Kongress in Gunzenhausen: "Kein Heimspiel für die AfD"
13.11.2016, 15:36 UhrSo haben sich die Geburtstagsgäste ihre Feier im Nebenraum der Gunzenhäuser Stadthalle sicherlich nicht vorgestellt. Doch wer sich am Samstagnachmittag auch dem Eingang des Gebäudes näherte, wurde lautstark ausgepfiffen und ausgebuht. Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) hatte den Saal für eine Veranstaltung gebucht, das Landkreisbündnis gegen Rechts hatte zum Protest dagegen aufgerufen.
Mit Erfolg: Laut Polizeiangaben gut 500 Menschen, darunter Geistliche und Politiker aus dem gesamten Landkreis, machten auf dem Vorplatz ihrem Unmut gegen den Auftritt von Björn Höcke, Chef der Thüringer AfD, Luft. Eine Zahl, die Harald Dösel, Mitorganisator und Kreisvorsitzender der SPD sehr erfreut und zuversichtlich zur Kenntnis nahm: "Wir wollen der AfD deutlich zeigen, dass das hier auch in der ländlichen Gegend kein Heimspiel wird", betonte er. Die AfD bezeichnete der Kreispolitiker als einen Spaltpilz der Gesellschaft, der den "sozialen Zusammenhalt in unserem Land gefährdet". Dem müsse eine "bunte Mischung" entgegengesetzt werden.
Für ein starkes Europa
Dazu zählte auch Christa Naaß, Vizepräsidentin des Bezirkstags Mittelfranken, die mit ihrer Teilnahme all die unterstützen möchte, die für "Vernunft und Toleranz, für Anstand und Vielfalt stehen und sich gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus einsetzen". Die Fahne der Gunzenhäuser CSU hielt Ingrid Pappler hoch und zeigte sich überzeugt, dass "die Gunzenhäuser Stadträte heute vollständig hier erschienen wären, wenn sie nicht in Klausur gewesen wären". Neben dem Landkreisbündnis hatte auch der Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen zur Demo in der Altmühlstadt aufgefordert.
"Es war uns ein Anliegen, hier ein Zeichen zu setzen gegen rechte Hetze und die von der AfD im Wahlprogramm reduzierte Menschenwürde", so Kreissprecherin Heike Häring. Nach ihren Worten könne es nicht sein, dass „"wir ein Rollback in die 50er-Jahre bekommen und noch weit davor. Ich frage mich wirklich, welcher Bürger dieses ernsthaft will. Sind denn die Exzistenz-Ängste so groß, dass Verdrängung und Verkennung der Menschenwürde keine Rolle mehr zu spielen scheinen?"
Ein Zeichen setzen, Flagge zeigen - das war das Anliegen der Demonstranten. "Wir können später nicht sagen, wir haben von nichts gewusst", verwies eine Frau auf die noch gar nicht so alte deutsche Geschichte.
Weder von den vehementen Trillerpfeifen, den "Nazis-raus"-Rufen noch den eindeutigen Parolen auf den Transparenten zeigten sich derweil diejenigen groß beeindruckt, die in die Stadthalle zur Tagung des Mittelstandsforums der AfD wollten. Den Lärm bewusst ignorierend gingen die meisten von ihnen an den Absperrgittern, mit denen die Polizei den Platz der Demonstranten begrenzten, vorbei. Ebenso bewusst versuchten einige jedoch, die Stimmung weiter aufzuheizen und präsentierten überlebensgroße Björn-Höcke-Plakate und Ausdrucke mit der Aufschrift: "Björn Höcke - mein Kanzler".
Im Inneren spricht Björn Höcke von der AfD
Eben jener erklärte im Inneren der Stadthalle, wie aus seiner Partei, die deutschlandweit auf derzeit 13 Prozent kommt, eine Volkspartei werden kann. Etwa 300 Zuhörer hatten sich dazu eingefunden. Im Publikum sitzen auffällig viele Grauhaarige und auffällig viele Männer. Frauen und jüngere potentielle Wähler sind unterrepräsentiert. Wer da genau gekommen ist, um sich den Thüringer Franktionsvorsitzenden Björn Höcke, die Baden-Württemberger Landtagsabgeordnete Dr. Christina Baum und den Bundesvorsitzenden des AfD-Mittelstandsforums, Hansjörg Müller, anzuhören?
