Berto, der Kubaner vom Nürnberger Christkindlesmarkt

21.12.2016, 06:01 Uhr
Berto, der Kubaner vom Nürnberger Christkindlesmarkt

© Radlmaier

Dick eingemummt, gefütterte Stiefel an den Füßen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, so steht Berto Hernandez Tag für Tag in seiner Bude auf dem Markt der Partnerstädte hinter dem Rathaus. An den kalten deutschen Winter wird sich der 73-Jährige wohl nie gewöhnen.

Seit vielen Jahren verbringt er eine Hälfte des Jahres in Nürnberg und die andere in Havanna. Hernandez hat schon viele Berufe ausgeübt, und wenn man all seine Talente berücksichtigt, ist (Über-) Lebenskünstler wohl die einzig passende Berufsbezeichnung. Der freundliche Mann mit dem festen Händedruck hat neben Krimskrams, Kitsch und Kunst vor allem kubanische Lebensfreude im Angebot. Es gibt Kerzen und Schmuck, Che-Guevara-Münzen und Handtaschen. Nicht zu vergessen handgeschnitzte Holzfiguren in allen Formen und Größen.

Skulpturen aus Tropenholz

Als Sohn einer armen Bauernfamilie wurde Hernandez 1943 in der ländlichen Region von Pinar del Rio geboren. Schon als Kind begann er mit Schnitzereien. "Mein Onkel hat mir beigebracht, die Struktur der verschiedenen Hölzer zu erkennen", sagt Hernandez. Zu Holz hat er ein fast erotisches Verhältnis, liebevoll streicht er über die glatten Oberflächen seiner Skulpturen.

Am liebsten schnitzt er sinnliche schwarze Frauen und mythologische Figuren. Er arbeitet ausschließlich mit Tropenhölzern aus Kuba. Sie haben so klangvolle Namen wie Acana, Ebano oder Granadillo. Die wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen in Kuba hinterließen auch im Lebenslauf von Hernandez ihre Spuren: Nach zehn Jahren im Militärdienst arbeitete er in den siebziger Jahren für die kubanische Botschaft in Moskau und hatte in dieser Zeit Kontakt zu vielen politischen Größen.

In Moskau lernte er nicht nur fließend Russisch zu sprechen, dort studierte er auch Elektromechanik. Zurück in Kuba arbeitete er eine Zeit lang als Ingenieur im Urlaubsort Varadero, danach war er als Ingenieur für die elektrische Versorgung im legendären Hotel "Havanna Libre" zuständig.

 

1982 folgte ein erneuter Berufswechsel: Hernandez kümmerte sich in einem Krankenhaus in Havanna um die Medizintechnik. Im staatlichen Auftrag reiste er nach Japan und Europa und wickelte Millionenaufträge für Diagnostik-Geräte und Computertomographen ab. Sogar zwei patentierte Erfindungen laufen auf seinen Namen: Ein Gezeiten-Kraftwerk und ein Nierenstein-Zertrümmerer. Wer’s nicht glaubt, dem zeigt Hernandez gerne die Urkunden. "Im Westen wäre ich ein gemachter Mann", sagt er mit leichtem Bedauern.

Stattdessen bekam er für seine Verdienste einen Händedruck von Fidel Castro sowie ein Auto, Marke Moskwitsch. Verkaufen durfte er es allerdings viele Jahre nicht. Erst 2012 tauschte er das Gefährt in einen echten Oldtimer um - einen fahrtüchtigen Ford Model T, Baujahr 1929. Mit dem kutschiert Hernandez jetzt Touristen herum, wenn er in Havanna ist.

"Fidels Träume waren lange auch meine Träume"

Mit der Zeit fielen dem weitgereisten Kubaner die Widersprüche im sozialistischen Paradies auf, er hatte ja auch internationale Vergleiche. "Ich war wie viele Leute aus meiner Generation ein überzeugter Fidelist", sagt er. "Seine Träume von einer gerechten Gesellschaft waren auch unsere Träume." Aber irgendwann war der Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht mehr zu übersehen. "Fidel ist zweifellos eine historische Figur und er hat große Verdienste, zum Beispiel weil er die Gleichberechtigung, die medizinische Versorgung und das Bildungssystem vorangebracht hat."

Doch der Tod des Revolutionsführers hat ihn kaum berührt: "Für mich war Fidel Castro schon lange gestorben." Er hat nie verstanden, warum Fidel die Insel so verarmen, die Städte so herunterkommen ließ. Das hat er dem "Maximo Líder" bei einem offiziellen Dinner 1990 auch selbst einmal gesagt - und fiel daraufhin in Ungnade.

Große Hoffnungen setzt Berto Hernandez nun auf die pragmatische Politik von Raoul Castro: "In Kuba hat sich schon vieles zum Positiven verändert. Jetzt sollen die Jüngeren an die Macht und die Zukunft gestalten." Nach Deutschland kam er wegen der kubanischen Wirtschaftskrise in den 1990er Jahren, weil er seine Familie kaum noch ernähren konnte. "Ich habe hier wieder bei Null angefangen und die ersten Jahre als Fensterputzer, Reinigungskraft und Straßenhändler gearbeitet."

Längst ist Franken zur zweiten Heimat für den Kubaner geworden. "Die Leute sind freundlich zu mir. Ich bedaure nur, dass ich nicht besser Deutsch sprechen kann." Auf Deutschland lässt er auch vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatte nichts kommen. "Man kann von Fremden Respekt vor dem Gastland verlangen", meint Hernandez. "Auch Asylbewerber müssen sich anpassen, wenn der Integrationsprozess funktionieren soll."

Berto, der Allround-Künstler

Macht es ihm nichts aus, noch im Rentenalter täglich zu arbeiten? Unser Mann aus Havanna muss nicht lange überlegen. "Ich bin nicht reich geworden, aber ich bin gesund und zufrieden mit meinem Leben." Stolz ist er darauf, dass er in seiner Bude auf dem Christkindlesmarkt ausschließlich kubanische Produkte verkauft. "Ich lasse die Sachen von einheimischen Handwerkern und Heimarbeitern herstellen." 30 arme Familien in Kuba profitieren davon und kommen so an dringend benötigtes Geld. Nach Weihnachten fliegt der Pendler zwischen den Welten wieder zurück in seine Heimat.

Dort arbeitet er dann als Reiseführer: Der Allround-Künstler organisiert private Touren nach Kuba. In den letzten Jahren hat er schon vielen deutschen Touristen seine Heimat gezeigt. So lernt man Kuba aus erster Hand kennen und bekommt Kontakt mit der Bevölkerung. Hernandez fährt die Urlauber in seinem alten Ami-Schlitten über die Insel, klettert auf Palmen, um frische Kokosnüsse zu pflücken und zu servieren, und gibt Salsa-Tanzkurse. Gegessen und übernachtet wird nur in Privathaushalten. Danach sieht man den sozialistischen Alltag mit anderen Augen. "Garantiert!", sagt Hernandez und lacht.

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