Kritik an Denkmalschutz für Nazi-Bauruinen

17.8.2011, 07:57 Uhr
Kritik an Denkmalschutz für Nazi-Bauruinen

© Karlheinz Daut

So ein Blödsinn“, entfährt es SPD-Stadtrat Lorenz Gradl. Nur weil die alte Bahnbrücke an der Klenzestraße und der Bahnhof Zollhaus irgendwann einmal zum Reichsparteitagsgelände gehört hätten, sollen sie jetzt unter Denkmalschutz gestellt werden (der Stadtanzeiger berichtete).

Eine eigens gegründete Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitarbeitern mehrerer Dienststellen der Stadtverwaltung sowie Historikern, hatte sich einstimmig dafür ausgesprochen. Die Denkmalwürdigkeit für den Bahnhof, so hieß es unter anderem in der Stellungnahme, liege in der historischen Bedeutung und der gestalterischen Qualität. Die Brücke werde in ihrer logistischen Funktion berücksichtigt im Zusammenhang mit der Nutzung des Reichsparteitagsgeländes.
Der Stadtrat hatte in diesem Verfahren, so Gradl, nichts zu melden: „Wir wurden nur darüber informiert, dass die Stadt dem Ansinnen der Denkmalschutzbehörden nicht widersprechen wird.“

Massiven Widerspruch gab es dagegen vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör). Die 1937 von der Bahn errichtete Brücke, die seit 1994 der Stadt Nürnberg gehört, sei eigentlich abbruchreif, heißt es in einer Stellungnahme. Wegen des maroden Zustands dürfen seit Jahren keine Fahrzeuge mehr passieren, die schwerer als 2,8 Tonnen sind. Die darunter verlaufenden Bahngleise wurden mit Netzen unter der Brücke provisorisch vor herabfallenden Steinbrocken gesichert.

Selbst eine mit 800 000 Euro veranschlagte Teilsanierung würde die Restlaufbrücke der Brückenkonstruktion nicht mehr verlängern. Fazit Sör: „Das Bauwerk muss mittelfristig aus Sicherheitsgründen abgerissen werden.“ Alles andere als ein Neubau der Brücke sei nicht vertretbar. Auch der Bahnhof Zollhaus, der noch der Bahn gehört, sei in einem maroden Zustand.

Die Entscheidung der Stadtverwaltung wird mit einem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2004 begründet, der Leitlinien zum Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitag festlegt. Beide Bauwerke, Bahnhof und Brücke, gehörten eindeutig zu den Nazi-Hinterlassenschaften, die der Nachwelt erhalten werden sollen. Sie spielten eine zentrale Rolle für die Massenmobilisierung im Dritten Reich.

Stadt darf bezahlen

Fest steht laut Stadtrat Lorenz Gradl, dass die Kosten für den Unterhalt der Brücke nun bei der Stadt hängenbleiben. Auch der wohl kaum vermeidbare Abriss dürfte mit erheblichen Hürden verbunden sein. Gradl: „Am Schluss müssen wir die Brücke so wieder aufbauen, wie sie einmal ausgesehen hat.“

Wie die Bahn mit ihrem Bahnhofsgebäude umgehen wird, ist offen. Was droht, hat die Stadt bei der Übernahme der Brücke schon erlebt. Lange bevor der Besitzerwechsel feststand, hat die Bahn keinen Cent mehr in das Bauwerk gesteckt. Zuletzt hatte der CSU-Ortsverband Zollhaus-Neuselsbrunn eine ganz eigene Lösung des Problems präsentiert, die allerdings keine Chancen auf Verwirklichung hat. Die ungenutzte „Klutentreter-Brücke“ über die Breslauer Straße sollte abgebaut und ihre Konstruktion in der Klenzestraße zur Überquerung der Bahngleise wieder aufgebaut werden. Alte Fundamente dort könnte der Denkmalschutz zur Besichtigung erhalten.
 

Keine Kommentare