Nazis haben reges Interesse an fränkischen Immobilien
24.11.2011, 07:15 UhrDas Prinzip ist simpel: Die NPD stürzt sich auf Schrottimmobilien oder Prestigeobjekte, die Bürger bekommen Angst und die Kommunen sehen sich im Zugzwang. Die Folge: Politiker greifen ins Stadtsäckel, zahlen einen viel zu hohen Preis – und halten sich damit die Neonazis vom Hals. Oftmals machen Rechtsradikale mit den Besitzern gemeinsame Sache, um beim Verkauf möglichst viel Geld herauszuholen.
Ob es sich um reelle Kaufangebote handelt oder nur um Absprachen, um die Preise in die Höhe zu treiben, müsse man im Einzelfall prüfen, sagt ein Mitarbeiter der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus. „Manchmal“, so weiß er, „handelt es sich um Scheingefechte.“
Gebäude brannte aus - und das Problem war erledigt
Die Ernsthaftigkeit eines potenziellen Käufers müsse im Einzelfall geprüft werden. Das sei nicht immer einfach. Allerdings lassen sich einige Indikatoren zur Beurteilung heranziehen, berichtet der Experte, dessen Behörde beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutzes angesiedelt ist. Wenn die Kaufabsichten im Vorfeld sehr schnell bekannt werden, steckt dahinter meist reine Taktik, um den Marktwert zu steigern.
Das sei etwa bei den Gerüchten in Postbauer-Heng über den Verkauf eines Gasthofes an die NPD so gewesen: Der Nürnberger NPD-Funktionär Rainer Biller – den die Partei wegen seiner Äußerungen zu der nun aufgeklärten Mordserie angeblich ausschließen will – verkündete 2010, dass er den Berghof am Dillberg in der Oberpfalz zu einer Niederlassung für „nationale Familien“ machen wolle. „Immer wieder gab es zu dem Fall Pressemitteilungen“, berichtet der Extremismus-Experte. Das sei in Richtung „Scheinkauf“ gegangen. Letztendlich brannte der Gebäudekomplex aus – und das Problem erledigte sich von selbst. Die Brandstifter sind jedoch bis heute nicht ermittelt.
Längst ist die Sache nicht immer so klar. Gerade in Nordbayern haben NPD-Mitglieder oder Aktivisten der Freien Kameradschaften in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, an Grundstücke oder Immobilien zu kommen. Häufig funktioniert der Deal über Strohkäufer, mit Hilfe von polizeilich nicht registrierten Verwandten oder Freunden.
In Oberprex in der oberfränkischen Gemeinde Regnitzlosau ist die Taktik aufgegangen. Dort hat der Neonazi und Rechtsrock-Musiker Tony Gentsch das ehemalige Lokal „Zum Egerländer“ unter dem Namen seiner Mutter gekauft. Gentsch ist in der Szene bekannt: Er ist Bassist der Band „Braune Brüder“ und zählt zu den führenden Kadern der Kameradschaft „Freies Netz Süd“. Von diesem Vorhaben sickerte nichts durch, berichtet der Mitarbeiter der Informationsstelle gegen Extremismus: „Die Kommune wusste nichts und wir auch nicht – somit konnten wir den Kauf nicht verhindern.“
Nun bleibt ihm und seinen Kollegen nichts mehr übrig, als die Kommunalpolitiker vor Ort zu beraten. Das ist auch nötig. Denn in dem kleinen Ort, unweit der tschechischen Grenze, tauchen nun fast jedes Wochenende dutzende Neonazis auf. Darunter befinden sich neben Rechtsradikalen aus Bayern vor allem Kameradschaften aus dem angrenzenden Thüringen. Kontakte zwischen den einzelnen Bundesländern sind vorhanden, erzählt Michael Feiler, Sprecher des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. „Man nimmt gegenseitig an Aktionen teil.“
Bayernweit versucht die NPD, Häuser zu erwerben. Die Bayern-NPD rief 2009 extra das „Baustein-Projekt“ ins Leben, um Immobilien zu finanzieren. Besonders in Nordbayern, wie ein Blick auf Warmensteinach, Gräfenberg oder Wunsiedel zeigt. Bisher konnten Rechtsradikale kein weiteres Gebäude erstehen. Allerdings stellt der Koordinator der Nordbayerischen Bündnisse gegen Rechtsextremismus, Günter Pierdzig, einen Trend fest: „Die Nazis wollen das Land ergreifen.“ Verglichen mit Städten, müssten sie dort weniger Widerstand befürchten. Das gelte aber nur für die westlichen Bundesländer. Im Osten, sagt der ausgewiesene Kenner der Szene, könnten sich Nazis auch in der Stadt niederlassen: „Da sind oft die Jungs aus der Nachbarschaft dabei – dagegen unternimmt man doch nichts.“
Möglichem Widerstand will die Szene aus dem Weg gehen. Daher brauchen sie für ihre Treffen eigene Gebäude, sei es als Besitzer oder als Pächter, betont der Mitarbeiter der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus: „Sie benötigen oft Ausweichquartiere – da sie zu Recht nicht überall gerne gesehen sind.“
So wie in Fürth am vergangenen Samstag. Der bayerische Landesverband der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ hatte seinen Sonderparteitag im Internet angekündigt – ohne genaue Angabe des Ortes. Als der Pächter des Gasthofs „Grüner Baum“, Michael Barth, darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die bei ihm angemeldeten 60 Gäste eben jene Delegierten-Gruppe ist, sagte er die Veranstaltung kurzfristig ab: „Bei mir darf jeder reservieren – aber kein Neonazi.“
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