Finanzvorstand Meeske: "Club ein Stück weit abgehängt"
28.1.2017, 07:00 UhrNZ: Herr Meeske, mal ehrlich: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Guido Burgstaller bei seiner Premiere für Schalke auf Pass von Alessandro Schöpf in der Nachspielzeit den Siegtreffer erzielt hat? Leidet da auch ein bisschen der Fußballfan in Ihnen?
Michael Meeske: Zunächst einmal habe ich mich für ihn gefreut. Ich finde es bemerkenswert, wenn man gleich im ersten Spiel auf diesem Niveau so loslegen kann. Natürlich blutet auch ein bisschen das Herz, weil man sieht, welche Qualität man abgegeben hat. Man muss sich aber auch wieder vor Augen führen, dass es in Deutschland wohl nur einem Klub vergönnt ist, keine Spieler abgeben zu müssen.
NZ: Kritiker befürchten, der Deal könne für den Club sogar zum Draufzahlgeschäft werden – weil es ohne Burgstaller in der Tabelle bergab gehen und sich dies auf TV-Gelder und Zuschauereinnahmen auswirken könnte. Eine Milchmädchenrechnung?
Meeske: Man muss natürlich berücksichtigen, dass bei einem negativen Verlauf bestimmte Erlöse nicht realisiert werden können. Das schmälert den vermeintlichen Ertrag, den wir erwirtschaftet haben. Ich glaube aber, dass das in einem überschaubaren Rahmen bleiben wird. Und es gibt ja auch keine Garantie, dass Guido Burgstaller wieder 14 Tore geschossen hätte, denn dazu gibt es zu viele Unwägbarkeiten, wie beispielsweise eine Verletzung des Spielers.
NZ: Dennoch dürfte biederes Zweitliga-Mittelmaß in Nürnberg auf Dauer nur schwer vermittelbar sein.
Meeske: Wir haben Vertrauen, dass wir auch ohne Guido Burgstaller eine leistungsfähige Mannschaft haben, wenngleich wir natürlich ein Stück weit Qualität eingebüßt haben. Aber so etwas kann schließlich auch ein Antrieb sein.
Eine Verletzung kann Millionen kosten
NZ: Wie sehr kann der Club vom neuen TV-Vertrag profitieren?
Meeske: Grundsätzlich ist die TV-Situation etwas schwerer prognostizierbar, weil sie auch mehr Einflussfaktoren hat. In der aktuellen Konstellation wären wir sicher noch einer der Gewinner dieser Verteilung. Aber es ist ein flüchtiges Gut, das von vielen Themen abhängt. Durch Patrick Erras hatten wir in der letzten Saison die drittmeisten U23-Einsatzzeiten aller Erst- und Zweitligisten, diesmal sind es vermutlich weniger. Dadurch verliert man schnell ein, zwei Millionen. Grundsätzlich bin ich aber optimistisch, dass es für uns wie auch den gesamten deutschen Fußball eine gute Lösung ist. Es gilt jedoch umso mehr, bis zum letzten Spieltag um jeden Platz zu kämpfen.
NZ: Sie haben ehrlich eingeräumt, dass im Sommer weitere Transfereinnahmen folgen müssen. In welcher Größenordnung?
Meeske: Wir bewegen uns durchaus noch im sehr niedrigen siebenstelligen Bereich. Das kann sich aber durch verschiedene Transferkomponenten und Variablen aus anderen Verträgen von alleine lösen. Wenn sich noch drei, vier solche Themen mit Beteiligungen beim Weiterverkauf von ehemaligen Club-Spielern oder Klauseln über Einsatzzeiten realisieren lassen, kann es auch sein, dass es im Sommer keinen Transferzwang mehr gibt.
NZ: Zum Beispiel, wenn Niklas Stark von Hertha BSC zu Borussia Dortmund weiterziehen würde?
Meeske: Ja, das könnte so ein Thema sein.
NZ: Zum Jahresende 2016 musste der Club sein negatives Eigenkapital in Höhe von 5,8 Millionen Euro gemäß DFL-Auflage um fünf Prozent abgebaut haben. Ist dieses Vorhaben gelungen?
