Die Kunst verleiht dem Menschen Flügel
25.4.2016, 17:00 UhrDie in der Galerie Kunstkontor ausgestellten Malereien des ehemaligen Nürnberger Akademie-Professors Diet Sayler zeugen von dessen inniger Verbundenheit mit der europäischen Kunstgeschichte. Diese Liebe zur Tradition pflegt der Künstler bereits seit seiner Studienzeit in Timisoara, Rumänien, wo er vor 76 Jahren geboren wurde.
Seine frühzeitige Ablehnung der damaligen pseudo-realistischen rumänischen Staatskunst führte zur Hinwendung zu den kühlen, objektiven Grundsätzen der konstruktiven und konkreten Kunst. Dass jedoch auch diese ursprünglich revolutionäre Art des künstlerischen Ausdrucks längst dogmatisch erstarrt war, erkannte er nach seiner Übersiedelung nach Deutschland im Jahr 1973.
Längere Aufenthalte in Italien und die dortige Begegnung mit der Malerei und Architektur der Renaissance inspirierten Diet Sayler schließlich zur ganz individuellen Erweiterung und Fortführung seiner konstruktiven Ansätze. Im Gegensatz zu den Vertretern der „Post-Painterly-Abstraction“ in den USA, welche alle malerischen Feinheiten aus ihren geometrisch-abstrakten Bildern verbannen wollten, wurde Sayler nach und nach immer malerischer im traditionellen Sinn, immer sensibler und eleganter, handwerklich immer ausgereifter beim Einsatz von Form, Farbe, Maß und Volumen.
Im Kunstkontor zeigt er, dass kompositorische Klarheit, formale Reduktion und technische Exaktheit in der Kunst nicht nüchtern, kalt, langweilig sein müssen. Diet Saylers Rechtecke stehen nicht starr und stumm, sie tanzen. Saylers Farbflächen sind keine leblosen Anstriche, sie atmen und pulsieren. Saylers Formate wollen nicht überwältigen, sie sind am menschlichen Maß orientiert. Seine Malerei hat nichts Puritanisches, nichts Asketisches oder Fanatisches. Das zentrale Bild der aktuellen Ausstellung zeigt die breiten, klobig-schwarzen Buchstaben des Wortes „Fly“, die trotz ihrer Massigkeit zu entschweben scheinen. Das ist das Sayler’sche Glaubensbekenntnis: Die Kunst verleiht Flügel.
*Eine ganz und gar entgegengesetzte Haltung zeigen in der BBK-Galerie die Bilder der Malerin und studierten Medizinerin Manon Heupel (Jahrgang 1950). Für sie ist die Kunst „kein friedlicher Ort“. In einer stark an die „heftige” Malerei der 1980er Jahre erinnernden Bildsprache stellt sie ausschließlich beschädigtes Leben dar, Blut und Wunden, deformierte und vielfach amputierte Körper. Die Künstlerin will damit jedoch niemand nur schockieren. Vielmehr zielt die ehemalige Klosterschülerin zeichnerisch und malerisch auf die Erregung von Mitleid im Sinne der christlichen Tradition.
Manon Heupel präsentiert Beispiele der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins als „Ecce Homo“ (Siehe, der Mensch) und als Aufforderung zur „Pietà“, also Barmherzigkeit. Heupel macht es uns damit jedoch keineswegs leicht, sie malt keine jungen, schönen, edlen Heiligen- und Märtyrer-Darsteller oder andere spontan anrührende Vertreter der menschlichen Gattung.
Die Gestalten, für die sie tätige Nächstenliebe fordert, sind auf ihre elementarsten Instinkte reduziert, sind auf den ersten Blick nur Schwäche und Hinfälligkeit. Dennoch ist da mehr. Bei näherer Betrachtung entdeckt man eine Kopfhaltung, einen Blick, eine angedeutete Geste, die einer Figur plötzlich Würde verleiht. Heupels Thema ist die Menschwerdung, die tatsächlich noch lange nicht abgeschlossen ist.
Kunstkontor, Füll 12: Diet Sayler. Bis 11. Juni, Do./Fr. 15–18 Uhr, Sa. 14–18 Uhr
BBK-Galerie, Hirtengasse 3: Manon Heupel. Bis 29. Mai, Mi./Do. 13–18 Uhr, So. 15–18 Uhr.
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