Coburg kämpft kreativ gegen den demographischen Wandel
9.11.2016, 06:00 UhrEs sind zwar nur nackte Zahlen, sie besitzen aber Sprengkraft. Hatte der Landkreis Coburg Ende des Jahres 2014 noch 86.715 Einwohner, werden es in 20 Jahren nur noch 80.100 sein. Bis zum Jahr 2034 verschwindet damit die Bevölkerung einer Kleinstadt. Wer zurück bleibt: hauptsächlich ältere Menschen. Gleichzeitig finden Hausärzte auf dem Land immer schwieriger Nachwuchs. Praxen schließen. Kleine Dorfläden können mit der Konkurrenz der großen Supermärkte in den Städten nicht mehr mithalten und verschwinden aus dem Ortsbild. Zurück bleiben verwaiste Landstriche in der Region. Wer auf dem Land nicht mobil ist, hat schlechte Karten.
Der Landkreis Coburg hat darauf reagiert. "Wir dürfen nicht in die Zukunft hineinleben, sondern müssen uns frühzeitig aufstellen", sagt Martina Berger, Sozialreferentin des Landratsamtes. Deshalb nimmt der Kreis am bundesweiten Aktionsprogramm "Regionale Daseinsvorsorge" teil.
Ins Leben gerufen hat dieses Programm das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Jahr 2011. Bund und Länder finanzieren anteilig die Projekte der Kommunen in den 21 Modellregionen.
Ein Projekt in Coburg, das von der staatlichen Finanzspritze profitiert, ist ein Hol- und Bringdienst. Mit ihm kommen insbesondere ältere und nicht-mobile Bürger im Kreis leichter zur Bereitschaftspraxis. Sie ist am Klinikum der Stadt angesiedelt. Über eine Notrufnummer wird der Patient mit einem Taxiunternehmen verbunden. Die Fahrt kostet einfach pauschal fünf Euro. "Seit wir den Dienst offensiv in Bussen beworben haben, ist die Zahl der Nutzer deutlich gestiegen", sagt Martina Berger.
Bei einem weiteren Projekt sollen Alt und Jung „Zusammen Leben“ — so heißt die Aktion, ein alternatives Wohnkonzept, das nichts mit Pflege gemein hat. Dafür sucht der Landkreis Patenfamilien, die Senioren in ihrem Zuhause aufnehmen und ihnen beim Einkauf helfen, während das neue Familienmitglied mal bei der Kinderbetreuung einspringt. Eine Handvoll Familien nimmt an dem Projekt teil.
Doch lässt sich mit all den Initiativen dem Exodus im ländlichen Raum begegnen? „Es sind kleine Bausteine, die die dörfliche Gemeinschaft intakt halten und eine Atmosphäre schaffen, sich gegenseitig zu helfen“, sagt Marc Redepenning, Professor der Geographie an der Universität Bamberg und Geschäftsführer des Instituts für Entwicklungsforschung im Ländlichen Raum Ober- und Mittelfranken. Die Lebensqualität, so das Credo, soll sich im Schulterschluss der Generationen für den Einzelnen verbessern.
Bei einer Gesprächsrunde des Instituts stellt Berger das Coburger Modell demnächst vor. Ob es anderen Gemeinden hilft, den Wandel zu gestalten, zeigt die Zukunft.
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