Der Streit unter den Sudetendeutschen spitzt sich zu
1.2.2016, 19:39 UhrVor einem Jahr hatte die Bundesversammlung der rund 200 000 Mitglieder starken Landsmannschaft mit großer Mehrheit eine wegweisende Satzungsänderung beschlossen (wir berichteten). Die Initiative dazu hatte der Vorsitzende Bernd Posselt ergriffen, ein CSU-Politiker.
Alte Formulierungen, die als Territorialanspruch an die tschechische Seite verstanden werden können, wurden damals durch weit gemäßigtere ersetzt. So ging es früher darum, „das Recht auf Rückgabe bzw. gleichwertigen Ersatz oder Entschädigung des konfiszierten Eigentums der Sudetendeutschen zu wahren“.
Auch vom „Rechtsanspruch auf die Heimat“ und deren „Wiedergewinnung“ war die Rede. Als Heimat gelten diejenigen Gebiete, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges zum heutigen Tschechien gehören. Die neue, umstrittene Passage klingt weit weniger kriegerisch. Vorderstes Ziel der Sudeten ist es jetzt, „an einer gerechten Völker- und Staatenordnung mitzuwirken, in der die Menschen- und Grundrechte, das Recht auf Heimat und das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Volksgruppen für alle gewahrt und garantiert werden“. Verstöße gegen diese Rechte wie Völkermord, Vertreibungen oder völkerrechtswidrige Enteignungen seien „auf der Grundlage eines gerechten Ausgleichs zu heilen“.
Gegen diese grundlegenden Änderungen waren die Gegner Posselts, die vor allem aus Reihen des rechtsgerichteten Witikobundes kommen, vor Gericht gezogen. Das Urteil des Landgerichts München I (Az.: 25 O 4833/15), das der Redaktion vorliegt, gibt ihnen auch recht, allerdings nur aus formalen Gründen.
Die Satzungsänderung, so das Gericht, sei nichtig, weil ein Antrag des Bundesvorstandes zur Abstimmung stand, der kurz vorher noch inhaltlich ergänzt worden war. Er sei deshalb nicht form- und fristgerecht versandt worden. Mit dieser Ergänzung wollte der Vorstand den Gegnern noch entgegenkommen. Abgelehnt hat es die Münchner Justiz aber, auch den Inhalt der Satzungsänderung zu kippen. Dies wollten die Gegner ebenfalls erreichen.
Nach dem Urteil handelt es sich obendrein nicht um eine Änderung des Zweckes der SL, der alle Mitglieder zustimmen müssten. Vielmehr genüge die einfache Mehrheit. Im vergangenen Jahr waren fast 72 Prozent der SL-Delegierten der Posselt-Position gefolgt.
Die Kläger feiern die Entscheidung der Justiz dennoch vollmundig als Sieg. Bernd Posselt bescheinigen sie „Realitätsverlust“. Dieser wiederum hat das Münchner Urteil gegenüber den NN mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen. Es sorge seiner Auffassung nach in allen wesentlichen Punkten für juristische Klarheit und Rechtssicherheit.
Die SL-Spitze will den massiven Konflikt nun nicht mehr weiter auf dem Rechtsweg ausfechten. Stattdessen, werde, so Posselt, der Antrag aus dem vergangenen Jahr ohne Eingriff in Formulierungen erneut der Bundesversammlung zur Abstimmung vorgelegt. Die findet am letzten Februarwochenende in München statt.
Der Vorsitzende ist zuversichtlich, dass die Satzungsänderung dann ins Vereinsregister eingetragen werden kann. Andere sehen durchaus die Gefahr, dass sich die Landsmannschaft spaltet.