Kommentar zur Maaßen-Beförderung: Geht's noch?

Alexander Jungkunz

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20.9.2018, 07:47 Uhr
Wäre er ein echter Staatsdiener, er wäre von sich aus zurückgetreten, um jenen Staat, dem er dient, aus einer von ihm mitverursachten Krise zu helfen.

© Kay Nietfeld/dpa Wäre er ein echter Staatsdiener, er wäre von sich aus zurückgetreten, um jenen Staat, dem er dient, aus einer von ihm mitverursachten Krise zu helfen.

Es geht natürlich um den skandalösen Fall Maaßen. Und um die dreiste, ja unverschämte Art, wie die Koalition diesen Fall gelöst hat. Wenn ein Drehbuchautor eine schwarze Komödie darüber schreiben müsste, wie man am besten Politikverdrossenheit schürt und dann etwas wie das Maaßen-Drama ablieferte: Die Sender hätten so ein Szenario abgelehnt, Begründung: Sooo schlimm geht’s doch in der realen Politik auch wieder nicht zu.

Doch. Geht. Seit Dienstagabend haben wir den Beweis. Und gestern ging es weiter. Horst Seehofer, der Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär befördert hat, schasst dafür einen loyalen, kompetenten SPD-Mann, der auch noch Fachmann im Bereich Wohnungsbau ist. Ein Feld, das der Bundesinnenminister ganz offensichtlich für reichlich nebensächlich hält.

Diese Personalie ist die nächste Provokation, die Seehofer liefert (saubere handwerkliche Arbeit liefern er und sein Riesenressort leider nicht). Was treibt den Noch-CSU-Chef um? Will er versuchen, seinen Rauswurf aus dem Kabinett zu erzwingen mit immer neuen Stücken aus dem Tollhaus?

Merkel nimmt alles hin

Das wird ihm schwerlich gelingen. Denn eigentlich hätte Angela Merkel längst reagieren und den von Anfang an rebellischen Ressortchef entlassen müssen; Anlässe gab es genug. Doch der Fall Maaßen zeigt auch, wie schwach, wie brüchig die einstige Stärke Merkels inzwischen ist: Sie klammert sich an die Macht, sie lässt sich deshalb alles gefallen.

Andrea Nahles hat die Nöte, in denen sie steckt, selbst noch gewaltig vergrößert. Gewiss: Sie hat erreicht, was sie etwas zu forsch und ultimativ gefordert hat: die Entlassung Maaßens als Chef des Verfassungsschutzes. Aber mit welchen Folgen? Der Mann, der sich durch unbedachte, ja fahrlässige Äußerungen selbst um Kopf und Kragen geredet hat, wird dafür mit einem noch einflussreicheren, noch besser dotierten Posten belohnt. Ein Irrsinn aus dem Hause Seehofer, mit zähneknirschender Billigung durch Merkel und Nahles.

Mitleid mit den Abgeordneten

Nicht nur die SPD-Basis tobt, zu Recht. Man kann, man muss inzwischen Mitleid haben mit Abgeordneten, die in ihrem Wahlkreis nicht erklären können, was da passiert ist in Berlin, die aber die geballte Wut abbekommen.

Maaßen selbst hat, obwohl schweigend, beredt Auskunft darüber gegeben, was von ihm zu halten ist: Wäre er ein echter Staatsdiener, er wäre von sich aus zurückgetreten, um jenen Staat, dem er dient, aus einer von ihm mitverursachten Krise zu helfen. Aber die Kunst des Rücktritts ist ausgestorben.

Ein Fest für die AfD

Was bleibt? Ein Scherbenhaufen. Und: gar nicht so klammheimlich jubelnde Gegner des "Systems": Für die AfD ist die Causa Maaßen ein Fest. Und es bleibt: wachsende Sorge. Diese Zeitung gehörte und gehört stets zu den entschiedensten Verfechtern der parlamentarischen Demokratie und dem offenen, liberalen Rechtsstaat auf der Basis unseres großartigen Grundgesetzes. Angesichts des Falls Maaßen aber fällt es zusehends schwer, das Handeln der amtierenden Regierung dieser Republik zu verteidigen.

Alle Beteiligten müssen wissen, worum es geht: So ein Desaster treibt selbst Gutmeinende dazu, sich abzuwenden von der Politik. Wenn Koalitionen so handeln, dann verlieren sie ihr Gesicht, auch ihre Würde. Sie setzen zu viel aufs Spiel, sie gefährden das ohnehin bröckelnde Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat, sie spielen ihren Feinden in die Hände. Und machen es ihnen viel zu leicht.

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