Handyverbot im Restaurant: Survival-Training im Jahr 2019
14.03.2019, 10:40 Uhr
Ja, es muss hier von der guten alten Zeit erzählt werden: Als Kinder noch in den Wald gingen, ohne ständig auf dem Handy zu gucken, ob sie ein Netz haben. Als Essen auf den Tisch kam, ohne dass es fotografiert wurde. Als Menschen in ihrer Freizeit lesen mussten, weil es keine Spiele auf dem Mini-Bildschirm gab. Weil: Es gab eine Zeit ohne Smartphones, und das ist noch gar nicht so lange her.
Ein Kölner Gastwirt mutet jetzt seinen Gästen ein solches Survival-Training im digitalen Mittelalter zu: Kein Handy kommt ihm eingeschaltet ins Lokal, kein Bild kann von seiner Kochkunst zeugen, keine Frau guckt nach Facebook, kein Mann schaut nach Fußballergebnissen.
Spielregeln eines interessanten Experiments
Ist das eine Bevormundung? Natürlich. Aber es muss ja keiner in dieses Restaurant gehen - die Gäste sind freiwillig da und lassen sich damit auch aus eigenem Antrieb auf die Spielregeln ein. Und damit auf ein interessantes soziales Experiment. Denn damals, in der grauen Vorzeit ohne Bytes und Bits, musste schon einer eine Zeitung lesen, um sein Desinteresse am Partner zu signalisieren. Tat dann doch in den meisten Fällen keiner.
Heute geht das eleganter, es lässt sich in jedem Lokal beobachten: Paare sitzen am Tisch, warten aufs Essen, schweigen, und jeder guckt auf das eigene Smartphone. Dieses Phänomen gibt es übrigens in allen Altersgruppen, selbst im Rentenalter oder kurz davor.
Der Mensch hinter dem Smartphone
Im Kölner Lokal ist dagegen soziales Lernen angesagt, die Übung heißt Gespräch. Das heißt, nur zur Erinnerung: Einer erzählt etwas Interessantes, der oder die andere(n) hören zu und geben eine möglichst kluge Erwiderung. Wer es einmal probiert, macht eine interessante Erfahrung: Hinter dem Smartphone verbirgt sich ein Mensch aus Fleisch und Blut, der im besten Fall sogar etwas zu erzählen hat.
Das kann gut gehen, muss aber nicht - wenn nur Unsinn gelabert wird. Aber dann kann man das Kölner Lokal ja zukünftig meiden und sich woanders wieder hinter den Bildschirm zurückziehen.
11 Kommentare
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Phileas
@VorsichtIchStreueBlumen.
Sie brauchen sich ja nicht eine Woche abmelden. Ich wollte nur darlegen, dass man, falls man glaubt davon anbhängig zu sein oder seine Smartphonenutzung selbst kritisch sieht, eben enen solchen Selbstest machen kann. Und wenn man das nicht schafft nun, dann sollte man sich darüber schon Gedanken machen.
Ich habe auch ein Handy, weil das schon praktisch sein kann, aber telefonieren damit tue ich im Monat keine 30 Minuten. Eben nur in dringenden (oder vermeintlich dringenden) Fällen und aus dem Gasthaus jemanden anrufen udn mitteilen wie gut oder auch schlecht das Essen gerade ist, würde mir nicht im Traum einfallen.
VorsichtIchStreueBlumen
Die Kinder machen das Verhalten der Erwachsenen nur nach.
Zudem: in meinem Freundes- und Verwandtenkreis gibt es niemandem, welcher in Bezug auf Handy-Fummelei ein überhöhtes, störendes Maß einräumt. Meine Kinder spielen auch draußen. Alles ist auch im Handy-Zeitalter möglich.
Zwischendurch einmal das Handy checken, ist auch in einem Restaurant normal. Das eigene Essen fotografieren: davon halte ich wenig - letztendlich ist das allerdings ein Kompliment an den Restaurant-Koch (oder dient der Beweismittelsicherung in der Betriebskantine :-)
Was wurde bereits aller verteufelt und ist nun vollkommen normal: das Bezahlen mit Geldkarte an Supermarktkasse. Ketchup, Muffins, Burger, Jeans, Frisuren, Gebäudeaufzüge, Auslandsurlaube, Rauchverbote, Stoff- und Papierbeutel an der Kasse, Frauenparkplätze, -wahlrecht u.v.m.
Deutlich mehr stört mich im Moment die aufkommende Akademikerfeindlichkeit aus Dummheit.
Heute ist es das Handy, welche bei den Leute eine große Rolle spielt - vor nicht allzu langer Zeit war es die Zigarettenschachtel und das Feuerzeug. Was ist wohl schädlicher?
@phileas: ich halte mit dem Handy gerne Kontakt mit Freunden - wieso sollte ich mich hiervon für 1 Woche abmelden? Wie würde meine Freunde das wohl bewerten? Klar, kann man auch Briefe schreiben, aber per Handy funktioniert das doch wohl sehr viel einfacher.
Franke mit Rad und Auto
@phileas - diese Kommunikationskultur ging schon länger flöten. Seit Erfindung der Navis fragt doch kein Mensch mehr, wo es wohin geht. So geht mancher zwischenmenschliche Kontakt, bei dem man auch Land und Leute kennenlernen könnte, in die Binsen.
Rudi 57 - denen mußt Du nur sagen, sie mögen doch bitte ihr Handy / Navi benutzen. Am besten fügt man noch hinzu, "ich wass des scho, Du ned' "
Rudi_57
Phileas, ich treff mit dem MTB auf der Langen Meile In paar
Biker. Alle halten ihre Wischkästla in die Luft. 'Wo gehts' n do nach Rettern, mir ham ka Netz'
Karte natürlich Fehlanzeige...
wilde Südstadt
Dass das Smartphone eine derart große Rolle im Leben immer mehr Menschen spielt, ist überall zu sehen.
Ich sehe diese Entwicklung mehr als kritisch...
https://www.youtube.com/watch?v=Q6km-3ot8Qo