Vergebliche Suche nach Glück

12.2.2013, 00:00 Uhr
Vergebliche Suche nach Glück

© Thomas Bachmann

Leichte Verfremdungseffekte sind eingezogen in Heidemarie Gohdes Inszenierung von Anton Tschechows „Iwanow“ am E.T.A.-Hoffmann-Theater: Die Szenerie, die sich oft sacht dreht wie ein beschauliches Lebenskarussell; Tierstimmen und Geräusche, die unvermittelt aus der Lautsprecheranlage knallen; auf den Bühnenvorhang projizierte düstere Zwischentexte wie bei einem Stummfilm der Hoffnungslosigkeit.

Derlei Merkwürdigkeiten entziehen der Geschichte jenen Naturalismus, den Bühne (eine russische Wohnlandschaft mit dem obligatorischen Samowar, jeder Menge Teppichen und einem Billiardtisch, der sich auch als Trinktisch eignet) und Kostüme (Ausstattung: Uwe Oelkers) andeuten könnten. Fänden sich dort nicht auch schon wieder Seltsamkeiten: Das Birkenwäldchen im Hintergrund ist auf den zweiten Blick bloß ein finsteres Gehänge von Baumskeletten.

Irgend etwas stimmt da also nicht. Die Menschen im „Iwanow“ sind allesamt von einer entsetzlichen Lähmung befallen, allen voran die Titelfigur: ein Gutsbesitzer, von dessen einst manischem Idealismus jetzt nur noch dessen Schatten, die alles abstumpfende Depression, übrig geblieben ist. Er liebt seine Frau Anna Petrovna nicht mehr, die an Schwindsucht leidet und die die Eifersucht auf das goldige Nachbartöchterchen Saša Lebedeva schließlich tödlich niederstreckt.

Schmerz und Schuldgefühle

Die darauf folgende geplante Hochzeit mit der jungen Frau zerbirst an Iwanows Schuldgefühlen. Diese Menschen fügen einander pausenlos Schmerz zu, leben und sprechen aneinander vorbei, verletzen sich mit ihren Egoismen. Am unverwundbarsten sind da noch all jene, die zu schlicht sind, dies alles zu begreifen.

Wer unglücklich sein will, spreche dauerhaft über das Glück, das ihm eigentlich zustehe – und schon wird er es am Horizont verschwinden sehen. So ist das auch im „Iwanow“: Die Erfüllung, die Tschechows Menschen suchen, ist ein permanentes Trugbild. Weil sie sich selbst und in einander permanent täuschen.

Und genau hier, in diesem Beiklang von Trug und Täuschung, haken Gohdes Verfremdungseffekte ein. Zugleich haben sie den Vorteil, dass das Personal dem Publikum zunächst einmal mit einiger emotionaler Distanz vorgeführt wird.

Doch dann, nach der Pause, wenn wir alle kennen gelernt haben, geht's flott ans Eingemachte, das so unausweichlich übers Publikum kommt wie die Stachelbeerkonfitüre über Lebedevs Festgäste.

Die Schauspieler erfüllen ihre Rollen mit Verve. Auch hier wieder allen voran Stephan von Soden als Iwanow, charismatisch, raumfüllend, spürbar ausgefüllt mit der Wucht der Verzweiflung; Nadine Panjas als sein Gegenüber wie ein Nachklang vergangener Zeiten, liebend, verstehend, zuletzt aber sehr wütend. Felix Pielmeier ist ein Landarzt voll Inbrunst, dessen Gutmenschentum wie vom Text erwünscht allmählich in krasse Nervensägerei ausartet.

Ganz groß Florian Walter als Lebedev, der geknickte Freund Iwanows, der glänzende Trunkenbold und der ganz im Dienste seiner herrischen Frau stehende Sendbote des Unheils im stetig scheiternden Versuch, es allen recht zu machen. Keck und frisch Sybille Kreß als Saša. Die feine Zeichnung der Figuren geht bis in die Nebenrollen.

Die weiteren Aufführungen: 15. bis 17., 20. bis 24., 26. und 27. Februar. Kartentel.: 0951/873030
 

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