Digitale Armee: Wie Social Bots Wahlkämpfe beeinflussen
2.9.2017, 12:05 UhrVor einem knappen Jahr war Alice Weidel eine noch eher unbekannte Politikern. Am 21. Oktober 2016 änderte sich das schlagartig. Da sagte die spätere AfD-Spitzenkandidatin dem Spiegel: "Selbstverständlich werden Social Bots in unserer Strategie im Bundestagswahlkampf bedacht werden." Der Aufschrei war groß, andere Parteien verurteilten den Einsatz und kurz darauf ruderte die AfD zurück.
Wie sehr Social Bots, diese automatisierten Computerprogramme, einen Wahlkampf beeinflussen können, hatte wenige Monate zuvor die Wahl zum amerikanischen Präsidenten gezeigt. Beide Seiten – Demokraten wie Republikaner – brachten ganz Bot-Armeen in Stellung, auch wenn der spätere Präsident Donald Trump deutlich mehr dieser Programme im Einsatz hatte. So soll, nach Forschungen der Universität Oxford, jeder dritte Tweet zur Unterstützung von Trump von einem solchen Bot gekommen sein. Bei Hillary Clinton war es jeder fünfte – doch ihr Wahlkampfteam setzte ein Jahr später als Trump auf die digitale Unterstützung. Auch daher gab es etwas weniger automatisch erstellte Tweets zur Unterstützung von Clinton.
Damit einher ging eine Verschärfung des (in sozialen Netzwerken oft eh schwierigen) Tons. Denn die Roboter beschimpften Gegner, verbreiteten Fake News und schürten (gefühlte) Stimmungen. Mit Informationen befüllt, nehmen die Bots gezielt an Debatten teil und lenken sie in eine bestimmte Richtung. Und das mit einfachen Mitteln: Einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge kostet eine Bot-Armee mit 10 000 Profilen 500 Dollar, einfache Systeme kommen mit 15 Zeilen Programmcode aus.
Verdecktes Handeln
Dabei agiert ein Social Bot verdeckt, gibt vor, eine echte Person zu sein und simuliert menschliches Handeln: Er teilt und kommentiert Posts, verschickt Mitteilungen und drückt den "Gefällt mir"-Button. Ganz anders agiert eine andere Bot-Gattung, der Chat Bot. Er gibt sich sofort als Computerprogramm zu erkennen, beantwortet Fragen der Nutzer und ist ein eher serviceorientiertes Online-Werkzeug.
Im Gegensatz zu Social Bots. In weiten Teilen der Politik ist inzwischen angekommen, was sie anrichten können. "Was technisch möglich ist, findet auch statt", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vor kurzem. "Wir müssen uns auf die Verbreitung und gezielte Nutzung von erfundenen Meldungen für politische Zwecke einstellen und entsprechende Vorkehrungen treffen." Auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, warnte: "Propaganda, die wir in sozialen Netzwerken in Teilen feststellen, ist teilweise falsch, ist überzogen und ist oftmals emotional und verleitet dazu, dass die Menschen sich eine andere Meinung, eine fehlerhafte Meinung von der Realität machen."
Die Politik orientiert sich inzwischen daran. Eine Umfrage dieser Zeitung bei den Parteien, die eine Chance haben, in den nächsten Bundestag einzuziehen, zeigt: Social Bots lehnen alle ab. "Wir halten den Einsatz solcher Mittel für falsch, weil sie den Wählerinnen und Wählern eine Dialogbereitschaft vorgaukeln, die real nicht vorhanden ist", heißt es bei den Linken. Auch die AfD, die vor Monaten noch mit Social Bots liebäugelte, erklärt nun: "Wir verwenden keine Social oder Chat Bots und verurteilen Parteien, die das tun. Es sind meinungsverzerrende Tools, die den demokratischen Wettbewerb stören."
Eine Selbstverpflichtung
Die Grünen haben gar eine Selbstverpflichtung "für einen fairen Bundestags-Wahlkampf 2017" abgegeben. Darin heißt es: "Wir sprechen uns für eine gesetzliche Regelung aus, die den intransparenten Einsatz von Social Bots ausschließt." Auch FDP, CDU, CSU und SPD schließen den Einsatz von Social Bots aus.
FDP und CSU probieren aber die andere Art von Bots, Chat Bots, aus. Die Liberalen haben auf Twitter unter dem Namen @FDPShots ein Tool programmiert, das eine "schnelle und klare Antwort" auf Wählerfragen geben soll. Und die Union geht auf Facebook mit "Leo" an den Start. Das Programm, sobald angeschrieben, prahlt mit angeblichen Erfolgen der CSU und schickt Filmchen, in dem es sich über den politischen Gegner lustig macht. Das ist zwar nicht wirklich witzig – aber sehr harmlos.
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