Gesundheit mit allen Sinnen erleben

9.7.2012, 07:13 Uhr
Gesundheit mit allen Sinnen erleben

© Uwe Niklas

Sehen

Versuchen Sie mal, mit geschlossenen Augen in ein Glas Wasser einzuschenken, ohne, dass es überläuft. Ganz einfach, sagen Sie? Daumen rein, und wenn er nass wird, aufhören einzuschenken! Und jetzt versuchen Sie das mal mit heißem Tee... Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) stand beim Gesundheitsmarkt mit Rat zur Seite und zeigte allerlei praktische Hilfen für Sehbehinderte und Blinde. Unter anderem hatte er ein kleines Gerät dabei, das man in ein Gefäß hängt. Erreicht die Flüssigkeit die Metallstifte, ertönt ein Signal. Doch natürlich geht es dem Verband auch um Barrierefreiheit. So wünscht sich Hartmut Karg, dass in alle Ampeln ein akustisches Signal eingebaut wird. Zudem würde der Verband es begrüßen, früher in Bauplanungen einbezogen zu werden. Denn oft sind neue Gebäude schon fast fertig, wenn die Planer sie von Blinden und Sehbehinderten auf Barrierefreiheit testen lassen. Und es gibt ein neues Problem, vor dem diese Menschen stehen: Elektroautos. Sie sind so leise, vor allem bei Geschwindigkeiten bis 30 km/h, dass ein Fußgänger sie nicht hört. „In den USA wurden die Autobauer bereits gesetzlich verpflichtet, ein künstliches Motorengeräusch einzubauen, um Unfälle zu verhindern“, sagt Karg. „Wir möchten, dass das auch in Deutschland verpflichtend wird.“ BMW testete in München bereits mit Blindenverbänden künstliche Geräusche für seine Elektroautos.

Hören

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Rund 14 Millionen Menschen mit Hörschäden gibt es in Deutschland, aber nur 2,5 Millionen von ihnen tragen ein Hörgerät. Viele Schwerhörige schämen sich ihres Handicaps und bemühen sich oft zu spät um ein Hörgerät. Der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) kämpft dagegen. Michaela Härtel ist an diesem Tag auch vor Ort, um Menschen aufzuklären. Die Mittvierzigerin hört von Geburt an schlecht, trägt aber erst seit 17 Jahren eine Hörhilfe. „Ich habe mich die ganzen Jahre zuvor irgendwie durchgemogelt.“ In der Schule setzte sie sich ganz vorne hin, bekam aber dennoch zu wenig mit – und arbeitete zu Hause den Unterrichtsstoff noch einmal komplett durch. Wer schlecht hört, muss sich im Alltag enorm konzentrieren – und das kostet Kraft. „Viele wollen sich ihre Hörschwäche nicht eingestehen“, sagt Härtel. Im Schnitt dauert es sieben Jahre von der Diagnose Schwerhörigkeit bis zum Besuch eines Hörgeräteakustikers, bestätigt auch Friedrich Rauhut, der den Nürnberger DSB-Ortsverein für Schwerhörige und Ertaubte leitet. „Umso früher sich ein Schwerhöriger ein Hörgerät anschafft, umso leichter ist es für ihn, sich daran zu gewöhnen.“ Schon bei einem 20-prozentigem Hörverlust sollte der Betroffene etwas unternehmen. Denn auch die Leistung des Hörzentrums im Gehirn wird heruntergefahren, wenn dieses – durch die Schwerhörigkeit – nicht genug genutzt wird. „Mit einem Hörgerät wird die Lebensqualität enorm verbessert“, so Rauhut.


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Der Verband kämpft aber noch an weiteren Fronten, um Geld und Barrierefreiheit: Er ficht mit Krankenkassen um die Zuzahlungen für hochwertigere Geräte oder setzt sich für mehr induktive Anlagen in öffentlichen Gebäuden ein. Eine Induktionsschleife kann in Gebäuden verlegt werden. Sie erzeugt ein schwaches und ungefährliches Magnetfeld, das von Hörgeräten, die mit einer Induktionsspule (T-Spule) ausgerüstet sind, aufgefangen wird. Die empfangenen Signale werden dann auf ohrengerechte Lautstärke gebracht. Damit können Hörgeräteträger auch in großen Räumen und bei großer Distanz zum Redner dessen Sprache frei von Nachhall und Störgeräuschen wahrnehmen. Diese Induktionsschleifen gibt es in Nürnberg in den meisten evangelischen Kirchen, aber auch das Bildungszentrum verfügt über einen Saal mit Induktions-Höranlage. Die induktiv ausgestatteten Lautsprecheranlagen der VAG bedürften jedoch einer Überholung, so Rauhut.

Wer sich beim DSB beraten lassen möchte, kann den Nürnberger Ortsverband per E-Mail schwerhoerige-nuernberg@t-online.de oder unter 284344 kontaktieren. Jeden zweiten und vierten Mittwoch im Monat gibt es von 16 bis 18 Uhr im Nachbarschaftshaus in der Adam-Klein-Straße 6 einen offenen Treff.

