Bürgerversammlung zum Vorhaben Erlangen West III
26.7.2018, 11:30 UhrAußen heiß, innen hitzig: Das Reizthema "West III" mobilisiert die Bürger. Die 400 Stühle in der Turnhalle der Mönauschule waren rasch besetzt. Mehr und mehr Leute strömten herein, legten sich kurzerhand Turnmatten zurecht oder sicherten sich einen Stehplatz entlang der hölzernen Seitenwände und fächerten sich Luft zu. Von Beginn an herrschte ein schweißtreibend-gespanntes Klima bei der außerordentlichen Bürgerversammlung zur geplanten Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Stadtwesten.
Ein "Gefecht" stand zu erwarten. Um vorab wohl schon etwas Hitze herauszunehmen, entschuldigte sich OB Florian Janik bei den Bürgern für den falschen Eindruck, der bislang in dieser Sache entstanden sei und bei den Menschen zuweilen auch ein "Gefühl der Machtlosigkeit" ausgelöst habe. "Es tut uns leid."
In seinem Überblick über den Stand der Dinge schilderte Janik Erlangen als attraktive Stadt, die sich in nahezu allen Bereichen gut entwickelt, in der viele Menschen leben und arbeiten möchten. Auch in Zukunft. Und Janik sei sich "ziemlich sicher, dass das so weiter geht." Damit einher geht schließlich jener "Wohnraumbedarf", den eine entsprechende Prognose bescheinigt. Jedenfalls von Verwaltungsseite aus. Denn jener "Bedarf" ist einer der härteren Knackpunkte am "West III"-Vorhaben.
Auf dem anvisierten Entwicklungsgebiet südlich der Bimbach, das 196 Hektar umfasst und derzeit überwiegend landwirtschaftlich genutzt wird, könnten in den nächsten Jahrzehnten nach und nach zwischen 4500 und 5000 Wohnungen entstehen – Platz für 10 000 bis 12 000 Menschen, so die Stadtoberen. Genau dieser "Bedarf", der auf Prognosen ruht, wird von etlichen Kritikern mehr als heftig angezweifelt. Eine Prognose ist eben nur eine Prognose und "kann durchaus von der Realität überholt werden", räumte OB Janik ein. "Sicher ist sie nicht, aber ziemlich wahrscheinlich".
Das sehen andere nicht so. Viel Zweifel und mitunter auch spürbare Wut in den Wortmeldungen, die jene Prognose durchaus hart attackierten und dafür lautstarken Beifall ernteten. Aus der Vergangenheit eine Prognose für die Zukunft abzuleiten, gehe gar nicht, so der Tenor. Dementsprechend der Antrag von Peter Rath, Sprecher der neuen Bürgerinitiative "Heimat ERhalten". Da es derzeit keine nachvollziehbare und belastbare Begründung der Stadt für die "Bedarfsvermutung" in Sachen Bevölkerungszuwachs gebe, vielmehr statistische Zahlen kursieren, die bis 2035 sogar von einem geringen Bevölkerungsrückgang ausgehen, soll nun der Stadtrat die Verwaltung beauftragen, eine "aktualisierte Bevölkerungs- und Wohnraumbedarfsplanung für die Gesamtstadt für die Jahre bis 2040 zeitlich vor einem Beschluss über die Einleitung einer SEM in Büchenbach zu erstellen." Unter tosendem Jubel und Beifall nahmen die Bürgerinnen und Bürger diesen Antrag fast einstimmig an. "Sie haben Recht. Es ist wichtig im Vorfeld eine genaue und ordentliche Analyse zu erstellen. Das ist ein unbedingtes Muss, das wir sowieso im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen machen müssen", so OB Janik.
Ist die Rede von Flächen, ist man schnell bei Gewerbegebieten. Und damit bei noch mehr Arbeitsplätzen und somit wiederum beim zusätzlichen Bedarf an Wohnungen. Der Vermutung, dass die Stadt Gewerbegebiete ausweise und damit auswärtige Firmen anlocken möchte, trat Wirtschaftsreferent Konrad Beugel strikt entgegen. Denn: "Ziel ist es, dass die Firmen, die hier sind, sich gut entwickeln können und eine Perspektive haben." Dass man irgendwann mal bei 120 000 oder 130 000 Arbeitsplätzen ankommt, "ist nicht unser Ziel". Allein die Infrastruktur würde das gar nicht verkraften, so Beugel.
Aber apropos "Perspektive": "Welche Perspektive zeigen Sie den Landwirten auf, die ihren Beruf weiter ausüben wollen. Welche Perspektive haben die Jungbauern, haben unsere Söhne?", tönte ein Landwirt sichtlich erbost in Richtung Podium. Die Antwort von Baureferent Josef Weber, dass die Stadt "auch landwirtschaftliche Flächen anbietet bzw. Austauschflächen", ging im ablehnenden Getöse weitgehend unter.
Die Einleitung "vorbereitender Untersuchungen für die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme West III" wurde im Mai von der rot-grün-gelben Stadtratsmehrheit beschlossen. Dass dies aber nicht automatisch bedeute, dass späterhin dann auch eine solche Entwicklungsmaßnahme verwirklicht wird, versuchte OB Janik den Bürgern wortreich deutlich zu machen.
Doch da herrschte einiges an Skepsis in der Halle: "Dass sie die Untersuchungen angeleiert haben, bedeutet doch, dass die Stadt dieses Vorhaben will", meinte eine Zuhörerin. Kein "West III" ohne die dazu nötigen Grundstücke. In diesem Zusammenhang hat man ein Vorkaufsrecht beschlossen, das die betroffenen Landwirte und Pächter seither mehr als verunsichert. OB Janik und Konrad Beugel erläuterten mehrfach, wie es sich damit verhält. "Wenn derjenige, dem das Grundstück gehört, nicht verkaufen will, dann passiert auch nichts".
Allein es fehlt der Glaube. Denn die Feinheiten der juristischen Formulierungen sind auf Anhieb kaum verständlich und erzeugen gleichsam ein Feld, auf dem reichlich Misstrauen und die Angst vor Enteignung gedeiht. Außerdem wurde die Befürchtung laut, dass die Bauern "massiv unter Druck gesetzt werden".
Dass ein Enteignungsverfahren zuweilen als letztes Mittel eingesetzt werde, wurde eingeräumt. Doch ganz oben stehen die Gespräche mit den Eigentümern, den Landwirten und Bürgern. Die Bürgerversammlung selbst wird als Schritt in diese Richtung gesehen. Der Anträge waren noch viele. Offene Fragen noch mehr — beispielsweise zur Höchstspannungstrasse und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, zur möglichen Verkehrsentwicklung mit "West III" und die Suche nach alternative Flächen im Stadtgebiet für den Wohnungsbau.
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