Der Wert der Wissenschaft in post-faktischen Zeiten

2.5.2017, 17:49 Uhr
Der Wert der Wissenschaft in post-faktischen Zeiten

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Am ersten Tag der Trump-Präsidentschaft verschwand der Klimawandel von der Internetseite des Weißen Haus’. US-Amerikanische Forscher fürchten die Einflussnahme der Regierung und Kürzung der Gelder. "Das ist eine besorgniserregende Tendenz, der man fundiert entgegenwirken muss", sagt Michael Jungert. "In Deutschland ist das zwar noch nicht so akut wie in den USA, aber durch die Trump-Debatten wird greifbar, was wir hier machen – wir sind eine der wenigen Unis, die das mit einem eigenen Institut angehen."

Jungert leitet das ZiWiS, das neue Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen an der Uni in Erlangen. Der promovierte Philosoph und studierte Biologe ist überzeugt: "Es wird zunehmend wichtig, dass die Wissenschaft zu sich selbst Stellung bezieht und zeigt, welchen Wert Forschung für die Gesellschaft hat." Mehr als 500 Professoren forschen an der Friedrich-Alexander-Universität. Dazu kommen knapp 3500 wissenschaftliche Mitarbeiter, 40 000 Studenten und jedes Jahr rund 700 Doktoranden. "Doch die Teile der Bevölkerung, die selbst nicht studiert haben und keinen Bezug dazu haben, wissen oft sehr wenig darüber wie Wissenschaft funktioniert und gemacht wird", sagt Jungert. "Es ist unsere Aufgabe das besser, greifbar und interessant zu erklären – zum Beispiel im Dialog, nicht nur in eineinhalbstündigen Vorträgen." Schließlich finanziert jeder Bürger mit seinen Steuern die Wissenschaft mit.

Das neue Institut hat 15 Mitarbeiter und zehn Lehrbeauftragte plus Hilfskräfte. Es geht aus dem früheren ZIEW hervor, dem Zentralinstitut für angewandte Ethik und Wissenschaftskommunikation. Die Uni hat es zum 1. April umbenannt. "Die Wissenschaftsreflexion ist neu und das sollte auch im Namen sichtbar sein", sagt der Chef. Er hat in Bamberg und Erlangen studiert. Seit 2015 leitete er auch das Vorgänger-Institut. Als Zentralinstitut ist das ZiWiS direkt der Hochschulleitung unterstellt und gehört damit zu keiner beziehungsweise zu allen Fakultäten.

Ein Mitgliederkreis aus 29 Professoren aller Fachrichtungen diskutiert Themen und Projekte. Während das ZIEW vor allem geisteswissenschaftlich orientiert war, ist jetzt der Anteil aus Naturwissenschaften, Technik und Medizin gestiegen. "In der Medizin ist etwa die Homöopathie ein Thema, zu dem die Wissenschaft Stellung beziehen und erklären muss, warum manches aus ihrer Sicht nicht wissenschaftlich ist", erklärt Jungert. Biologen wenden sich ans Institut, um die ethischen Aspekte der Genetik zu erforschen. Informatiker und Sozialwissenschaftler erörtern gemeinsam die Folgen künstlicher Intelligenz und selbstständig fahrender Autos. Der Klimawandel beschäftigt sowohl Geologen, Biologen, Physiker als auch Politik- und Wirtschaftswissenschaftler aus unterschiedlichen Perspektiven. "Es gibt eine unglaubliche Methodenvielfalt in der Wissenschaft und jede bringt neue Erkenntnisse hervor", sagt Jungert. Manchmal können erst verschiedene Disziplinen zur Lösung eines Problems beitragen. Dabei gelten für alle dieselben Grundsätze, wie Wiederholbarkeit, Dokumentation der Daten und Veröffentlichung der Ergebnisse.

Das Institut organisiert auch die Orientierungswoche für bis zu 700 Erstsemester jedes Jahr und führt sie ins wissenschaftliche Arbeiten an der Uni ein. Dazu gibt es am ZiWiS Kurse für Rhetorik, Sprechtraining, Fotografie, Präsentationstechniken, aber auch Zukunftsforschung, Ethik und Wissenschaftsjournalismus. "Alles, was einem hilft, über den Tellerrand des eigenen Fachs hinauszuschauen", sagt Jungert. "Die Gesellschaft profitiert auch von der Wissenschaft durch die Ausbildung des Nachwuchses."

Gerade beantragt Jungert Gelder bei der Deutschen Forschungsgesellschaft, um das Vertrauen in die Wissenschaft und ihre Autorität zu untersuchen. "In den USA ist das ja schon ein wirkliches Problem", sagt er. "Wir müssen zeigen, wie wichtig grundlegender wissenschaftlicher Diskurs ist, auch wenn am Ende keine konkrete Erfindung dabei herauskommt." Solche Debatten will Jungert am ZiWiS führen und in die Öffentlichkeit tragen. "Ich meine wir sind ja wirklich in einer Bringschuld gegenüber dem Steuerzahler."

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