Schluss mit dem Kiffer-Urlaub
19.04.2012, 10:44 UhrHendrik (23) und Julia (27) schwanken noch zwischen «Santa Maria» und «Bubble Gum». Das adrette Paar aus Trier steht vor einer leuchtenden blauen Menükarte. Aber sie suchen keine Pizzasorten aus, sondern Cannabisprodukte. 175 Kilometer haben sie zurückgelegt, um sich im «Easy Going» einzudecken, dem ältesten Coffeeshop von Maastricht im südlichsten Zipfel der Niederlande. Es dürfte wohl das letzte Mal sein, dass sie hier sind. Denn ab 1. Mai müssen die Haschisch-Cafés Ausländer abweisen.
Jahrzehntelang sind Deutsche vor allem aus Nordrhein-Westfalen, aber auch aus anderen Bundesländern über die Grenze gefahren, um dort in Ruhe einen Joint zu rauchen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die rechtskonservative Regierung, die vor eineinhalb Jahren in Den Haag angetreten ist, will den Drogentourismus beenden.
Schade sei das, seufzt Julia und blickt sich noch einmal um. «Dies ist ein so gemütliches Café.» Und Hendrik fügt hinzu, als Deutscher sei man künftig wohl gezwungen, beim Straßendealer zu kaufen. «Aber das werde ich nicht machen. Das ist mir zu unsicher.»
Wenn im «Easy Going» auch dicke Luft herrscht - schon am frühen Nachmittag paffen ein Dutzend überwiegend junger Kunden ihren Joint - so ist es doch keineswegs eine Spelunke. Alles wirkt hell und pieksauber, hinter Glas ziehen tropische Fische ihre Kreise. Am Eingang befindet sich eine elektronische Schranke. Nur wer nachgewiesen hat, dass er volljährig ist, darf passieren. Was den Gästen vielleicht nicht bewusst ist: Jeder Tisch wird videoüberwacht. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Fremd-Dealer den Gästen noch ganz andere Sachen aufschwatzen.
"Joints haben ihn reich gemacht"
Marc Josemans (52) ist seit 29 Jahren Coffeeshop-Inhaber. Die Joints haben ihn reich gemacht. «Ich kann morgen aufhören zu arbeiten. Aber meine 40 Mitarbeiter müssen noch ihr Haus abbezahlen.» Für sie wolle er Widerstand leisten gegen die «fremdenfeindliche Regierung» in Den Haag. Zurzeit läuft noch eine Klage von Coffeeshop-Betreibern - sie halten die neuen Vorschriften für diskriminierend. Aber auch falls das Gericht nächste Woche Freitag gegen sie entscheidet, will Josemans nicht nachgeben. Er werde am 1. Mai in jedem Fall weiter an Deutsche und Belgier verkaufen, auch wenn er dann zur Strafe schließen müsse.
Fast liebevoll streut Joyce (18) Cannabis-Krümel auf den Tabak ihrer selbstgedrehten Zigarette. Mit ihrem Freund Claudio (19) ist sie aus dem nahen Belgien gekommen. Allein die 14 Coffeeshops in Maastricht zählten bisher 2,5 Millionen Besucher im Jahr. 70 Prozent davon seien Ausländer, sagt Geertjan Bos, Sprecher des rechtsliberalen Bürgermeisters Onno Hoes. Die meisten kämen aus Belgien und Frankreich, Deutschland folge erst an dritter Stelle. Für die Anwohner bringe der Drogentourismus viele Probleme.
Darüber kann sich Josemans aufregen: «Totaler Unsinn! Ein Teil meiner Kunden sieht vielleicht etwas lockerer aus als der Durchschnitt, hat schon mal einen Ohrring, aber wir haben hier auch Anwälte und Europaparlamentarier, und wenn die große Kunstmesse läuft, schauen hier Herren im Anzug vorbei. Mein ältester Kunde ist 86 Jahre alt - ein Deutscher!» Die Probleme kämen im Gegenteil, wenn die Straßendealer demnächst großen Zulauf erhielten. Auch in Deutschland werde man das merken.
Hendrik und Julia, das Pärchen aus Trier, wird künftig wesentlich seltener nach Maastricht kommen - das steht für sie fest. Einen Abschiedsjoint genehmigen sich die beiden jedoch nicht - das Cannabis wird für zu Hause aufbewahrt. «Wir haben ja schließlich noch die lange Rückfahrt vor uns», sagt Julia. «Nee, so sind wir nun auch nicht drauf!» Josemans nickt: «Ich sag's ja: Ganz vernünftige Leute!»
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