Nach Suizid von al-Bakr: "Das hätte nicht passieren dürfen"
13.10.2016, 12:35 UhrDer Tod des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in der Justizvollzugsanstalt Leipzig wirft Fragen auf. Wie konnte es passieren, dass ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter es schafft, sich in Untersuchungshaft selbst zu töten? Nach dem fehlgeschlagenen Festnahmeversuch am Samstag in Chemnitz stehen die sächsischen Sicherheitsbehörden in der Kritik - wieder einmal.
Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow hat die Vorwürfe zurückgewiesen, die Selbsttötung hätte verhindert werden können. Nach jetzigem Stand habe man alles getan, um das zu verhindern, beteuerte der CDU-Politiker in Dresden. Einen Rücktritt lehnte er ab. "Dafür gibt es keine Veranlassung im Moment", sagte Gemkow.
Der Minister sagte aber zu der Selbsttötung: "Das hätte nicht passieren dürfen. Es ist aber leider geschehen." Al-Bakr habe sich mit seinem Hemd an einem Gitter stranguliert. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt, Rolf Jacob, sprach von einem T-Shirt. Die Leiche des 22-jährigen werde noch am Donnerstag obduziert, sagte Gemkow.
Al-Bakr sei in seiner Gefängniszelle zunächst alle 15 Minuten kontrolliert worden. Am Mittwochnachmittag sei dann aber eine Expertenrunde zu dem Ergebnis gekommen, dass man die Kontrollen in einem Zeitabstand von 30 Minuten machen könne. Eine Vollzugsbeamtin habe dann um 19.45 Uhr bei einer vorzeitigen Kontrolle - bereits eine Viertelstunde nach der letzten Kontrolle - festgestellt, dass sich Al-Bakr selbst getötet habe. Die Reanimation blieb erfolglos.
Jacob erläuterte weiter, Al-Bakr habe am Dienstag eine abgerissene Deckenlampe in seiner Zelle gemeldet. "Man hat das als Vandalismus eingestuft." Im Sinne einer Suizidgefährdung sei das nicht gedeutet worden. Später sei bemerkt worden, dass auch eine Steckdose manipuliert gewesen sei.
Pflichtverteidiger sprach mit JVA-Leitung
Das Suizid-Risiko seines Mandanten sei bekannt gewesen, sagt der Dresdner Pflichtverteidiger des Syrers, Alexander Hübner, Focus-Online. Er habe noch am Nachmittag mit dem JVA-Leiter telefoniert, sagte Al-Bakrs Anwalt Hübner. Dabei habe dieser ihm versichert, dass sein Mandant ständig beobachtet werde.
Noch kurz vor der Todesmeldung war bekanntgeworden, dass der 22-Jährige seine syrischen Landsleute, die ihn in der Nacht zum Montag überwältigt und der Polizei übergeben hatten, schwer belastet habe. Sie seien keine Helden, sondern Mitwisser, soll er nach Angaben von Ermittlern in den Vernehmungen gesagt haben.
Inwieweit dies ernst zu nehmen ist, blieb freilich im Dunkeln. Aus Karlsruhe, wo die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen führt, gab es dazu keine Antwort. Auch nicht auf die Frage, ob die auch von Politikern bereits gefeierten und für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagenen Syrer mittlerweile nicht mehr nur als Zeugen, sondern womöglich als Verdächtige behandelt würden. Festnahmen habe es keine gegeben, sagt ein Sprecher lediglich.
#ständigüberwacht
Mit dem Tod Al-Bakrs geht dem Generalbundesanwalt bei den Terror-Ermittlungen der Hauptbeschuldigte verloren. Gegen Tote kann nicht ermittelt werden. Das Verfahren geht dennoch weiter. Denn der Mieter der Chemnitzer Wohnung, in der Al-Bakr seine Anschlagsvorbereitungen auf einen Berliner Flughafen laut Verfassungsschutz getroffen haben soll und in der die Polizei am Samstag 1,5 Kilogramm des hochgefährlichen Sprengstoffs TATP gefunden hatte, sitzt als mutmaßlicher Komplize nach wie vor in U-Haft.
Es gab Zeiten, da hat die Überwachung in Sachsen besser geklappt. #Albakr
— extra3 (@extra3) 12. Oktober 2016
Im Netz wurde derweil um den Tod Al-Bakrs fleißig spekuliert - und es gab Spott und Hähme. "wie? #Sachsen #Albakr #ständigüberwacht", twitterte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast. "Es gab Zeiten, da hat die Überwachung in Sachsen besser geklappt", ließ das NDR-Satiremagazin Extra 3 in dem Kurznachrichtendienst wissen.
Und auch der Mitgründer der fremden- und islamfeindlichen Dresdner Pegida-Bündnisses meldete sich prompt zu Wort: "Ups... wie unerwartet... hab vor wenigen Stunden 500 drauf gesetzt, dass genau das passiert!", schrieb Lutz Bachmann bei Facebook.
Dieser Artikel wurde am Donnerstag um 12.35 Uhr aktualisiert.
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