Raumfahrtprogramm für Bayern: Söder startet "Bavaria One"
2.10.2018, 17:01 UhrZwölf Tage vor der Landtagswahl beschloss sein Kabinett gestern die Raumfahrt-Strategie "Bavaria One". 700 Millionen Euro sollen in den nächsten zehn Jahren fließen, damit der Freistaat auch im Weltall präsent ist.
Söder seinerseits spottete am Dienstag in München über den Kleinmut der Kritiker. Wer immer nur auf die Schlaglöcher starre, könnte irgendwann gegen einen Baum laufen, meinte der Regierungschef und erinnerte an Franz Josef Strauß, dem bei seinem Plänen zu einem Luft- und Raumfahrtkonzern ebenfalls Unverständnis entgegen geschlagen sei. Tatsächlich habe seine Politik dem Freistaat "extremen wirtschaftlichen Nutzen" gebracht. Leider, bedauerte Söder, sei Bayern mit seinen Aktivitäten auf diesem Gebiet in den letzten Jahren "etwas ins Hintertreffen" geraten.
Einer der Schwerpunkte von "Bavaria One" ist die Entwicklung, Bau und Start eines Erdbeobachtungssatelliten namens "BayernSat" als Gemeinschaftsvorhaben von Industrie, Hochschulen und außeruniversitärer Forschung, kündigte Söder an. Noch innerhalb der nächsten Legislaturperiode des Landtags, die 2023 endet, soll "BayernSat" den Freistaat von oben betrachten und beispielsweise Daten zur Ausbringung von Dünger und Pestiziden auf landwirtschaftlichen Flächen liefern.
"Hyperloop"-Teststrecke
Der Ex-Astronaut und Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der technischen Universität München (TUM) Ulrich Walter hatte die Mitglieder des bayerischen Kabinetts auf dessen Sitzung gestern mit seiner Raumfahrtbegeisterung angesteckt. Schon bald, so Walter, könnten zum Beispiel bayerische Schüler die Kamera "ihres" Satelliten im All vom Klassenzimmer aus steuern. Der sonst ultranüchterne Finanzminister Albert Füracker (CSU) habe sich bei Walter bereits erkundigt, wann das "Beamen" die mühsamen Reisen mit dem Dienstwagen ablösen könnte, ulkte Söder.
Schneller soll es in Zukunft auf jeden Fall gehen. Bestandteil von "Bavaria One" ist jedenfalls auch eine 400 Meter lange "Hyperloop"-Teststrecke in Ottobrunn bei München. Eine TUM-Expertengruppe unter Walters Leitung hat dafür bereits ein Forschungsprojekt für diese Technologie ausgearbeitet, bei der Transportkapseln in nahezu luftleeren Röhren Personen und Güter mit bis zu Schallgeschwindigkeit und geringem Energieaufwand befördern sollen.
Aiwanger sieht in Söder "Mister Spock"
Geographischer Dreh- und Angelpunkt dieser Aktivitäten soll der Ludwig-Bölkow-Campus der TUM in Ottobrunn werden. An der Uni wurde bereits eine neue Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie gegründet. Diese Fakultät soll 132 neue Stellen erhalten, darunter 30 zusätzliche Professuren, so dass im Endausbau 50 Professoren für 2.000 Studierende zur Verfügung stehen. 30 Millionen Euro will der Freistaat pro Jahr in die neue Fakultät investieren, die dann, so Söder, die größte ihrer Art sein werde. Vernetzt werden soll die Fakultät mit dem traditionsreichen bayerischen Raumfahrtstandort Oberpfaffenhofen ebenfalls in der Nähe von München. Als "Raumfahrtkoordinator" soll Landeswirtschaftsminister Franz Josef Pschierer (CSU) "Bavaria One" vorantreiben.
Wer stets nur "Gegenwartsbetrachtung" betreibe, verzichte auf viele Optionen, warb Söder für den Hightech-Aufschlag. Wer jedoch in die Zukunft blicke, habe bessere Chancen, diese zu gestalten, zu kontrollieren und auch sicherer zu machen. Den Vorsitzenden der Freien Wähler im Landtag Hubert Aiwanger überzeugte das nicht. Das Raumfahrtprogramm müsste den Namen "Bavarian Größenwahn" statt "Bavaria One", meinte er. Bayern solle erst einmal die naheliegenden technischen Probleme wie Mobilfunklöcher und fehlendes flächendeckendes Internet lösen. Söder sehe sich offenbar "in der Rolle des Mr. Spock und ernennt seinen Wirtschaftsminister allen Ernstes zum 'Raumfahrtkoordinator'. Das ist lachhaft", so Aiwanger.
Grundsätzlich sei es richtig, den Luft- und Raumfahrt-Standort zu fördern, erklärte die SPD-Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin Natascha Kohnen. Zunächst aber sei "Bavaria one" nur eine "großspurige Ankündigung", da von den versprochenen 700 Millionen kein einziger Euro im Nachtragshaushalt stehe. Außerdem sei ihr mehr Nahverkehr und schnelles Internet auf dem Land wichtiger als ein Raumfahrtprogramm, so die SPD-Politikerin.
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