Altersarmut in Erlangen: Immer mehr Senioren in Not

29.12.2016, 06:00 Uhr
Altersarmut in Erlangen: Immer mehr Senioren in Not

© dpa

Wer an gut betuchte Siemens-Rentner oder Universitäts-Pensionäre in Erlangen denkt, liegt nicht ganz falsch - aber auch nicht ganz richtig. Denn neben den Senioren, die im Alter ein (relativ) gutes Einkommen haben und/oder im Ruhestand aus rein persönlichem Interesse noch berufstätig sind, gibt es doch auch jene, die von einer winzigen Rente leben müssen.

"Der in Erlangen gerne vermutete Anteil von Menschen mit einer sicheren und ausreichenden Rente, die aus persönlichen Gründen einen Mini-Job haben, kann über die Zunahme der Altersarmut auch in Erlangen nicht hinwegtäuschen", erläutert daher auch der Kreisvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für Erlangen und Erlangen-Höchstadt, Wolfgang Niclas, im Gespräch mit dieser Zeitung.

So lag im vergangenen März in Erlangen die Zahl der über 65-Jährigen, die entweder ausschließlich oder im Nebenverdienst als Minijobber beschäftigt waren, bei über 1100, im Landkreis waren es sogar mehr als 1500 Personen. "Damit ist beinahe jeder zehnte Minijobber älter als 65 Jahre", betont Niclas.

Rentner sammeln Pfand

Von 2005 bis 2013 stieg gleichzeitig der Anteil der Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen in Erlangen um mehr als 30 Prozent. Für die Zahlen hat die Gewerkschaft aktuelle Berichte der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) regional ausgewertet.

Schon heute, sagt Niclas, könne man die wachsende Altersarmut sehen, wenn man "wachen Blickes" durch die Stadt laufe: "Dann kann man ältere Frauen und Männer beobachten, die für das Pfandgeld Plastik- und Glasflaschen aus Mülleimern ziehen." Gerade in Erlangen versuchten viele Senioren ihre Bedürftigkeit aus Scham zu verbergen, erläutert der DGB-Chef, "aber wer in sozialen Einrichtungen oder bei der Tafel, die Lebensmittelspenden abgibt, nachfragt, erfährt die Realität."

Und die Zahl armer Senioren werde zunehmen, sagt er. Denn jene geringfügig Beschäftigten, die bereits während ihrer Berufstätigkeit am Existenzminimum lebten, hätten dann im Alter entsprechend weniger: "Diese Menschen kommen doppelt zu kurz."

Negative Zukunftsprognose

Ein Absinken des Rentenniveaus auf unter 42 Prozent, atypische Beschäftigung, sinkende Tarifbindung und damit schlechte Entlohnung und niedrige Zinsen verschärften das Problem. "Ein würdiges Leben im Alter mit einer sicheren Rente ist für viele Menschen ein Wunschtraum, der sich auch in Erlangen und im Landkreis in Zukunft für immer weniger Menschen erfüllen wird", sagt Niclas.

Dieser Entwicklung will der DGB entgegenwirken - und fordert mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl 2017 gravierende Veränderungen in der Rentenpolitik. Die Rente mit 67 und das Absinken des Rentenniveaus auf 42 Prozent seien einer sozialen Marktwirtschaft unwürdig, kritisiert der DGB-Kreisvorsitzende.

Daher fordere die Gewerkschaft ein Rentenkonzept, das "auskömmliche Bezüge und eine faire Lastenverteilung" sichern könne.Denn eines ist für Niclas klar: "Wir können nicht zulassen, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, im Alter auf Hinzuverdienste angewiesen sind - die Politik darf ihre Augen vor der ansteigenden Altersarmut nicht verschließen".

24 Kommentare