Meeske: Momentan beschäftigt sich damit der Wirtschaftsprüfer, anschließend muss die DFL die Unterlagen bewerten. Es gibt noch ein paar offene Themen, zum Beispiel bei der Bewertung von Forderungen des Clubs aus Transferbeteiligungen.
Punktabzug weiterhin ein Thema
NZ: Die Gefahr eines Punktabzugs in der kommenden Saison ist also noch nicht gebannt?
Meeske: Das wissen wir erst Mitte April, und bis dahin sollten wir uns auch mit offiziellen Stellungnahmen zurückhalten. Wir sind optimistisch und auf jeden Fall in einer deutlich komfortableren Situation als letztes Jahr.
NZ: Sie haben beim Neujahrsempfang gesagt: "Uns sind viele kleine und ein paar große Schritte gelungen, aber es müssen noch viele große folgen." Was wäre denn so ein großer Schritt?
Meeske: Ein großer Schritt wäre die langfristige Umfinanzierung unserer Verbindlichkeiten, die bislang nicht erfolgt ist. Dann wäre ein weiterer großer Schritt, wenn wir rund um das Thema Rechtsformfrage etc. die Eigenkapitalsituation deutlich verbessern könnten. Noch drei Exklusivpartner zu gewinnen, wäre ebenfalls von großem Vorteil. Und natürlich der Aufstieg.
NZ: Nach wie vor beschäftigt Sie die Anschlussfinanzierung der Anleihe für das Funktionsgebäude ...
Meeske: Natürlich streben wir immer noch eine langfristige Finanzierung an. Allerdings fehlt aus Bankensicht noch der Nachweis, dass wir auch wieder Gewinn erzielen können. Und damit fehlt das Extra an Glaubwürdigkeit und Vertrauen, was wir für besonders gute Konditionen bei einer langfristigen Verzinsung brauchen.
Auch der Zuschauerschnitt hinkt hinterher
NZ: Trotz der erteilten Zustimmung der Mitglieder zur Beleihung des Vereinsgeländes?
Meeske: Das hat sich zum jetzigen Zeitpunkt bei der mittelfristigen Refinanzierung der Anleihe schon positiv bemerkbar gemacht, aber es war eben noch nicht der große Schritt.
NZ: Existiert eine reelle Chance, das laufende Geschäftsjahr endlich wieder einmal mit einer schwarzen Null abzuschließen?
Meeske: Natürlich ist es unsere Planung, keinen Verlust zu erwirtschaften. Aber dieser Plan bleibt ambitioniert, auch weil wir beim Zuschauerschnitt nicht oberhalb der Planung liegen, obwohl wir schon einige attraktive Heimspiele hatten.
NZ: Optimierungsbedarf sehen Sie auch in Sachen Merchandising und Vermarktung. Wo wollen Sie da vor allem ansetzen?
Meeske: Wir haben jetzt erstmal mit einem neuen Online-Shop begonnen. Wir liegen dort bislang noch deutlich unter dem Marktdurchschnitt. Andere Vereine machen 40 Prozent ihres Umsatzes digital, wir sind erst bei 18 Prozent. Auch haben wir kein zeitgemäßes Verkaufsumfeld, und so funktioniert Verkaufen heutzutage nicht mehr. Auch wenn es jetzt gerade schwer fällt zu investieren, müssen wir in den nächsten Monaten diesbezüglich etwas machen, und sei es improvisieren.
Ausgliederung "sicher nicht die einzige Möglichkeit"
NZ: Die Nürnberger Versicherung als Hauptsponsor zu gewinnen, war ein großer Schritt. Hatte dieser Deal auch Signalwirkung für andere lokale oder regionale Firmen?
Meeske: Man merkt, dass es eine vertrauensbildende Maßnahme ist, wenn sich ein Dr. Zitzmann (Vorstandsvorsitzender der Nürnberger Versicherung, Anm. d. Red.) hinstellt und sagt, er glaubt an den Verein und das Management. Der Club hat es gerade in den letzten Jahren vielen nicht immer leicht gemacht, sich mit ihm zu arrangieren. Deswegen braucht es vielleicht noch mehr Zeit, als ich es mir anfangs erhofft hatte. Da benötigen wir einfach einen langen Atem.
