Wer im Stahlhaus sitzt, hat’s gemütlich
21.9.2011, 11:06 UhrDie Geschichte der MAN-Stahlhäuser reicht weit zurück, sie wurden aus der Not geboren im wahrsten Sinne. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Deutschland in Trümmern, Wohnraum war ein knappes Gut. Häuser mussten her, und zwar möglichst schnell. Die Motorenwerke Augsburg- Nürnberg (MAN) reagierten und stellten 1946 eine Innovation vor: das Stahlhaus. Schnell aufbaubar, schnell abbaubar, leicht zu transportieren. Strom, Wasser, Einbauküche, alles mit drin – eine scheinbar Erfolg versprechende Idee angesichts unzähliger Haushalte, die im Krieg alles verloren hatten.
Für das deutsche Gemüt
Der flache Prototyp von 1946, der jetzt im Freilandmuseum in Bad Windsheim steht, wurde rasch weiterentwickelt. Die Planer bei MAN legten sich ins Zeug: Satteldach, Lochfassade, mit Klappladen verdeckte Sprossenfenster – die Häuser waren „ganz schlicht, aber anheimelnd und bei aller Sachlichkeit etwas für das deutsche Gemüt“, so Architekt Hans Schneider in einem Gutachten für die MAN 1949.
Doch das Stahlhaus floppte. Nur 230 Stück gingen vom Band, 1953 wurde die Produktion eingestellt. Für Brigitte Weih aus Nürnberg ist das bis heute unverständlich: „Mich wundert's wirklich, dass sich das nicht durchgesetzt hat.“ Familie Weih lebt schon in dritter Generation in ihrem Stahlhaus in Laufamholz, einem Stadtteil im Osten Nürnbergs nahe der Pegnitz – und alle fühlen sich dort wohl.
Der Großvater hat das Stahlhaus gekauft, mit einem schönen Grundstück hinunter zum Wiesengrund. Vor einigen Jahren ist Enkel Alexander mit seiner Frau Monica eingezogen und saniert es Stück für Stück in Eigenregie. „Ich bau’ gerne, ich bau’ viel. Und hier hab’ ich immer was zu tun“, sagt Alexander Weih und grinst.
Der Zahnarzt aus Buchenbühl hat den weißen Kittel gegen einen Blaumann getauscht, wie so oft am Wochenende. Er zeigt auf die Wand neben dem gemütlichen Ofen im Wohnzimmer: „Sehen Sie! Die Wand da schraub’ ich ab. Hier soll mehr Licht rein.“ Der Vorteil eines Stahlhauses liegt für Alexander Weih auf der Hand: „Das ist wie ein Legohaus. Man kann die Innenwände umbauen, wie man will.“
Die Fassade rostet
Die Grundkonstruktion eines Stahlhauses ist tatsächlich simpel. Die vier Außenwandmodule aus Stahl werden aneinandergeschraubt wie ein Schuhkarton, innen sind Hartfaserplatten auf einen Holzrahmen geschraubt, dazwischen kommt die Isolierung. Wie bei fast allen Fertighäusern liegen die Rohre und Elektrokabel in den Hohlräumen der Innenwände. Auch die Dachkonstruktion ist aus Stahl, statt schwerer Ziegel liegen bei Familie Weih leichte Kunststoffplatten auf.
Was dem Stahlhaus allerdings zu schaffen macht, ist Feuchtigkeit. „Wir haben entdeckt, dass die Fassade rostet, das ist wie bei einem alten Auto“, erklärt Alexander Weih. Also ab auf den Schrottplatz? Keineswegs. Nach vielen Telefonaten war eine Firma gefunden, die mit schwerem Gerät anrückte, einem großen Sandstrahlgebläse. Familie Weih musste für drei Wochen alle Fenster und Türen verrammeln und besorgte dann den denkbar besten Schutz für die im Wortsinn angefressenen Außenwände: Schiffslack. Der hält die Hauswände nun wunderbar trocken – und das im Idealfall noch einige Jahrzehnte. „Toi, toi, toi“, raunt Mutter Weih, „die nächste Rostkur erleben wir hoffentlich nicht mehr'.
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