Er wurde 85 Jahre alt: Modezar Karl Lagerfeld ist tot
19.2.2019, 12:45 UhrMan wüsste zu gerne, wie der "Mode-Kaiser" selbst seinen eigenen Tod kommentierte hätte. Wahrscheinlich wäre ihm einer seiner berüchtigten Sprüche frei von jedem Pathos über die Lippen gekommen. Einer jener provokanten "Karlismen", wie seine Aphorismen gerne genannt werden, die im Buch "Karl über die Welt und das Leben" gesammelt sind. Sie geben einen Einblick in den abgründigen, selbstironischen Humor des wohl berühmtesten Deutschen in Paris: Karl Lagerfeld.
Die Nachricht von seinem Tod erschüttert nicht nur die Modebranche. Völlig überraschend kam sie allerdings nicht: Zum ersten Mal begrüßte der Chefdesigner von Chanel nach dem Défilé bei der Fashion Week in Paris das Publikum nicht. Er sei müde, hieß es von dem eigentlich nimmermüden Workaholic, der für mehrere Marken insgesamt über ein Dutzend Kollektionen im Jahr hergestellt, seine eigene Marke gegründet hat, Kostüme für die Skala in Mailand oder Trikots für die französische Fußball-Nationalelf gestaltete. Er war ein Tausendsassa als Designer und Fotograf, Mode-Visionär und Geschäftsmann.
Wer das Leben von Karl Otto Lagerfeld nachvollziehen möchte, stößt sich bereits an einer ersten Schwierigkeit: seinem Geburtsjahr. War er 1935 oder gar 1938 geboren, wie er es lange alle glauben ließ – oder doch bereits am 10. September 1933, wie schließlich eine in der Presse veröffentlichte Geburtsurkunde nahelegte? Er wuchs in Hamburg als Sohn eines schwedischen Kondensmilch-Fabrikanten und einer eleganten und autoritären Norddeutschen auf. Nach einem Jahr Klavierunterricht, erzählte er, habe sie ihm entnervt den Piano-Deckel auf die Finger fallen lassen und gesagt: "Zeichne, das macht weniger Lärm."
Chanel vor einer Herausforderung
Also zeichnete er, verschlang zudem Literatur und Mode-Zeitschriften und ging 1952 nach Paris. Dort gewann er 1954 den ersten Preis des Internationalen Wollsekretariats für den Entwurf eines gelben Mantels – ebenso wie ein anderes junges Talent, nämlich Yves Saint Laurent. Mit ihm verband Lagerfeld zunächst eine innige Freundschaft; sie zerbrach später aufgrund einer Liebschaft Saint Laurents mit Lagerfelds langjährigem Partner Jacques de Bascher, der 1989 an HIV starb.
Nach seinem gewonnenen Preis wurde er zunächst Assistent von Pierre Balmain, anschließend Kreativdirektor bei Jean Patou, begann 1963 bei Chloé und stieg 1965 beim italienischen Modehaus Fendi ein. Sein Eintritt bei Chanel im Jahr 1983 rettete das Traditionshaus wohl vor dem drohenden Abstieg, galt es doch als hoffnungslos altmodisch. Er modernisierte den Stil, ohne den typischen Klassikern wie dem Tweed-Stoff oder dem Kleinen Schwarzen untreu zu werden. Für Chanel steht nun die große Herausforderung, in eine neue Ära nach jener von "Karl dem Großen" zu gehen.
"Meine Sonnenbrille ist meine Burka"
Sein künstlerisches Hauptwerk war er aber wohl selbst. Beflissentlich arbeitete Lagerfeld an seinem Image mit stets demselben Look. Gehörte dazu früher ein Fächer, so legte er diesen zu Beginn des Jahrzehnts ab und verlor zugleich durch eine drastische Diät 42 Kilogramm, um in die schmalen Anzüge von Hedi Slimane, Designer bei Dior Homme, zu passen. Lagerfeld, das waren die zum Zopf geflochtenen, gepuderten weißen Haare und seine verwöhnte Birma-Katze Choupette auf dem Arm. Weder seine dunkle Sonnenbrille – "meine Sonnenbrille ist meine Burka" – noch seinen harten deutschen Akzent legte der Exzentriker ab, mit dem er oft auch verletzende Dinge sagte.
So reichten Aktivistinnen in Frankreich nach seinem Ausspruch, keiner wolle Frauen mit Rundungen auf einer Bühne sehen und Übergewichtige seien mitschuldig am Loch in den Sozialkassen, Klage ein. Ob er viel Geld auf seinem Bankkonto habe, sei ja wohl „die Frage eines Armen“, spottete er, dem Steuerhinterziehung nachgewiesen wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel „hasse“ er für ihre Flüchtlingspolitik, die "Neonazis" von der AfD in den Bundestag befördert hätten, ließ Lagerfeld zudem wissen.
Doch wen dies schockierte, der konnte sich mit einem anderen "Karlismus" trösten: "Ich sage immer, was ich denke", verkündete er einmal. "Und manchmal sogar, was ich nicht denke." Er erfinde sich jeden Tag neu. Das tat er, davon ist auszugehen, bis zu seinem letzten Tag.
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