NZ: Hilfreich sein könnte dabei auch die angestrebte Ausgliederung der Profiabteilung – Ihrer Meinung nach die Ultima Ratio?
Meeske: Es ist sicher nicht die einzige Möglichkeit, wie es wieder aufwärts gehen könnte. Dann müssten wir das ganz anders kommunizieren und viel stärker zuspitzen. Unsere Planungen für die nächsten fünf Jahre gehen jetzt erst einmal vom Erhalt des e.V. aus. Wir sagen aber auch, es wird dann von Jahr zu Jahr immer schwerer, nochmal den Sprung zu schaffen, weil die Teams oben viel schneller wachsen als die unten. Und wir sind momentan eben eher in der Mitte bis unten zu verorten und ein Stück weit abgehängt. Wenn wir uns nicht die Handlungsmöglichkeiten einräumen, die andere haben und verstärkt nutzen, werden wir tendenziell weiter an Boden verlieren. Nach wie vor bin ich überzeugt, dass man auch in einer anderen Rechtsform ein umfangreiches Maß an Vereinsidentität und Bewahrung der FCN-Werte realisieren kann. Diese Sorge vieler kann ich deshalb nicht teilen.
NZ: Wie macht sich die extra gegründete Arbeitsgruppe?
Meeske: Es ist ein guter, konstruktiver Austausch. Zu Beginn haben wir grundsätzliche Positionen ausgetauscht, zum Beispiel, wie ein idealer Verein ausschauen sollte. In der zweiten Runde ging es um strategische Ziele, ab der dritten Runde wird es vermehrt um Details gehen, etwa die wirtschaftlichen Effekte einer Ausgliederung oder das Heben stiller Reserven. Ich schätze, nach den nächsten drei bis vier Sitzungen werden wir ein relativ gutes Bild haben.
Kein Platz mehr im Verein für Consors
NZ: Die "Gegenseite" ist ebenfalls sehr bemüht, an der Basis Überzeugungsarbeit zu leisten. Wie schätzen Sie die kollektive Stimmungslage derzeit ein?
Meeske: Wir erleben natürlich eher diejenigen, die sich artikulieren und das Thema kritisch sehen. Momentan ist es sicher noch nicht für alle Mitglieder greifbar. Aber das wird sich ändern, wenn der Versammlungstermin benannt ist und die Arbeitsgruppe konkrete Handlungsempfehlungen vorstellt.
NZ: Ein anderes pikantes Dauerthema in der Fan-Szene könnte dafür demnächst vom Tisch sein – die Stadt hat mit der Consorsbank einen neuen Namenssponsor gefunden, der das von vielen Club-Anhängern so sehnlich gewünschte Max-Morlock-Stadion realisieren will. Könnte davon auch der Verein, der ja nur Mieter ist, profitieren?
Meeske: Wirtschaftlich werden wir davon kaum unmittelbar profitieren können, auch weil wir mit der PSD-Bank schon einen langjährigen, exklusiven Bankpartner haben und Consors nicht wie zuvor Grundig noch ein Sponsoring beim Verein eingehen kann. Aus Fansicht ist es sicher ein spannendes, emotionales Thema. Um es abschließend beurteilen zu können, fehlen mir aber noch die nötigen Details, wie das ganze Konzept geplant ist.
NZ: Wenn Sie zum neuen Jahr einen Wunsch frei hätten, was würden Sie nehmen? Einen neuen Burgstaller, eine neue Rasenheizung, einen Auftaktsieg gegen Dresden oder einen Frühbucherrabatt für das Winter-Trainingslager 2018?
Meeske: Da nehme ich den Auftaktsieg gegen Dresden – ich glaube, der würde uns, auch was Gesamtstimmungslage, Dynamik und Selbstvertrauen der Mannschaft betrifft, am meisten weiterhelfen. Das wäre mehr wert als nur drei Punkte.
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