Doppelmord in Schnaittach: Ex-Partner packen aus

20.3.2019, 19:30 Uhr

Seit 19. Februar sitzt Ingo P. (26) vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth und schweigt, doch die Beweise lasten schwer auf ihm: Am 22. Januar 2018, 12.46 Uhr, barg die Polizei die Leichen seiner Eltern Peter (70) und Elfriede (66), in den Mündern der einbetonierten Toten steckten Müllsäcke, ihre Leiber waren in Folie gewickelt, über die Köpfe Plastiktüten gestülpt - später wies ein Daktyloskop des Landeskriminalamtes an einem Klebeband Fingerabdrücke von Ingo P. nach, allein dieses Indiz macht es schwer, vernünftige Zweifel an seiner Schuld zu hegen.

Er soll seine Mutter im Bett liegend mit mindestens 15 Schlägen totgeprügelt und den Vater, so belegen Blutspuren, durch die halbe Wohnung gejagt haben - die Identifizierung von Elfriede P. war später nur mit Hilfe einer DNA-Bestimmung möglich, ihr Kopf war nicht mehr erkennbar, erläuterte kürzlich ein Rechtsmediziner. Woher kam nur diese Wut?

Ingo P. - ein hochintelligenter Eigenbrötler?

Die Ergebnisse der Obduktion zu hören, war schwer zu ertragen, schrieb Ingo P. an Stephanie, erneut wurde ein Liebesbrief, den er ihr in die Zelle schickte, beschlagnahmt und im Gerichtssaal verlesen. "Kaltherzig" hätten die Mediziner über den Zustand der Leichen gesprochen, meint Ingo, er hätte seine Eltern lieber lebendig in Erinnerung behalten.

Ingo P., so formulieren es Ex-Kollegen, sei hochintelligent - aber er sei eben auch ein Eigenbrötler, der im Team nicht zurechtkam. Zeitweise landete er auf einer Liste für angehende Führungskräfte, doch rasch wurde in der Chefetage Ingo P.s Name wieder gestrichen, er wirkte egozentrisch und nur auf seinen Vorteil bedacht, galt als empathielos und gefühlskalt, zu Kompromissen nicht bereit, zu sozialer Anpassung nicht in der Lage. Als ein Teamleiter zum Abendessen lud, soll Ingo - angeblich aus Geiz - Weinglas um Weinglas geleert haben, betrunken klopfte er frauenfeindliche Sprüche.

Seine Sucht nach Aufmerksamkeit und Anerkennung muss enorm gewesen sein: Mehrere der früheren Kollegen schildern, wie er sich auf der Dachterrasse der Firma inszenierte - dort trafen sich die Mitarbeiter zu Rauchpausen und Ingo P. erschien mit einem Koffer, gefüllt mit einem ganzen Sortiment an Pfeifen. Lautstark erzählte er, wie er die Solaranlage der Eltern so manipuliert habe, dass auch der verbrauchte Strom im Netz als Guthaben verbucht wurde. Er prahlte mit Finanzanlagen und irgendwann entdeckte er seine Vorliebe für Chillies, er brachte einen Berg der schärfsten Schoten mit, die es überhaupt gab.

Ex-Freundin packt aus

"Er merkte nicht einmal, wie die Leute hinter seinem Rücken über seine Angeberei die Augen verdrehten", erinnert sich eine Zeugin. Schon als Azubi habe er an seinem Idealbild von sich selbst gezimmert und anderen seinen Lebensentwurf geschildert: Kinder und Karriere, bis zu seinem 30. Geburtstag sollte hinter diesen Punkten ein Haken sein. Der junge Mann, der in der Schule als "dicker Ingo" gehänselt wurde und keine Freunde hatte, sprach von Heirat und einer großen Hochzeitsfeier – bevor er eine Freundin hatte. Einer seiner Partnerinnen gestand er angeblich, zeugungsunfähig zu sein; für ihre spätere Schwangerschaft - und seine Wunschfassade - sollte ein Fremder sorgen.

"Ich war froh, als die Beziehung mit ihm vorbei war", sagt eine Arzthelferin (24) im Zeugenstand; zweieinhalb Jahre war sie mit ihm zusammen, im Dezember 2016 zog er einen Schlussstrich - ihr warf er an den Kopf, sie sei ihm zu dick, gegenüber einigen Kollegen behauptete er, seine Mutter habe die Frau abgelehnt und außerdem habe sie auf seine Kosten gelebt.

Ingo P. schweigt weiter

Die Frau selbst weist beides von sich und beschreibt eine Beziehung, in der eigene Bedürfnisse nicht zählten. Anfangs sei Ingo freundlich und zuvorkommend aufgetreten, doch als sie nach Schnaittach in sein Elternhaus zog, achtete er nur noch auf sich. Sie durfte weder Freunde noch ihre Familie einladen, Gäste seien nur teuer, meinte Ingo. Der Vater sei sein Vorbild gewesen, Mutter Elfriede, die ihn noch als Jugendlichen rund um die Uhr wie eine Glucke verhätschelt haben soll, verachtete er. Er habe die Mutter sogar einmal geschlagen und immer wieder als "dumme Sau" beleidigt, so die Ex-Freundin - und das volle Verwöhnprogramm forderte er angeblich von ihr: Sie sollte für Sex sorgen, ordentlich putzen und außerdem abspecken. Täglich musste sie vor ihm auf die Waage treten - wenn sie eine passable Figur hätte, würde er sie heiraten.

