Ein Präsident Trump schockt sie weniger als Clinton
9.11.2016, 19:56 UhrFrau Krone-Schmalz, die meisten Menschen waren von dem Ausgang der Präsidentenwahl in den USA völlig überrascht. Sie auch?
Gabriele Krone-Schmalz: Auch wenn sich das jetzt überheblich anhört: nein. Es passt irgendwie zum Brexit. Da habe ich auch damit gerechnet, dass das rauskommen könnte.
Und warum?
Krone-Schmalz: . . . weil ich denke, dass Stimmungen in der Bevölkerung – um es böse zu sagen – arrogant ignoriert werden. Das war auch heute in der Berichterstattung wieder zu sehen. Alle echauffieren sich darüber, wie man nur „so blöde sein kann“, jemanden wie Trump zu wählen. Wissen Sie, wenn ich „Russland verstehen“ als Motiv habe, ist die Betonung nicht auf Russland, sondern auf verstehen. Und ich denke, es wäre hilfreich, wenn man auch Amerika verstehen und das Augenmerk darauf richten würde, wie es in dem Land aussieht. Vor der Wahl wurde zum Beispiel intensiv darüber berichtet, wie fürchterlich arm weite Teile der Bevölkerung sind. Also: Mal verstehen, was in der Gesellschaft abgeht. Dann kann man dieses Wahlergebnis – ob man das gut findet oder nicht – anders einsortieren und als Basis dafür nutzen, intelligente Antworten zu finden.
Lassen Sie uns trotzdem auf das blicken, was Trumps Wahl für die Außenpolitik bedeuten könnte. Auffällig war, dass Trump sehr nette Worte für Kremlchef Wladimir Putin gefunden hat. Der russische Präsident umgekehrt auch. Was heißt das für das mögliche künftige Verhältnis beider Staaten, die momentan ein sehr frostiges Verhältnis zueinander haben?
Krone-Schmalz: Das ist natürlich in weiten Teilen Spekulation, das muss man ganz deutlich voranstellen. Aber Fakt ist, dass die Außenpolitik Hillary Clintons eine militarisierte Außenpolitik ist. Auch ihre Äußerungen in Richtung Russland sind ganz eindeutig. Und wenn man sich ihr Beraterteam und ihr Netzwerk ansieht, dann weiß man, dass nichts Gutes für Russland zu erwarten ist. Was bei Trump jetzt dabei herauskommt, das muss man erst noch sehen.
Was wäre ihre Vermutung?
Krone-Schmalz: Also, Trump ist nicht blöd. Und er wird sich – zumindest hoffe ich das – kompetente Berater holen, die zwar die Interessen Amerikas im Blick haben, aber auch die Kooperation anstreben. Man sollte Trump beim Wort nehmen. Er hat gesagt: „Wir werden den Dialog suchen und sehen, dass wir mit allen irgendwie klarkommen.“ Das muss alles nichts heißen. Nur bei Hillary Clinton war klar, was es heißt.
Trump hat angekündigt, er würde den Islamischen Staat massiv bekämpfen und notfalls auch „etwas Extremes“ machen. Was soll das heißen?
Krone-Schmalz: Das will ich mir lieber nicht vorstellen. Auch da versuche ich mich damit zu beruhigen, dass er sich als Präsident das dann doch noch mal überlegen wird.
In Syrien verläuft die Hauptkonfrontationsline zwischen den USA und Russland. Moskau lehnt kategorisch ein weiteres Vorrücken Washingtons oder der Nato in dieses Land ab. Würde da eine Verständigung zwischen Trump und Putin vielleicht helfen können?
Krone-Schmalz: Natürlich würde das helfen. Alles, was auf diplomatischem Weg möglich ist – selbst wenn der Verhandlungspartner der Teufel persönlich ist –, wäre doch besser, als reinzubomben und mit militärischen Mitteln eine Lösung zu suchen, wo jeder vorher weiß, dass es die so nicht geben kann.
Nächstes Konfliktfeld, das auch unmittelbar mit Russland zu tun hat: die Ukraine. Wie sehen Sie diese Krise unter den neuen Vorzeichen?
