im Internet für den Verstorbenen hinterlegt sind: ein Kondolenzbuch oder, wie Andreas Rosenkranz vorschlägt, ein Wikipedia-Eintrag oder eine Website. Dahinter kann eine schier große Menge an Bildern, Erinnerungen und Videos ausgetauscht werden. Ist das die Zukunft im Umgang mit dem Tod? Ohne Berührungsängste? Gegen das Vergessen? Das Archiv eines Menschen für mehr gelebte Unsterblichkeit?
Dafür müsste der Code allerdings auch allen Nutzern des Internets zur Verfügung stehen. Ob der Missbrauch der Daten kontrollierbar ist, weiß heute niemand. Eindämmen könnten ihn Barrieren wie Passwörter. Der Macher des Steines, Andreas Rosenkranz, geht aber generell nicht davon aus, dass sich jemand dadurch an der Ehre des Toten vergeht. Friedhofsverwalter Gebhardt ist sich da nicht so sicher. „Das ist letztlich eine Frage für die Hinterbliebenen“, meint er.
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