Erste Bilanz im VAG-Streik: Chaos bleibt bisher aus
14.6.2018, 16:40 UhrAn Nürnbergs Haltestellen wurde es heute eng - allerdings nicht so eng, wie befürchtet. Die Gewerkschaft Verdi machte im Tarifstreit ernst und rief Mitarbeiter der Nürnberger Verkehrsbetriebe zum Streik auf. "Es ist in jedem Fall mit Engpässen und Überlastungen zu rechnen", warnte VAG-Betriebsleiter Andreas May im Vorfeld.
Fazit ist bislang: Das große Chaos blieb laut VAG-Pressesprecherin Elisabeth Seitzinger aus. Der Warnstreik hatte in erster Linie den Bus- und noch mehr den Straßenbahnbetrieb getroffen.
Im Busbereich waren rund 60 Fahrzeuge im Einsatz - das entspricht nicht einmal der Hälfte der vorhandenen Fahrer und Fahrzeuge. Die Ausfälle waren nicht gleichmäßig auf die Linien verteilt, da eine Umstrukturierung zu mehr Verzögerungen geführt hätten, wenn um 8 Uhr der reguläre Fahrbetrieb wieder aufgenommen wird.
Bei den Straßenbahnen sah es noch mauer aus: Hier fuhr offiziell gar nichts. Im Endeffekt waren nur drei Bahnen auf drei Linien unterwegs - normalerweise sind es gut über 20.
Die U2 und die U3 fuhren hingegen regelmäßig im Fünf-Minuten-Takt, auf der Stammstrecke beider Linien zwischen Rothenburger Straße und Rathenauplatz kamen die Züge sogar alle 2,5 Minuten. Die U-Bahnen dieser Linien werden automatisch gesteuert. Auf der wiederum von Fahrern gesteuerten U1 (Langwasser Süd – Fürth Hardhöhe) wurde immerhin ein zehn-Minuten-Takt eingehalten, der hin und wieder auch noch durch zusätzliche Züge verdichtet wurde.
Innerbetriebliches Chaos sollte gestiftet werden
Bei dem Streik gehe es darum, "vornehmlich innerbetrieblich Chaos zu stiften", sagte Stefan Wolf von der Gewerkschaft Verdi. Der Streik hatte um 4 Uhr mit Betriebsbeginn bei der VAG begonnen und endete um 8 Uhr.
"Wir können leider nicht abschätzen, wie viele Mitarbeiter den Dienst antreten", sagte VAG-Vorstandsmitglied Karl-Heinz Pöverlein im Vorfeld. "Unser Ziel ist es aber, so viele Fahrzeuge fahren zu lassen, wie möglich." Dafür wurden auch private Busunternehmen angeheuert . Gut 30 Prozent aller Fahrten könne man so kompensieren, schätzt das Unternehmen.
Probleme auch in Fürth und Erlangen
Verdi schätzt die Zahl der Streikenden in Nürnberg auf etwa 400 bis 600. Zwischen 9 und 13 Uhr folgt dann eine weitere Aktion in den Werkstätten und der Verwaltung der VAG, von der Bahnfahrer allerdings nichts mitbekommen werden.
Der Streik dürfte über die Grenzen Nürnbergs zu spüren sein, auch wenn Verdi die Verkehrsbetriebe dort nicht direkt aufgerufen hat. Die Erlanger Stadtwerke etwa rechneten damit, dass es bis 13 Uhr zu Problemen auch im innerstädtischen Busverkehr kommen dürfte. "Betroffen sind nach aktuellen Erkenntnissen insbesondere die Linien 20, 30, 280, 281, 283-287, 289, 290, 293-296", heißt es in einer Pressemitteilung.
Auch die Fürther Infra warnte vor Engpässen. Wegen der kurzfristigen Streik-Ankündigung habe man keinen Notfall-Fahrplan mehr einrichten können. "Wir empfehlen für die Wege mehr Zeit als gewöhnlich einzuplanen oder, wenn möglich, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen", hieß es in einer Pressemitteilung. Das Kundencenter am Hauptbahnhof blieb normal geöffnet, doch auch dort erwartete man lange Wartezeiten.
"Blockadehaltung der Arbeitgeber"
Der Tarifstreit in Bayerns Nahverkehrsbetrieben schwelt seit Wochen. Der Kommunale Arbeitgeberverband hat für die 6300 Beschäftigten 7,5 Prozent mehr Einkommen bei 30 Monaten Laufzeit angeboten. Verdi fordert sieben Prozent für zwölf Monate Laufzeit sowie mehr Freizeit. Die Gewerkschaft spricht von einer Blockadehaltung der Arbeitgeber. "Sie sind dabei, die historische Chance für die Stärkung des Nahverkehrs zu verschlafen", sagt ein Verhandlungsführer.
Die dritte Verhandlungsrunde ist heute in Nürnberg angesetzt, auch deshalb nimmt Verdi jetzt Mittelfranken ins Visier. Auch eine kleine Kundgebung ist gegen 10 Uhr in der Südlichen Fürther Straße vor dem Gebäude geplant, in dem verhandelt wird.
Die VAG selbst ärgert sich über das Vorgehen von Verdi. "Wir haben ein sehr gutes Angebot in der Höhe des diesjährigen Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst vorgelegt", sagt Vorstandsmitglied Karl-Heinz Pöverlein. Die Gewerkschaft habe bei ihren Forderungen jegliches Augenmaß verloren. "Die Situation der Kommunen und der kommunalen Verkehrsunternehmen ist finanziell angespannt. Es gibt keine Spielräume über das sehr gute Angebot hinaus."
Bereits am Donnerstag stand in München der Nahverkehr still. U-Bahnen, Busse und die Tram verkehrten nur mit starken Einschränkungen, Hunderttausende Münchner steckten im Berufsverkehr. Parallel legten auch Mitarbeiter in Schweinfurt ihre Arbeit nieder - dort nahm Verdi hauptsächlich den Busverkehr ins Visier.
Aktuelle Informationen bietet die VAG auf ihrer Homepage. "Die Fahrplanauskunft im Netz gibt die aktuelle Situation genauso wenig wieder wie die Anzeigentafeln an den Bahnhöfen und in den Fahrzeugen", warnt der Verkehrsbetrieb.
Der Artikel wurde am 15.6 um 8.23 Uhr aktualisiert.
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