Unentschlossene Wähler
Schwer zu sagen. Ein belauschtes Gespräch an der Garderobe lässt vermuten: Es sind sowohl Sympathisanten als auch unentschlossene Wähler dabei: "Ich hör’ mir das mal an. Wenn der Seehofer nicht in die Gänge kommt, dann schreib’ ich ihm mal." Dass er nächstes Mal die AfD wählt, kann er sich zumindest vorstellen, verrät der Mitvierziger seinem Begleiter, als er seine Jacke abgibt. Die klassische Wechselwähler-Klientel also, die die AfD laut Parteienforscher erreichen will – und immer öfter auch erreicht.
Frenetischen Applaus gab es, als Dr. Wolfgang Dörner, der stellvertretende Kreisvorsitzende aus Nürnberg, folgenden Satz sagt:"Der Staat lädt Wirtschaftsflüchtlinge in unser Land ein – das geht nicht!" Deutlich angriffslustiger im Ton kommt der in Treuchtlingen geborene Hansjörg Müller daher. Der gelernte Volkswirt und neue Vorsitzende des AfD-Mittelstandsforums bezeichnet es als "Ehre", dass er als Vorredner von Höcke auftreten darf. In seiner Rede erntet er Applaus, wenn er Sätze wie diesen sagt: "Können Sie noch ruhig schlafen, obwohl Ihre Rente nicht mehr reicht?" Oder wenn er behauptet, dass in der Silvesternacht in Köln die Innere Sicherheit beerdigt wurde und seitdem "unsere Frauen und Kinder" nicht mehr sicher sind.
Die Nato ist völlig "durchgeknallt"
Die Nato bezeichnet Müller als "durchgeknallt", die AfD hingegen als "die einzige Friedensbewegung, die es in Deutschland noch gibt". Für die anwesenden Medienvertreter, darunter das ZDF, hat er folgende Beleidigung parat: "Mit dem Begriff Lügenpresse seid ihr noch gut bedient." Für den neugewählten amerikanischen Präsidenten hat Müller wesentlich mehr Sympathien übrig: "Es wird wieder Licht – God bless America!" Die Wahl bezeichnet er als "historische Zeitenwende", Merkel als "FDJ-Sekretärin der Union" und den Großteil der Flüchtlinge, unter denen auch „einige Anständige dabei“ seien, als "Kulturimperialisten".
Trump scheint für die AfD derzeit ganz generell das große Vorbild zu sein. Auch Höcke stilisiert ihn in seiner von ihm selbst angekündigten "eher staatsmännischen Rede" als Hoffnungsträger. Der oft als "Rechtsaußen" der AfD titulierte Thüringer Fraktionsvorsitzende gibt sich in Gunzenhausen weite Strecken eher zurückhaltend. Auf Fragen, ob er ein Rechtspopulist sei, lasse er sich schon lange nicht mehr ein. Für Höcke sei es ohnehin nicht ehrenrührig, wenn er als Populist die Stimme des Volkes, also vox populi, vertrete.
"Die Zukunft gehört uns"
Aus dem alten "Rechts-Links-Schemata" müsse die AfD heraus kommen, ihm sei es wichtig, "dass wir eine bürgerlich-patriotische Volkspartei sind". Höcke bekennt sich "vollumfänglich zum Grundgesetz" und zur Meinungsfreiheit – sagt er. Der "Krankheit namens politischer Korrektheit" müsse man dagegen den Kampf ansagen.
"30 Prozent plus X" hält Höcke für möglich und verspricht seinen frenetisch applaudierenden Fans am Ende: "Die Zukunft gehört uns!"
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