Der Bischof las dem Bauern die Leviten
12.11.2011, 00:00 UhrIm Jahr 1976 brachte Held, der mehr als 30 Ortschroniken veröffentlichte, sein Buch „Erlanger Oberland - eine Heimatgeschichte“ heraus. Darin sind auch Siedlungen und Gehöfte aufgelistet, die schon vor Jahrhunderten von der Bildfläche verschwunden sind. Besonders fallen die Ortsnamen „Centsiegelen“, „Drogenhoven“ und „Tragessongeruit“ auf . Nach Angaben des Schwabachtal-Experten lagen sie zwischen dem Kleinsendelbacher Ortsteil Schellenberg und dem Neunkirchener Gemeindeteil Großenbuch.
Deutliche Abweichung
Die Ortsnamen im Mittelalter wichen oft deutlich von den späteren ab. So hieß Kleinseebach, Ortsteil von Möhrendorf, beispielsweise Seuuaha oder Steinbach (Gemeinde Kleinsendelbach) im 11. Jahrhundert gar Ramesbach.
Bei dieser Sachlage wundert es nicht, dass sich gelegentlich Konkurrenten um die Lage des Ursprungorts streiten.
Der Pegnitzer Ortsteil Troschenreuth, fernab von Neunkirchen gelegen, beansprucht ebenfalls das 1062 von Heinrich IV. dem Bistum Bamberg geschenkte „Drogessongeruite“ zu sein. Dort feierte man denn auch 2010 mit Erzbischof Ludwig Schick ein „mindestens 950-jähriges“ Ortsjubiläum, wie es ein Festredner formulierte.
Der frühere Hetzleser Schulleiter und Forchheimer Kreisheimatpfleger Johann Max Kaupert (1901 bis 1978) sah schon 1947 in Troschenreuth ebenfalls das legendäre „Drogessongeruite“.
In seinen Aufzeichnungen („Im Banne des Hetzlas“)wollte er obendrein nicht ausschließen, dass sogar auch Drogenhoven außerhalb des Schwabachtals liegen und der heutige Eggolsheimer Ortsteil Drügendorf sein könnte.
Wilhelm Held beurteilte das anders: Drogenhoven wie Drogessongeruite wären noch in der Schenkungsurkunde ans Bistum von 1062 als bisherige Besitztümer des Reichsministerialen Otnand, dem wahrscheinlichen Gründer von Eschenau und einem einflussreichen Mann am kaiserlichen Hof, bezeichnet. Außerdem sind die beiden Herrschaftsgüter urkundlich zwischen andere Ortsnamen eingereiht, die im Raum um Neunkirchen, Eckental und Igelsdorf liegen.
Amtssitz von 33 Dörfern
Otnand von Eschenau, so Held weiter, erhielt nachweislich 1061 ein Herrschaftsgut bei „Pettensigelon“ (dem heutigen Pettensiedel). Dieses Herrschaftsgut Drogenhoven und das weitere (Drogessongeruite oder „Tragessongeruit“) gingen noch im Mittelalter im benachbarten Schellenberg auf, wo ein Schloss existierte, das zwischen 1396 und 1632 Amtssitz eines Distriktes („Hofmark“) von 33 Dörfern war.
Noch im 19. Jahrhundert erinnerten Flurnamen wie die „Trog“ und „Edelmannswiesen“ östlich und nördlich von Schellenberg an die verschwundenen Herrschaftsgüter.
Dorf in Nachbarschaft verlegt
In einem heute noch existierenden Dorf, nämlich Großenbuch, ist Centsiegelen aufgegangen. Es hat seinen Namen von einen Bach, der außerhalb von Großenbuch den Namen „Siegel“ führt und bei der Sendelmühle in die Schwabach mündet.
Anwesen im verschwundenen Centsiegelen sind mehrfach belegt: erstmals 1109 in einer Urkunde des Stifts St. Jakob Bamberg, 1313 als Ankauf von zwei Anwesen durch den Neunkirchener Klostergründer Leupold und 1503 und 1513 als Erwerbung der Herren von Egloffstein. Bald darauf wurden, so Wilhelm Held, die inzwischen acht „Siegelgüter“ zerschlagen und aufgeteilt. Die Äcker und Wiesen wurden danach von Großenbuch aus sowie auch von Bauern aus Kleinsendelbach und Schellenberg bewirtschaftet.
Die abenteuerlichste Geschichte ist aber die eines verschwundenen Hofes zwischen Neunkirchen und dem Ortsteil Baad. Der gehörte vor über 400 Jahren dem Bauern Fritz Wieseckel. Dieser Großgrundbesitzer war laut Chronist Franz Wenzel Goldwitzer „ein großer Schuldenmacher“ und so „liederlich“, dass ihn der Bamberger Fürstbischof Ernst von Mengersdorf ins Kloster einbestellte und ihm „mit dem Schwerte drohte, sofern er sich nicht bessere“ .
Schuldenmacher enteignet
Der geistliche Landesherr ließ 1589 den Hof in sage und schreibe 48 Teile zerstückeln und für 2000 Gulden an Neunkirchener Bürger veräußern.
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