Ein Werkzeug, das sich für die Talentsuche bewährt hat
7.1.2019, 19:58 UhrWie kriegt ein Vermittler heraus, was ein geflüchteter Syrer bisher beruflich getan hat? Eine nur mündliche Befragung bringt’s nicht. Der Syrer sagt, er sei "Manager", worunter man alles Mögliche verstehen kann. Also tastet sich der Vermittler langsam vor und zeigt realistische Bilder aus ganz vielen Tätigkeiten, denn als Manager wird man ja nicht geboren: Hat er als Sattler, Maler oder Mechaniker gearbeitet? Das so einfache wie komplexe System heißt "check.work", erstellt vom Meramo-Verlag. Der Kandidat wählt eine von fünf Sprachen und klickt sich durch Fragen und viele Fotos von Tätigkeitsfeldern, kann dabei in die Tiefe gehen. Nein, nein und nochmals nein.
Und plötzlich ja: Der Mann sieht eine Werkbank, auf der Leder zugeschnitten wird. Am Anfang seiner Laufbahn arbeitete er als Schuhmacher, dann, aufgerückt in der Hierarchie, als Vorarbeiter und irgendwann als Leiter der Manufaktur mit allem, was dazu gehört.
Dann der Hauptgewinn
Bei Mehdi Takaloo war das anders. Er hatte in seiner Heimat Iran Informatik studiert und in diesem Beruf auch gearbeitet — mit begrenzter Freude und mäßigem Erfolg. Bis sein Chef ihm erklärte, dass sein wahres Talent im Vertrieb und im Umgang mit Menschen liege. Sodann klapperte der heute gut 40-Jährige Messen in Nordafrika ab und verkaufte.
Doch im Iran hielt ihn nichts, er und seine Familie wurden dort verfolgt. Geflüchtet nach Deutschland, landete er irgendwann bei Meramo. Auf ein sechswöchiges Praktikum folgte der Hauptgewinn: Der Verlag stellte ihn fest ein. Ein paar Monate ist das her und Verlagsleiter Andreas Bund kann nun bestätigen: Takaloos Stärke liegt tatsächlich im Vertrieb, und in diesem Bereich arbeitet er auch bei Meramo, seit 2002 als Spezialist rund um die Themen Ausbildung, Studium, Beruf und Karriere. Logisch, die Bundesagentur für Arbeit ist Großkunde des Verlags. Er steht unter dem Dach der Willmy Media Group. Heute beschäftigt Meramo mit Sitz in Nürnberg-Gebersdorf 30 Mitarbeiter. Darin eingeschlossen ist die IT-Abteilung mit App-Entwicklung in Berlin.
Bei Erwachsenen geht es darum, Tätigkeiten abzugrasen, die die Person jemals ausgeübt hat. Dass diese Erfahrung nicht immer deckungsgleich sein muss mit dem gewünschten Arbeitsfeld, zeigt ein Beispiel, von dem Kristina Ansorge erzählt. Die kaufmännische Leiterin bei Meramo berichtet von einer Syrerin, die beim Nürnberger Bildungsträger und Vermittler Ingeus den Erfahrungscheck absolviert hatte. Die Migrantin hatte in Syrien als Sekretärin an einer Hochschule gearbeitet. Was sie hobbymäßig jedoch noch viel lieber tat, waren Schneiderarbeiten für sich selbst und ihre Freundinnen. "Heute hat sie eine Stelle in einer Schneiderei für Hochzeitskleider und ist glücklich damit", resümiert Ansorge.
Ein zweites Modul hat geflüchtete Jugendliche und junge Erwachsene zur Zielgruppe — einen Personenkreis, der noch so gut wie keine berufliche Erfahrung gesammelt hat. "Wir gewinnen dank der Ergebnisse des Testverfahrens von check.work erste Hinweise", wo bei jungen Geflüchteten die Stärken, Interessen und Potenziale liegen, sagt Ingeborg Haas, Vertriebskoordinatorin und Seniorberaterin bei Ingeus. Und Meroma-Chef Bund fügt hinzu: "Wir kennen das doch von uns selbst. In der Jugendphase wissen wir noch nicht, wo es langgeht."
Seit eineinhalb Jahren wird "check.work" bundesweit eingesetzt in Integrationsklassen, Jobcentern und Arbeitsagenturen sowie von Bildungsträgern. Zu diesen Instituten gehört eben die ursprünglich australische Ingeus GmbH mit 110 Mitarbeitern in Deutschland. Aktuell arbeite man hier mit rund 200 anerkannten Asylbewerbern mit den Eignungstests, berichtet Ingeborg Haas.
Mancher Ausbilder hat das schon erlebt: "Die schicken mir die Schreiner in die Metallwerkstatt und die Metaller in die Schreinerwerkstatt", berichtet Bund. Mit dem Testprogramm lasse sich das vermeiden.
"Ziel ist, eine grobe Richtung zu finden und Fehlleitungen zu vermeiden", sagt Daniel Haßler von der IHK Nürnberg. In Mittelfranken hat die Integrationsberatung schon über 1000 solcher Tests absolviert — "mit Erfolg", befindet Haßler. Aus seiner Sicht hat sich das Werkzeug bewährt, das die bayerischen Industrie- und Handelskammern — unterstützt vom Wirtschaftsministerium — in Auftrag gegeben hatten. Heraus kam der Online-Test.
Erst wenn sich ein Profil der beruflichen Stärken und Erfahrungen ergeben hat, "geht es richtig los mit dem Praxistest", sagt Meramo-Chef Bund. Die Person wird zum Beispiel in die Werkstatt geschickt und zeigt dem Meister, was er handwerklich drauf hat. "Das fängt schon damit an, wie jemand das Werkzeug anfasst."
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