Homunculus-Verlag: Vom Glück schöner Bücher

3.5.2016, 06:15 Uhr
Homunculus-Verlag: Vom Glück schöner Bücher

© Foto: Edgar Pfrogner

Wenn man die Jungverleger in einem ihrer "Büroräume" — dem Erlanger Café Brazil — trifft, hat man nicht den Eindruck, als versuchten da ein paar blauäugige Bücherfans ihre ersten Schritte im umkämpften Markt. Natürlich ist alles bisher auf Basis der Selbstausbeutung entstanden, die anderen Standorte des Verlags finden sich an den privaten Schreibtischen von Julia Jacobi, Philip Krömer, Joseph Reinthaler und Sebastian Frenzel. Und natürlich schuften sie neben Job, Familie und Studium für ihr Projekt, das keinen von ihnen ernähren kann — noch. Das Programm ist dennoch äußerst ambitioniert, getragen von der Liebe zu schönen Büchern und Optimismus.

Die Schwerpunkte sind breit gefächert: Von Anfang an war den vier Verlegern klar, dass sie etwas zur Geschichte der Krimi-Literatur machen wollen — nicht, um in der Flut der mittelklassigen Mords-Romane mitzuschwimmen, sondern aus Begeisterung für die Klassiker des Genres und dessen Entwicklung. In der Reihe mit dem folglich doppeldeutigen Titel "Kriminalgeschichten" finden sich Erzählungen von Schiller, François Gayot de Pitaval (einem Pariser Anwalt, der von 1673— 1743 lebte), E.T.A. Hoffmann, Edgar Allan Poe und — ganz neu — Arthur Conan Doyles "Studie in Scharlachrot", die erste Erzählung mit Sherlock Holmes und Doktor Watson, deren Übersetzung Julia Jacobi vollständig überarbeitet hat.

Dass die Illustrationen der ersten deutschen Ausgabe darin ebenso enthalten sind wie eine historische Karte von London gehört zum Programm. "Wir lieben schöne Bücher und wollen da keine Abstriche machen!", betont Josef Reinthaler. Die Buchtitel gestalten die vier selbst, lange haben sie diskutiert, ob die Großaufnahmen von Insekten auf der Krimi-Reihe funktionieren könnten oder doch eher abschrecken; Charles Dickens’ "Weihnachtsgeschichte" gaben sie dafür mit üppigen Gold-Dekor im Stil der Originalausgabe heraus.

Alles retro? Mitnichten. "Am liebsten würden wir jedem Hardcover-Buch das E-Book beilegen, für Leute, die unterwegs lesen wollen. Aber das geht rechtlich nicht. Jetzt bieten wir E-Books mit unserer selbst entwickelten Grafik-Software an, weil uns die verfügbaren Schrifttypen nicht befriedigt haben", erzählt Philip Krömer, der in der digitalen Literatur-Version einen Ersatz für Taschenbücher sieht, keinesfalls aber fürs gedruckte Buch an sich. Zu Charles Dickens erhält man dann nicht nur die Original-Illustrationen im Buch, sondern auch den exklusiven Download eines Stadtplans von London und das Weihnachtslied "God Rest You Merry, Gentlemen" in einer Aufnahme von 1917 als mp3. So könnte der Buchmarkt 2.0 vielleicht funktionieren: Mit hochwertigen Inhalten und Gestaltung für Liebhaber, aber mit digitalem Mehrwert.

Neuentdeckungen längst vergessener Texte sind eines der weiteren Gleise, auf demHomunculus fährt. So ist der expressionistische Autor Carl Einstein mit dem Drama "Die schlimme Botschaft" im Programm, ebenso zwei wenig bekannte Romane von Heinrich Spoerl, Autor der "Feuerzangenbowle".

Dass ihr Herz aber nicht nur für ausgegrabene Raritäten pocht, beweisen die Jungverleger mit ihrer Literaturzeitschrift "Seitenstechen", die zum Erlanger Poetenfest in zweiter Ausgabe erscheinen soll. "Der Markt für literarische Zeitschriften ist ziemlich tot", konstatiert Josef Reinthaler freimütig. "Aber für uns als Verlag ist sie wichtig, weil wir so neue Autoren kennenlernen", setzt Laura Jacobi drauf. Über "Seitenstechen" machen die Verleger manche Entdeckung, namhafte zeitgenössische Autoren werden auch hier flankiert von unbekannten älteren Texten.

Auch das Abenteuer Buchmesse hat die vier in ihrem Ziel eher bestärkt, nicht in irgendeiner Nische zu werkeln, sondern bewusst auf "vielfältig" und "schön" zu setzen. "Wir waren in Leipzig auf dem Forum der Unabhängigen Verlage, direkt bei der Leseinsel", erzählt Laura Jacobi. Kollegialer Austausch mit der Konkurrenz und gut besuchte Lesungen direkt vor dem Stand, das gab Rückenwind.

Literatur auf der Tischdecke

Nicht nur für die hehre Buchform mit Lesebändchen übrigens, in der zum Beispiel Philip Krömers erster, bemerkenswerter Roman "Ymir" erschienen ist: "Auch die 'Bayerische Biergartenordnung', die wir passend zur Saison und zum Jubiläum des Reinheitsgebots jetzt als Tischdecke rausbringen, kommt gut an", sagt Reinthaler. Während in der mittleren Textspalte die gültige Verordnung zu lesen ist, gibt es rechts daneben einen juristischen Kommentar, wie sie zu verbessern wäre, und links eine "poetische Vergegenwärtigung und Innenperspektive des Biergartens".

Unsere Empfehlung: Lesen vor der zweiten Maß, dann hat man mehr davon. Reinthaler hat auch das witzige literarische Monster-Quartett entworfen, das schon im Herbst als Non-Book-Produkt auf den Markt kam. "Wir wollen auch immer unseren Spieltrieb ausleben", sagt Reinthaler über die Entstehung solcher Ideen. Das Motto lautet: "Wir können‘s machen, also machen wir‘s."

Auch in den praktischen Bereichen der Verlagsarbeit sind die Erlanger schon weit gekommen: Die Zeit für Kleinverlage ist gut, die Herstellung kleiner Auflagen mit heutiger Technik kostengünstig. Eine Weile werden die Verleger wohl dennoch auf Selbstausbeutungsbasis arbeiten. Aber man merkt ihnen die Leidenschaft an — und ihren Büchern auch.

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