China-Forscher aus Franken

1.11.2012, 00:00 Uhr
China-Forscher aus Franken

© Katalog

Der Name Karl Friedrich Neumann dürfte nur einem kleinen Kreis Eingeweihter ein Begriff sein. Dabei zählte er im 19. Jahrhundert zu den einflussreichsten Gelehrten in Deutschland und zu den Begründern der Sinologie als wissenschaftliche Disziplin.

Seine außerordentliche Karriere war dem Sohn eines jüdischen Hausierers nicht in die Wiege gelegt. Geboren wurde er unter dem Namen Isaak Lazarus Löw unter ärmlichen Verhältnissen in Reichmannsdorf bei Bamberg. Seine Mutter stammte aus Fürth und starb in jungen Jahren. Der Vater heiratete ein zweites Mal und hatte mit seiner zweiten Frau vier Kinder; Isaak Lazarus wurde mit 13 Jahren für volljährig erklärt und musste das Haus verlassen. An eine Schulausbildung war nicht zu denken, der intelligente Junge schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch und ging schließlich zu einem Onkel nach Frankfurt, wo er eine Kaufmannslehre absolvierte. Autodidaktisch brachte er sich Latein und Griechisch, Englisch und Französisch bei.

Frühzeitig war der junge Mann von den Ideen der Aufklärung und der französischen Revolution fasziniert, ein Freigeist, der mit religiösen Vorschriften wenig anfangen konnte. Auf Vermittlung einflussreicher Freunde, die von seinem Talent überzeugt waren, konnte er 1817 in Heidelberg ein Studium der Philologie und Philosophie beginnen. Ein Jahr später wurde er Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche und nahm nach der Taufe den Namen Karl Friedrich Neumann an. In München bestand er die Prüfung für das Lehramt an Gymnasien, in Aschaffenburg und später Speyer fand er für einige Zeit Anstellung.

Doch eigentlich strebte Neumann, eine akademische Karriere an, was leichter gesagt als getan war: Seine Bewerbungen in Würzburg, Gießen und – wie erst jetzt bekannt wurde – in Erlangen scheiterten. Neumann, der seinen Lehrer-Job verloren hatte, verlegte sich auf wissenschaftliche Publikationen, lernte Armenisch auf San Lazzaro und Chinesisch in Paris und hatte bei all dem noch Zeit für zahlreiche Reisen.

Wertvolle Büchersammlung

In London kam der Pioniergeist, der von Asien magisch angezogen war, auf die Idee, nach China zu reisen und dort Bücher und anderes Material zu Studienzwecken zu erwerben. Nachdem die Finanzierung gesichert war, brach er am 28. März 1830 mit dem Segelschiff „Sir David Scott“ nach China auf, das sich damals weitgehend von der Welt abgeschottet hatte. Kontakte zu Ausländern waren verpönt, Fremdsprachen verboten ebenso der Verkauf von Büchern.

Eine gewisse Ausnahme bildete die Handelsmetropole Kanton, wo Neumann schließlich trotz aller Schwierigkeiten auch Erfolg hatte: Mit rund 6000 wertvollen Büchern und Handschriften kehrte er 1831 nach Europa zurück. 2400 Exemplare verkaufte er an die Berliner Bibliothek, 3500 übernahm der bayerische Staat. Dank dieses neuen Bestandes hatte München mit einem Schlag die bedeutendste Sammlung an Sinica in Deutschland und belegte nach Paris den zweiten Platz in Europa. Neumann wurde der erste Professor für Chinesisch und Armenisch an der Münchner Universität; später zog er als wissenschaftlicher Publizist nach Berlin, wo er 1870 starb. Von seinen zahlreichen Nachkommen lebt keiner mehr in Franken.

Die Sammlung Neumann ist bis heute in der Bayerischen Staatsbibliothek erhalten. 30 wertvolle Beispiele daraus sind in der Erlanger Ausstellung zu sehen, die vom Konfuzius-Institut Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Alexander-Universität und der Bayerischen Staatsbibliothek organisiert wurde. Darunter sind chinesische Klassiker, buddhistische Textsammlungen, medizinische Lehrbücher und die erste chinesische Grammatik aus dem Jahr 1682.

Die Ausstellung „Die Bücher des letzten Kaiserreichs“ ist bis zum 7. Dezember (Mo-Sa, 10-17 Uhr) in der Erlanger Universitätsbibliothek, Schuhstraße, zu sehen. Der empfehlenswerte Katalog, herausgegeben von Yan Xu-Lackner, kostet in der Ausstellung 9 Euro.

 

Keine Kommentare