Kommerz um "La Mannschaft": Warum WM-Aus nicht so sehr schmerzt
27.6.2018, 21:12 UhrDer Schuss ist verhallt, folgenlos, Toni Kroos’ fulminanter Volltreffer zum 2:1 gegen Schweden bleibt Episode. Das Tor, das die deutsche Nationalmannschaft zu neuem Leben erwecken sollte, hat die fußballerische Beerdigung bei dieser Weltmeisterschaft nur aufgeschoben, die neunzig Minuten gegen Südkorea gerieten zu einem einzigen Trauerzug. Man sah: die schlechteste Nationalmannschaft seit der EM 2004, mit dem Unterschied, dass sich damals ein paar Desperados aus schon vergangenen Straßenfußball-Zeiten zum letzten Hurra versammelt hatten, diesmal traf es die Generation der Moderne, im Grunde erstklassige Fußballer, ausgebildet in den besten Akademien des Landes.
Nachhallen wird aber der Satz, den Toni Kroos nach seinem Tor gegen die Schweden sagte: Dass es "vielen" (wen auch immer er meinte) ganz recht gewesen wäre, hätte sich das Team sang- und klanglos verabschiedet. Das stimmt zwar nicht ganz, die Schadenfrohen und Hämischen repräsentieren eher die sogenannte Netzgemeinde als die Mehrheit des Publikums.
Die Bindung bröckelt
Aber ganz falsch ist es eben auch nicht. Die emotionale Bindung zu dieser Mannschaft, gewachsen während des WM-Sommermärchens in Deutschland 2006, ist bei weitem nicht mehr so eng, wie sie jahrelang war. Die Trauer hält sich jetzt in Grenzen, natürlich auch, weil die Mannschaft so blutleer auftrat – aber die Ursachen dafür liegen viel tiefer, und damit ist man genau wieder an diesem Punkt angelangt: bei der Modernisierung des Fußballs.
Die Fußball-Helden kommen, vereinfacht gesagt, nicht mehr aus dem Volk, das Volk sieht sie gar nicht mehr. Trainingseinheiten ähneln politischen G 20-Gipfeln, sie finden abgeschottet in Hochsicherheitstrakten statt, wer Spiele der Nationalmannschaft sehen will, muss sich bei einem über einen Großkonzern geführten Fan-Klub anmelden. Das beschert dem Verband hohe Einnahmen, die deutsche Auswahl ist komplett vermarktet – als "La Mannschaft" mit den dazugehörigen Slogans für spezielle, in dieser Sprache: Events, man sieht manchmal gar keinen Unterschied mehr zu Konzernen wie Red Bull, die nicht ohne Grund auf dieses Spielfeld drängen. Das wirkt unecht, inszeniert, und moderne Fußballprofis wachsen von Kindesbeinen an in dieser Welt auf.
Dafür können sie nichts, es geht nicht anders. Aber die wenigsten von ihnen wundern sich, wenn inzwischen abenteuerliche Millionensummen für Fußballspieler aufgewendet werden. Die Distanz dieses Volkssports zur Lebenswirklichkeit wächst in der Spitze ständig.
Ein fatales Signal
Dringt das echte Leben ein in diese Welt, reagiert sie verwundert – wie in der Affäre um den Besuch zweier deutscher Nationalspieler bei einem autokratischen Staatschef. Weder die Spieler noch ein Verband, der gesellschaftliche Relevanz für sich reklamiert, wollten überhaupt nur verstehen, warum die Menschen empört waren. Das wirkte abgehoben, sogar selbstherrlich, der Umgang mit dieser Affäre war ein fatales Signal, und auch jener Toni Kroos, der zu Hause Missgunst witterte, konnte so verstanden werden: wie einer, der völlig berechtigte Enttäuschung als Anmaßung des Publikums betrachtet.
Bindekraft hatte zuletzt vor allem noch: der Erfolg, die Moderne hatte den deutschen Fußball zurück in die Weltspitze geführt, nach ganz oben. So spielten sie auch bei dieser WM – etwas zu abgehoben, als würden sie sich wundern, dass da auf einmal freche kleine Mexikaner, Schweden und Koreaner die Weltmeister ärgerten. Was viele Menschen, die sich für dieses Spiel interessieren, irgendwie ahnten, überraschte die Fußballer komplett.
Wenn sie jetzt beginnen, diesen Absturz aufzuarbeiten, sollten sie nicht bei taktisch-systematischen Fragen stehenbleiben. Der moderne Fußball ist dabei, sehr viel mehr zu verlieren.