Künstler müssen raus: Frust bei Abschied von Auf AEG
12.6.2018, 20:21 UhrDiese Räume, da sind sich ihre Nutzer einig, sind "ein Traum" — großzügig, in einem super Umfeld und bezahlbar. Aber wie das mit Träumen so ist: Sie haben in den seltensten Fällen Bestand. "Natürlich hat man mir vor zweieinhalb Jahren, als ich in die Halle 14 Auf AEG eingezogen bin, gesagt, dass es nur auf Zeit ist", sagt die Malerin und Zeichnerin Ingrid Riedl. Noch Anfang Januar habe sie bei dem Projektentwickler MIB Coloured Fields GmbH nachgefragt, ob das Mietverhältnis weiterläuft. Sie schaffte eine große Druckpresse für ihr Atelier an. Dann kam die Kündigung. "Das war überraschend und hat mich völlig ausgehebelt", sagt die 56-Jährige.
Kommentar: Fatale Signale für die Kulturhauptstadt
Ihre Perspektiven sind düster. Denn die Mietpreise in Nürnberg sind in den vergangenen Jahren bekanntlich extrem gestiegen. "Klar, es gibt Räume, aber zu Preisen, die für uns freischaffende Künstler nicht zu bezahlen sind", sagt Anna Gertrud Wenning, die wie die anderen Mieter bislang 5 Euro pro Quadratmeter bezahlt hat. Auch sie muss ihr Atelier in der Halle 14 bald schweren Herzens räumen. Bis 31. September muss sie wie die anderen raus sein. "Ich konnte hier so wunderbar arbeiten", schwärmt die Malerin und lässt auch nichts auf Projektentwickler Bertram Schultze kommen. "Er hat uns Künstler protegiert." Aber nun hat Schultze eben einen finanzkräftigen Mieter für die Halle, die nach ihrer Räumung zunächst saniert werde.
Wenning hat ein zweites Standbein in Berlin und dort völlig andere Erfahrungen gemacht als in Nürnberg. "Dort haben mich Vertreter der Stadt angerufen und mir Objekte angeboten", erzählt die Künstlerin, die ihren Lebensmittelpunkt aus familiären Gründen aber in Franken behalten will. Nürnberg biete für Kreative keinerlei Plattform, um bezahlbaren Arbeitsraum zu finden. "Das ist in Düsseldorf, Hamburg, Bremen oder München ganz anders", so Wenning.
Nachbarschaft zu Kreativen
Neben dem "FabLab" mit seinen offenen Werkstätten, der Kerzenwerkstatt, mehreren Grafikern und Künstlern ist auch der Verein Mobiles Kino von der Kündigung betroffen. "Ich fand es wunderbar, hier zu arbeiten. Seit wir hierher gezogen sind, sind wir ganz anders in den öffentlichen Blick gerückt", sagt Ute Schreiner vom Mobilen Kino, die vor allem auch die kreative Nachbarschaft auf dem Areal schätzt. "Ich möchte nicht wieder einsam in einem Ladenlokal arbeiten, weg von anderen kulturellen Institutionen", sagt Schreiner, die nun auf der Suche nach rund 100 Quadratmeter großen Räumen für den Verein ist. Bezahlbaren Räumen, versteht sich.
Auf AEG wird es die nicht geben. Auch nicht in anderen Hallen. Die sind inzwischen alle vermietet. Noch bietet das unsanierte Atelierhaus nebenan zwar Arbeitsraum für rund 90 Künstler. Die Frage ist, aber wie lange noch. "Das geht noch ein bisschen", meint Schultze. Aber Max Ostermann, einer der ersten Mieter in dem Atelierhaus, ist sich sicher: "In ein bis zwei Jahren droht uns dasselbe wie den Kollegen aus Halle 14 jetzt." Und er hat ganz spontan einen unkonventionellen Lösungsvorschlag: "Ich habe gelesen, dass 60 Prozent der Flüchtlingsunterkünfte leer stehen. Warum sollten da nicht Künstler mit ihren Werkstätten einziehen?"
Künstler als Türöffner
Während auf der Straßenseite gegenüber das riesige Quelle-Gebäude leer steht, wird es Auf AEG eng. "Der Nachfragedruck auf das Areal ist groß", sagt Schultze. "Die Künstler haben hier den Weg geebnet, um eine öde Fläche in den Blick der Öffentlichkeit zu bringen. Jetzt müssen sie raus. Das hat schon einen faden Beigeschmack", meint Schreiner. "Und was passiert mit dem Areal, mit den Wissenschaftseinrichtungen, mit dem Tanzschuhladen wenn die Künstler weg sind? Wir haben die Leute hierher gebracht", fügt Wenning an.
Die überraschende Kündigung ist den Mietern auch deswegen so bitter aufgestoßen, weil sie kurz nach einer Großveranstaltung zu Nürnbergs Bewerbung als Kulturhauptstadt kam. "Wir haben bei dieser Veranstaltung gearbeitet, haben Konzepte mitentwickelt. Unsere Ideen nimmt man gerne, kündigt uns aber drei Wochen später", sagt Schreiner.
Ohne seine Künstler aber könne Nürnberg auch nicht Kulturhauptstadt werden. In der Stadt mit der ältesten Kunstakademie Deutschlands, so Wenning, mangele es an respektvollem Umgang mit den Künstlern. "Das Hauptaugenmerk liegt hier auf Events", kritisiert sie.
Ingrid Riedl wünscht sich und ihren freischaffenden Kolleginnen und Kollegen "ein Stück weit Beständigkeit". Jeder Umzug koste Zeit, Energie und beeinträchtige das Arbeiten. Die Hoffnung, bezahlbaren Arbeitsraum zu finden, hat sie noch nicht aufgegeben. Obwohl die Zeit drängt.
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