Riechen

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Mit Duftstoffen gegen die Angst – das ist eines der Konzepte von Elke Inspruckner. Die diplomierte Aromatherapeutin aus Stein beduftet Räume, zum Beispiel einige Wartezimmer Nürnberger Zahnarztpraxen und Räume der urologischen Abteilung des Krankenhauses Martha-Maria. „Es gibt zum Beispiel einen Angstfrei-Duft“, erklärt sie beim Gesundheitsmarkt. Darin ist unter anderem Rose. Rosen-Essenzen helfen auch, Hemmschwellen abzubauen, zum Beispiel in Kreißsälen. In den Grippemonaten griffen ihre Kunden auch gerne zu antiviralen Duftölen aus Citrusfrüchten, Nadelhölzern oder Blumen. Der Effekt sei wissenschaftlich bewiesen, sagt sie. Ihre Öle stammen alle aus zertifiziertem Bio-Anbau. Verströmt wird das Öl über elektrische Duftlampen oder Brunnen. „Wer möchte, kann die Öle aber auch auf ein Tuch träufeln und sich unter die Nase halten“ – ganz nach dem Vorbild von Omas Riechfläschchen. Eine Konzepterstellung kostet unter 100 Euro, hinzu kommen die Kosten für die Geräte und die Öle, die aber jährlich nur mit 5 bis 10 Euro zu Buche schlagen, weil sie tropfenweise dosiert werden. (Infos: www.kraft-werk-stein.de oder 2528639)

Schmecken

Die Banane zieht ein Gesicht, auch die Apfelsine guckt nicht glücklich – Tine Felsberg hat einer Ladung Obst traurige Gesichter verpasst. Denn bei Menschen, die an einer Histamin-Intoleranz leiden, weil deren Körper Histamin aus der Nahrung nicht richtig abbauen kann, können diese Früchte zu Kopfschmerzen, Erschöpfung, Ekzemen, Gelenkschmerzen und vielen weiteren Symptomen führen. Doch es gibt auch andere Lebensmittelunverträglichkeiten: Gluten-, Laktose- oder Fruktoseintoleranz. Weil jedoch Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten auch mal unkompliziert in einem Restaurant essen wollen – die Gastronomie aber selten auf solche Sonderfälle eingestellt ist –, hat Tine Felsberg „Viva la Eat! Verrückt, aber essbar“ ins Leben gerufen. Seit August 2011 organisiert sie einmal im Monat einen Stammtisch. Die Nachfrage sei enorm, im Schnitt kommen rund 20 Personen, um ein spezielles Menü in unterschiedlichen Restaurants zu genießen. Was auf den Tisch kommt, wird vorab mit den Köchen besprochen. „Es gibt aber auch schon Restaurants, die standardmäßig geeignete Gerichte auf ihrer Karte haben.“ Dazu gehören rund 23 Gastronomiebetriebe, die im Gastro-Führer von „Viva la Eat!“ zusammengefasst sind. Des Weiteren gibt es in der Initiative Mutter-Kind-Beratungen, Kochkurse, Einkaufsratgeber und Rezeptangebote.

Auch den Restaurants bescherten die Spezialgerichte neue Gäste, so Felsberg. Für Restaurantbesitzer, die Gerichte für Nahrungsmittelallergiker in ihre Karte aufnehmen wollen, bietet sie Coachings an. (Kontakt: 94435446 oder per Mail: tine@vivalaeat.de, Infos unter www.vivalaeat.de oder bei Facebook in der Gruppe viva la eat)

Tasten

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Vier Knöpfe gilt es auf der Fernbedienung zu ertasten – mit Hilfe des Gerätes, das nur halb so groß wie ein Handteller ist, ist es Menschen im Rollstuhl möglich, auch ohne fremde Hilfe ihr Auto zu nutzen. Über die Fernbedienung wird ein Lift in Gang gesetzt, der den Faltrollstuhl hinter den Fahrersitz hebt. Der Rollstuhlfahrer, der zuvor auf dem Fahrersitz Platz genommen hat, kann diesen Vorgang alleine vom Sitz aus steuern. Auch die Hintertür schließt sich automatisch.

Das Auto, mit dem diese Technik auf dem Gesundheitsmarkt vorgeführt wurde, gehört Thorsten Limbach. Er ist nach einem Unfall vor zehn Jahren querschnittgelähmt, wollte aber auf Mobilität nicht verzichten. Inzwischen bietet die Firma Allrad Limbach alle möglichen Fahrzeugumbauten für Senioren oder Menschen mit Handicap – von der Pedalverlängerung über Spezialsitze bis zur Vermittlung geeigneter Autowerkstätten. (Kontakt: mail@allrad-limbach.de oder 09227/ 344)

Ertastet werden konnte auf dem Markt jedoch auch eine Nadel. Diese jagten Mitarbeiter des Apothekerverbandes in die Finger der Besucher, um den Blutzucker zu messen. Denn dauerhaft erhöhter Blutzucker kann zu Diabetes und dieser wiederum zu Gefäßerkrankungen oder Bein- und Augenschäden führen.

Je nach Konstitution sollte man einmal jährlich seinen Spiegel prüfen lassen, wer Symptome wie auffälligen Durst oder anderes Unwohlsein feststellt, sollte ebenfalls seinen Arzt aufsuchen.
 

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