Lange Party-Nacht der Hockey-Goldjungs

12.8.2012, 15:28 Uhr
Lange Party-Nacht der Hockey-Goldjungs

© Frank May (dpa)

«Ich halte die Medaille jetzt immer ganz fest, damit ich weiß, dass das wirklich wahr ist. Die lege ich jetzt eine Woche nicht aus der Hand», sagte der umjubelte Doppel-Torschütze nach dem Olympiasieg der deutschen Hockey-Herren in London noch immer staunend. Mit 2:1 (1:0) hatte das DHB-Team zuvor die Niederlande entzaubert - und sich die perfekte Vorlage für die Feier bis zum Morgengrauen gegeben.

Schon nach dem erlösenden Schlusspfiff hatten Müller und Co. nur noch einen Wunsch: Party! «Ich muss jetzt ganz schnell betäubende Mittel in mich reinschütten», kündigte Philipp Zeller an. «Mal sehen, ob die Tower Bridge noch steht», unkte Christopher Zeller. So wüst kam es dann zwar nicht, aber als das Team mit riesigem Anhang Punkt Mitternacht das Deutsche Haus enterte, wollte Kapitän Müller nur noch eines. «Was uns wirklich fehlt, ist 'ne Runde Bier für alle!»

Dies kam prompt - und nun erwiesen sich die Goldjungs wieder als Feierkönige. Fast alle waren in die plötzlich gar nicht so zahme deutsche Feiermeile gekommen, um dem Team die Ehre zu erweisen. Die Beach-Boys Julius Brink und Jonas Reckermann ebenso wie Turner Fabian Hambüchen. Selbst Bob-Legende André Lange gratulierte dem Team, das seine Sause später - gesitteter - auf der MS Deutschland fortsetzte.

Rabante war triefnass

Begehrtestes Zielobjekt für alkoholische Duschen aller Art war natürlich Doppel-Torschütze Rabente. Triefnass musste er immer wieder seine beiden Tore schildern: «Eigentlich ist Toreschießen gar nicht meine Hauptaufgabe. Dafür sind andere da. Ich stand einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.» Bis zuletzt hatte der «Nobody» als Streichkandidat gegolten. Aber nicht für Bundestrainer Markus Weise. «Diesen Fehler habe ich nicht gemacht», sagte er grinsend.

Dem defensiven Mittelfeldmann gelang im Olympia-Finale sein erster Doppelpack im Nationaldress. «Beim ersten habe ich mich absichtlich fallen lassen, damit ich den Ball besser ins Tor chippen kann», sagte er. Beim zweiten lief er - eigentlich nicht ganz konform mit den Hockey-Regeln - hinten ums Tor herum und traf kurz vor Schluss zum Sieg. War das Zufall oder gewollt? «Das war Bestimmung!»

Weises imposante Bilanz

Rabente, Torwart Max Weinhold und der überragenden Defensive war es zu verdanken, dass der Deutsche Hockey-Bund (DHB) die hehre Zielvereinbarung von zwei Medaillen, eine in Gold, fast noch einhalten konnte - trotz des enttäuschenden siebten Ranges der DHB-Damen. Zum Glück war wieder Verlass auf das Flaggschiff: Zehn (4 Gold/3 Silber/3 Bronze) der 13 olympischen Hockey-Medaillen lieferte das «starke Geschlecht» ab. Noch imposanter ist Weises Bilanz: Drei Starts, drei Olympiasiege: Auf Gold 2004 mit den Damen und 2008 mit den Herren folgte die dritte Plakette - ein Rekord für die Ewigkeit.

«Er hat vor der entscheidenden Turnierphase die Zügel angezogen und uns so erneut zum Olympiasieg geführt», lobte Kapitän Müller den Erfolgscoach, der sein Team auch in London auf den Punkt topfit hinbekam. «Er ist ein absoluter Chef, er hat die absoluten Strippen in der Hand», sagte Nationalspieler Benjamin Weß voller Anerkennung.

Mannschaft bleibt zusammen

Anders als bei den vor einem Umbruch stehenden Damen sieht die Zukunft bei den Herren rosig aus. Während sich das Gerücht hält, dass auf Damen-Coach Michael Behrmann dessen Assistent Kais Al Saadi folgen könnte, sind sich DHB und Weise einig, bis Rio 2016 zusammen weiterzumachen. «Er ist für uns der ideale Mann auf der Bank», lobte Sportdirektor Heino Knuf.

Auch das Gros der Spieler macht weiter. Nur bei Weinhold, Matthias Witthaus und Philipp Zeller sei klar, dass sie im DHB-Team aufhören, sagte Weise. Er hat ein großes Reservoir an Talenten, denn er musste den London-Kader von 36 auf 18 Mann halbieren. Und hat dabei die richtige Wahl getroffen. Weise baut auf robuste Typen wie Rabente, die sich auch von einem schwachen Spiel nicht gleich aus der Bahn werfen lassen. «Mit Trauerspielern, die schlechte Gedanken nicht loswerden, gewinnt man kein dickes Turnier wie bei Olympia.»