Krone-Schmalz: Ich finde es sehr interessant, welche Reaktionen es bisher vor allem aus der Ukraine gibt. Wenn es in Kiew heißt, dass man jetzt Angst hat, dass die große Unterstützung der USA zurückgefahren wird, dann ist das ja ein Beweis dafür, dass die große Unterstützung bei dem, was sich in der Ukraine abgespielt hat, tatsächlich vorhanden war. Das fand ich schon mal sehr bemerkenswert. Ich würde mir wünschen, dass Trump wahr macht, was er gesagt hat: dass sich die USA unter ihm aus verschiedenen Dingen heraushalten würden. Er hat explizit auch gesagt, dass es unter ihm keine Politik des „Regime Change“ (des Austausches von Regierungen; Anm. d. Red.) mehr geben soll. Wenn Trump und Putin gemeinsam feststellen, dass die Ukraine gute Beziehungen zu beiden Seiten haben sollte, um zu überleben, dann wäre das eigentlich im Interesse von allen.
Donald Trump hat in seinem Wahlkampf auch Bundeskanzlerin Angela Merkel massiv wegen ihrer angeblich „verrückten“ Flüchtlingspolitik kritisiert, die „fürchterliche Dinge“ zur Folge habe. Das wird, wenn die beiden sich das erste Mal treffen, wohl auch wieder eingerenkt werden müssen.
Krone-Schmalz:(lacht) Das macht es sicher nicht einfacher. Aber Merkel hat gegenüber anderen Menschen auch deutliche Worte gefunden und redet trotzdem mit ihnen. Da müssen die durch, das gehört zum politischen Geschäft.
Auch ein amerikanischer Präsident kann nicht immer tun und lassen, was er will. Es gibt auch starke Selbstbeharrungskräfte des Systems. Das wird wohl auch unter Trump gelten.
Krone-Schmalz: Auf jeden Fall. Den Apparat, der Selbstbeharrungskräfte entwickelt, sollte man in keinem Land der Welt unterschätzen. Klar ist, wenn jetzt der Präsident, das Repräsentantenhaus und der Senat republikanisch sind, dann hat Trump eine ziemlich breite Basis. Auch ist ein Platz für den Supreme Court offen, und es ist nicht wahrscheinlich, dass der Kandidat Obamas da noch eine Chance hat. Trotzdem wird auch einem Präsidenten Trump gar nichts anderes übrig bleiben, als die Konsequenzen seines Tuns mal zu überblicken.
Aus alledem entnehme ich: Ein Präsident Trump schockiert Sie nicht mehr, als das eine Präsidentin Clinton getan hätte.
Krone-Schmalz: Nein, wirklich nicht. Mich schockiert etwas ganz anderes, und nicht nur mit Blick auf die USA. Ich finde es bedenklich, wenn sich irgendwo Mehrheiten finden, die man nicht erwartet hätte, wie arrogant das auch in unserem Gewerbe kommentiert wird. So nach dem Motto: „Die sind alle blöd.“ Ob das in England ist mit den Brexit-Befürwortern, in Frankreich mit (der Front National-Chefin) Marie Le Pen, oder bei uns mit der AfD – man sollte vielleicht einmal untersuchen, welche Rolle die Medien dabei spielen.
Der amerikanische Nachrichtensender CNN hat als strategische Entscheidung gezielt rechtskonservative Moderatoren verpflichtet, um die Reichweite zu steigern. . .
Krone-Schmalz: Das halte ich für journalistisch unsauber, um das ganz dezent zu formulieren. Und ich würde mir wünschen, dass das auch in unserer Medienlandschaft mehr thematisiert würde. Wenn wir an dem Erhalt eines demokratischen Systems interessiert sind, dann muss man Befindlichkeiten in der Bevölkerung ernst nehmen, man muss sie diskutieren. Man sollte nicht einfach ausgrenzen und so einen Kanal schaffen, wo sich das dann Bahn bricht. Das kann dann dazu führen, dass Figuren mit ganz einfachen Antworten – so falsch die sein mögen – nach oben gespült werden. So wie jetzt bei Trump.
Gabriele Krone-Schmalz wird am kommenden Sonntag, 13. November 2016, 11 Uhr, im Rahmen der Laufer Literaturtage bei einer Matinee in der Bertleinschule unter anderem aus ihrem Buch „Russland verstehen“ lesen. Die Veranstaltung ist bereits ausverkauft.
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