Seine Defizite seien Ingo bewusst, ist die Zeugin überzeugt. Er habe sie, meist war er betrunken, geschlagen und bedroht, einmal auch stundenlang im WC eingesperrt und eine Zigarette auf ihrer Hand ausgedrückt. Er drohte, ihren Eltern etwas anzutun. Später wollte oder konnte er sich an diese Ausbrüche nicht erinnern. Dabei nannte er sich selbst ein "soziales Arschloch", erkannte, dass er mit etwas sozialer Kompetenz im Beruf längst weiter wäre - doch statt sich um mehr Teamfähigkeit zu bemühen, klaute er Pfeffer- und Salzfässchen und USB-Sticks. Regeln, so wirkt es, gelten für ihn nicht - und schuld sind immer nur die anderen. Im Strafverfahren schweigt er noch immer, doch deutet er seine Macht an. In seinem letzten Liebesbrief teilt er Stephanie mit: "Wenn ich die Wahrheit sage, werde ich dich belasten."

Staatsanwalt: Stephanie P. als treibende Kraft

Staatsanwalt Stefan Rackelmann hält Stephanie P. für die treibende Kraft hinter der entsetzlichen Bluttat - auch wenn die junge Frau, eine gelernte Kinderpflegerin, zum Tatzeitpunkt bei ihren Eltern in Burgthann nächtigte.

Sie bestreitet jede Beteiligung, gar Anstiftung und wähnt sich als Opfer: Ingo habe sie nach den Morden unter Druck gesetzt, sie gezwungen, die Wohnung vom Blut zu reinigen und bei der Renovierung zu helfen. Sie beschreibt Ingo als eiskalten Elternmörder, schildert - wie Ingos Ex-Freundin - körperliche Übergriffe und behauptet, er habe gedroht, sie und ihre Eltern zu töten, wenn sie ihn nicht decken würde.

Anfang Januar 2018, so bestätigt ihr Hausarzt, kam sie wegen einer geprellten Schulter, Kopfschmerzen und Schwindel. Sie sei auf der Treppe ausgerutscht und gestürzt, sagte sie dem Doktor. Ingo P., damals bereits ihr Ehemann, saß auch in der Praxis.

Stephanie P. belog ihre Familie ständig

Auch als sie am 22. Januar 2018 in die U-Haft kam, erzählte sie den anderen Frauen in der Haftanstalt von einem Ehemann, der sie furchtbar unter Druck gesetzt hatte und sie körperlich und psychisch fertigmachte. "Mindestens 100-mal am Tag sagte sie, dass sie unschuldig sei", erinnert sich eine damalige Mitgefangene im Zeugenstand, selbst die Hochzeit, 15 Tage nach dem Mord an den Eltern, soll nicht ganz freiwillig gewesen sein. "Ich habe ihr nicht geglaubt", so die Zeugin. Stephanie habe regelrecht Hof gehalten und jeden Tag ihre Geschichten erzählt, doch gab dabei angeblich ständig unterschiedliche Versionen zum Besten.

Stephanie P. ist auf ihren Vorteil bedacht, sie belog ihre Familie ständig, dies belegen abgehörte Telefonate mit ihre Oma. Mit ihren Eltern stritt sie um offene Rechnungen und Krankfeiern am Arbeitsplatz. Und während sie ihrem Vater und ihrer Mutter vorgaukelte, dass ihr Handy "spinnt" und sie deshalb nicht erreichbar sei, forderte sie Ingo auf, das Telefon nicht abzuheben und ihren Eltern die Haustür nicht zu öffnen.


Die Verdächtigen googelten, wie man Blut beseitigt


Auch eine frühere Freundin gibt an, dass sie die Freundschaft mit Steffi aufgegeben habe - denn diese sei zu "vorlaut" und "zu dominant" gewesen, dazu zickig, verlogen und nie um eine Ausrede verlegen. Dass Steffi sich in der Beziehung von Ingo habe "unterbuttern" lassen, könne sie sich kaum vorstellen.

Sympathie-Punkte macht Stephanie P. nicht - doch könnte sie, die so unbeholfen wirkt, dass bei einem Vorstellungsgespräch in einem integrativen Kindergarten der Eindruck entstand, dass sie selbst geistig eingeschränkt ist, tatsächlich einen Mann zum Mord an seinen Eltern bringen?

Als Michael S. (27), ein früherer Freund von Stephanie P., über die Beziehung berichtet, könnte man wieder die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören, so mucksmäuschenstill wird es im Saal. Er schildert ein On-Off-Drama, eine Freundschaft, die ständig beendet und wieder aufgenommen wurde - Stephanie P. habe ständig mit anderen Männern geflirtet, und sei, als sie eine Fehlgeburt erleiden musste, monatelang zu Hause geblieben. Als seine Schwester dies thematisierte, war die Beziehung nur noch "eine Katastrophe". Die Schwester sei Steffi "ein Dorn im Auge" gewesen, ständig habe sie gegen die Schwester gehetzt, geäußert, dass sie der Beziehung im Weg stehe. Sie mochte mit der Schwester nicht mehr an einem Tisch sitzen, und äußerte sogar schriftlich, es wäre besser, sie wäre tot.