Die Geschichte des Nürnberger Nazi-Oberbürgermeisters

12.08.2018, 06:00 Uhr
Willy Liebel mit seinen vier Kindern im Wochenendhaus in Eschenbach.

Willy Liebel mit seinen vier Kindern im Wochenendhaus in Eschenbach.

Vielen Nürnbergern gilt er noch heute als Retter wertvoller Kunstgegenstände vor den alliierten Bombern. Doch im Grunde genommen war er einer der Hauptverantwortlichen für die Ausbeutung der Stadtgeschichte durch die Nationalsozialisten. Liebel garantierte auch, dass die Entrechtungsmaschinerie von Kommune und Staat reibungslos lief.

Zu diesem Urteil kommt Dr. Matthias Klaus Braun in seinem 2012 veröffentlichten Buch "Hitlers liebster Bürgermeister: Willy Liebel". Der Autor stützt sich bei seiner Beurteilung darauf, dass Liebel als OB maßgeblich dafür verantwortlich war, den Verfolgungs- und Terrorapparat der NSDAP mit Hilfe städtischer Beamter zu etablieren und am Laufen zu halten. Dazu der Historiker: "Er war ein gewiefter Netzwerker und administrativer Autodidakt, der für die Stabilität der NSDAP sorgte, die Unrechtsdekrete umsetzte und die Geschichte seiner Heimatstadt für NS-Interessen instrumentalisierte."

Die Haupttätigkeit von Autor Braun indes hat sich in den letzten Jahren zur Nürnberger Stadtverwaltung hin verlagert. Er ist dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kulturreferat der Stadt speziell mit dem Erhalt und dem Umgang der NS-Hinterlassenschaften Zeppelintribüne/-feld und früherer Bahnhof Märzfeld befasst.

Liebel, am 31. August 1897 in Nürnberg geboren, hatte sich nach der Lehrzeit in der väterlichen Druckerei als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) gemeldet. Er galt als ein alter Parteigenosse, der seit Anfang der 20er Jahre in der völkischen Bewegung aktiv und seit 1925 – mit kurzer Unterbrechung – NSDAP-Mitglied war. Er bemühte sich nach 1933 als Stadtoberhaupt sehr darum, Hitlers Wünsche – zum Beispiel, was den Ausbau des Reichsparteitagsgeländes betrifft – zu erfüllen. Es ist auch durch den Nürnberger Journalisten Karl Stauder eine Aussage überliefert, wonach Hitler Liebel als "besten deutschen Oberbürgermeister" bezeichnet haben soll.

Er hat Nürnberg international bekannt gemacht

War der OB populär? Dazu Braun: "Bei Nürnbergern, die nicht von Repressionen betroffen waren, war er durchaus beliebt. Er hat Nürnberg nach 1933 wieder international bekannt gemacht, er hat die Stadt nach außen hin in vielen Gremien repräsentiert. 1938 gelang ihm zudem mit der Rückführung der Reichskleinodien ein kommunalpolitischer Coup."

Nürnbergs Nazi-OB konnte nicht nur auf ein enges Netzwerk zu hohen Parteifunktionären und Staatsstellen bauen, sondern er vermochte in Nürnberg gar eine von der Gauleitung weitgehend unabhängige Position zu errichten. Er war ein guter Organisator, aber eher ein mäßiger Redner. Autor Hannes Liebrandt schreibt in seinem Buch "Das Recht mich zu richten, das spreche ich ihnen ab! - Der Selbstmord der nationalsozialistischen Elite 1944/45" über Liebel: "Auch wenn er nicht die zuweilen plumpe, politische Hetzrhetorik eines Julius Streicher übernahm, so wusste er ebenso seine Standpunkte offensiv und klar zu vertreten."

Er war ein fanatsicher Nazi

Nach der lokalen Machtergreifung in Nürnberg und seit dem Beginn seiner Amtszeit beginnt mit der Säuberung der Stadtverwaltung von "national unzuverlässigen Elementen und Juden" eine neue Zeitrechnung in Nürnberg. Bereits bei der Sitzung als zunächst kommissarischer Bürgermeister am 16. August 1933 erklärte Liebel das neue politische Zeitalter in Nürnberg so: "Ich stelle fest, dass zur Durchführung dieses Gesetzes auch eine gewisse Brutalität gehört, die wir Nationalsozialisten auch besitzen."

Als fanatischer Nazi habe Liebel das menschenverachtende Programm der NSDAP vertreten, sagt Historiker Braun. So erklärte der OB am 6. Januar 1938 in der "Fränkischen Tageszeitung", dass man keinem deutschen Volksgenossen zumuten könne, "in die Wanne zu steigen, in der soeben ein Jude gebadet habe".

Über Liebels Schreibtisch liefen alle wesentlichen Angelegenheiten

Nach Ansicht Brauns kennzeichnet Liebel ein anderer Antisemitismus als der von Streicher. Während der Gauleiter das sexualpathologische Element in den Vordergrund stellt, sei es beim Stadtoberhaupt ein wirtschaftlicher Antisemitismus. Was die Ausschaltung der jüdischen Deutschen aus der Wirtschaft betrifft, äußerte sich Liebel deutlich. Er als Mittelständler sprach in Nürnberg auch Anhängerschaften an, die Streicher nicht erreichten konnte.

Nicht vergessen werden dürfe, meint Braun weiter, dass der OB von Minister Speer 1942 als Leiter ins Zentralamt des Rüstungsministeriums berufen und 1944 Mitglied in dessen Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte wurde. Damit war Liebel an Zwangsarbeit und Kriegsverbrechen zwischen 1942 und 1944 ebenso beteiligt wie sein Vorgesetzter Speer. Über Liebels Schreibtisch liefen alle wesentlichen Angelegenheiten; er wiederum gab die Weisungen Speers in die nachgeordnete Administration weiter. Sozusagen im Nebenjob blieb er auch OB.

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