Die Schwarzkittel sind weiter auf dem Vormarsch

6.8.2014, 06:00 Uhr
Die Schwarzkittel sind weiter auf dem Vormarsch

© Sabine Dietz

Fotos von aufgewühlten Wiesen haben die Jäger aus Wachendorf und Egersdorf zum Ortstermin im Dutzend mitgebracht. So eine Sauen-Rotte kann ordentlich Schaden anrichten. „Als ich das zum ersten Mal sah, hab’ ich gedacht, da ist ein Pflug zickzack gefahren“, sagt Norbert Deubel. Inzwischen macht er mit seinen Jägerkollegen Peter Schöner und Winfried Pohl, die in den beiden Revieren von Jagdpächter Fritz Strattner auf die Pirsch gehen, die Spuren der Schwarzkittel überall aus. Die Abdrücke der Paarhufer sind eindeutig und die Mulde am Ackerrain, neben der das Getreide niedergetrampelt ist, zeugt von der Leidenschaft der Wildsau, sich zum Schutz vor Ungeziefer im Dreck zu suhlen.

Geteiltes Leid

Dass Strattner selbst Bauer ist, nimmt Zündstoff aus dem Konfliktpotenzial zwischen Jägern und Landwirten. Man ist auf ein gutes Miteinander bedacht, bestätigt auch Fritz Rupprecht, als Jagdvorstand der Vertreter der Grundbesitzer im Revier. Ihm haben Wildschweine vergangenen Herbst auf der Suche nach Engerlingen und anderem Gewürm 3000 Quadratmeter frisch gesäten Weizen umgewühlt. Er hat die Schultern gezuckt und den Flecken neu angesät.

Ist eine Wiese umgepflügt, bügelt Strattner den Schaden selbst aus. Letztes Jahr hat er an die 300 Hektar Wiesen ausgebessert, berichtet er. Viel Arbeit, die er sich macht, doch das verhindert, dass die Landwirte den Jägern Wildschäden allzu übel nehmen – oder über finanziellen Ausgleich gestritten wird. Meist ist der Wildschaden in den Pachtverträgen mittlerweile gedeckelt. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, sagt Strattner.

Denn die Zeiten, als die Sauen im Landkreis lediglich durchzogen, sind längst vorbei. Das spiegeln die Daten, die Schulte parat hat. Während den hiesigen Jägern vor zehn Jahren Wildschweine nur vereinzelt vor die Büchse kamen, stiegen die Abschusszahlen seit 2010 rasant: von 20 auf 67 im Jagdjahr April 2013 bis März 2014. Nicht mitgerechnet sind die Sauen, die auf Straßen oder auf der Rangaubahnlinie unter die Räder kamen.

Das Gefahrenpotenzial ist nicht ohne, nicht nur auf der Straße, auch im Wald: Deubel spart sich mittlerweile jede Diskussion mit Hundehaltern, die ihre Vierbeiner frei laufen lassen. Er zeigt ihnen das Foto von einem 85-Kilo-Keiler und dessen Gebiss: Bis zu 15 Zentimeter Länge erreichen die Reißzähne im „Gewaff“. „Der Hinweis, dass sowas bei uns im Wald rumläuft, ist nachhaltig“, so Deubel. Fühlt sich eine Sau bedroht, kann sie sehr aggressiv werden.

Alte Bekannte

90 Prozent der erlegten Wildschweine fallen in der Gegend von Ammerndorf, Steinbach, Weinzierlein und Bronnamberg an — „dort, wo es große, zusammenhängende Waldstücke gibt, da fühlen sie sich wohl“, so Schulte. Allein 20 Sauen hat Ingo Breidenstein mit sechs Kollegen im vergangenen Jahr im Revier Steinbach erwischt.

Die Schwarzkittel sind weiter auf dem Vormarsch

© Foto: Doris Reithinger

Für ihn sind die Wildschweine alte Bekannte. 2011 hat er das Revier mitgepachtet, „und da hat es ziemlich übel auf manchen Äckern ausgesehen“. Er habe die Schweine mittlerweile im Griff, meint er, und auch keine Probleme mit den Landwirten. Sie honorierten, dass er konsequent und gezielt bejagt — und viel Zeit in die Hege investiert, was so weit geht, dass er dieses Frühjahr zwei verwaiste Frischlinge mit der Flasche aufzog.

„Haben die Wildschweine irgendwo gewühlt, können die Bauern davon ausgehen, dass da jede Nacht einer von uns ansitzt“, sagt Breidenstein Das halte die Sauen fern, „denn die merken sich, wo sie bejagt werden.“ Mit Kameras überwachen die Jäger die Wege der Schweine oder locken sie mit Mais an so genannte Kirrungen. Die Köder auf diesen Lockplätzen fordern allerdings einigen Einsatz, um an die Körner zu kommen. Etwa wenn der Mais in einer Kiste unter einem mit einem Stein beschwerten Deckel oder in einer Trommel mit kleinen Löchern verborgen ist. Die Sau soll beschäftigt sein, damit sie länger im Schussfeld bleibt.

Waidgerecht korrekte Bejagung ist für Breidenstein dabei entscheidend. Das heißt für ihn, eine Bache ist tabu. Ist das in der Dunkelheit, wenn die nachtaktiven Tiere unterwegs sind, nicht eindeutig auszumachen, „muss der Finger am Abzug gerade bleiben“. Die Leitbache steuert das Paarungsverhalten in der Rotte und hält Keiler von weiblichen Frischlingen fern, so dass sich die nicht unkontrolliert bereits ab dem ersten Lebensjahr vermehren.

Jungtiere sind noch dumm. Doch die ausgewachsene Wildsau „ist alles andere als eine dumme Sau“, sagt Deubel. Ihrer ist schwer habhaft zu werden. Steht der Mais bis an den Waldrand, haben es die Schweine auf dem Weg von ihrem Einstand im Wald zum Futterplatz ganz gemütlich. Mais wächst mittlerweile auf fast einem Drittel der Nutzflächen im Landkreis. Insoweit ist für Breidenstein ausgemacht, „dass wir uns mit den Wildschweinen arrangieren müssen“.

Wobei er so deutlich nicht sagen will, was Jagdberater Schulte auf den Punkt bringt: „Wir haben die Wildtiere, für die wir den Lebensraum bieten. Und die ausgedehnten Maisäcker zur Beschickung der Biogasanlagen bieten der Wildsau optimale Bedingungen.“

Frühjahrs bringen es die Sauen fertig, Korn für Korn aus dem Saatbeet zu klauben, sommers bietet der Mais Deckung. Kurz vorm Ernten, wenn die Körner in die Milchreife gehen, sind sie für Schwarzwild eine Delikatesse. „Klee, Kartoffeln, Rüben: Fehlanzeige. Bei dieser Nutzung ist das Schwarzwild eindeutig der Gewinner“, so Schulte — ganz im Gegensatz zu Hase, Rebhuhn und Fasan, die auf Wiesen, die mittlerweile bis zu fünf Mal im Jahr gemäht werden, keinen Nachwuchs mehr hochbringen.

Insoweit schütteln die Waidmänner nur den Kopf, wenn wie erst kürzlich wieder landwirtschaftsministerielle Kritik verlautet, die Jäger Bayerns seien nicht in der Lage, die Massenvermehrung der Wildschweine zu stoppen. „Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen niemanden weiter“, sagt Schulte, „da müssten alle an einem Strang ziehen, Landwirte, Staatsförster und Jäger.“

 

Keine Kommentare