Trump-Fans im Internet: Messias für die Trolle dieser Welt
1.2.2017, 10:31 UhrDer Wahnsinn lauert einfach überall. "Er sagt was er denkt und lügt sein [sic!] Volk nicht ins Gesicht wie so manche andere Regierung", schreibt ein Facebook-Nutzer Ende Januar unter ein Posting der Nürnberger Nachrichten. Ähnliche (und teilweise deutlich drastischere) Meinungen findet man derzeit zuhauf in Kommentarspalten, auf Facebook - und manchmal auch im Cafe, wo der Autor vor einigen Monaten fassungslos und unfreiwillig der Lobrede einer Mittfünfzigerin auf Donald Trump lauschen musste. Er sei endlich mal wieder ein toller Politiker, konstatierte sie, denn "der sagt wenigstens die Wahrheit".
Das Projekt Politifact.com hat die Aussagen sämtlicher Präsidentschaftskandidaten seit 2007 auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht: Beim Verbreiten von kompletten Unwahrheiten ist Donald Trump Spitzenreiter - von Statements, die sich als haarsträubende Lügen herausgestellt haben (17 Prozent) ganz zu schweigen.
Wie um alles in der Welt schafft es ein solcher Mann, zur leuchtenden Ikone der selbsternannten kritischen Bürger zu werden? Ein Mann, der seinen Sprecher schon wegen solcher Nichtigkeiten wie der Anzahl der Zuschauer bei seiner Amtseinführung Unwahrheiten verbreiten und diese dann im Nachhinein durch seine Beraterin als "alternative Fakten" bezeichnen lässt?
"Ich finde es Weltklasse!"
Bohrt man ein wenig nach, wie beim eingangs zitierten Userkommentar geschehen, stößt man meistens nicht auf sonderlich viel Widerstand. "Recht habt ihr", antwortet der angesprochene Nutzer lakonisch, nachdem ihn einige andere User mit diversen konkreten Unwahrheiten Trumps konfrontieren. Argumente? Überbewertet. Einsicht? Fehlanzeige. Oder geht es vielleicht ohnehin um etwas ganz anderes?
"Trump ist ein Mann! Sowas gibt es heute nicht mehr! Das macht den ganzen verweichlichten Mainstream Junkies natürlich Angst! Ich dagegen finde es WELTKLASSE!" schrieb ein Nutzer auf nordbayern.de unter einen Kommentar von NN-Politikredakteur Armin Jelenik. Und plötzlich ergibt wieder alles einen Sinn. Es geht nicht um Wahrheit oder Unwahrheit. Eigentlich geht es nicht einmal wirklich um Trump. Sondern um Rache.
Endlich zeigt mal jemand "denen da oben", wo der Hammer hängt. Ein Messias für die Trolle dieser Welt. Jemand, der erst redet und dann denkt - oder auf letzteres auch einfach verzichtet. Jemand, der nicht zum Establishment gehört (was genau machte Trump vor seiner politischen Karriere noch einmal beruflich? Ach, wen interessieren schon Fakten). Ein politischer Anarchist, an dem sich die Etablierten die Zähne ausbeißen, der die bestehenden politischen Strukturen einfach sprengt. Ohne Rücksicht auf Verluste und Kollateralschäden.
Gestern Putin, heute Trump: In ihrem Hass auf das System sind die vermeintlich Abgehängten nicht wählerisch, wenn es um die Auswahl von Heilsbringern geht, denn letztlich sind sie ohnehin nur vermeintliche Superhelden-Figuren zur Kompensation der eigenen gefühlten Machtlosigkeit. Jemand lügt wie gedruckt? Egal, Hauptsache, es passiert endlich mal was außerhalb der kuschelig blau-braunen Filterblase aus Kopp-Verlag und AfD.
Angesichts der Tatsache, dass in diesem Jahr ein neuer Bundestag gewählt wird, ist das der Stoff, aus dem die politischen Albträume sind.
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