Erlangen: Gewerkschaften und AfD liegen im Clinch
12.12.2018, 06:00 UhrZwar sind die Daten, die ein Forscherteam der Universität Jena in ostdeutschen Betrieben erhoben haben, auf den ersten Blick überraschend, andererseits aber auch nicht zu leugnen: Gewerkschaftsmitglieder vertreten offen "rechte" Positionen, kandidieren für die Rechtspopulisten, stellen sogar eigene Betriebsrats-Listen auf und äußern sich – das hat Dörre in Interviews festgehalten – offen reaktionär. Selbst die Nähe zum NSU, zum Nationalsozialistischen Untergrund, wird in einigen Betrieben Ostdeutschlands, bekundet.
Dabei geben sich die "rechten" Gewerkschafter gerne als "Kümmerer" (in Abgrenzung zu den "Funktionären"), üben Globalisierungskritik und schüren die Angst davor.
Für Dörre steht deshalb fest, dass die Globalisierung ideologisch in der Form der Rechtspopulisten auf ihre Zentren zurückschlägt, dass die wirtschaftliche Entwicklung zwar immer größeren Wohlstand anhäuft, der aber immer ungleicher verteilt wird – zu Lasten der Arbeitnehmer. Langzeitstatistiken zeigten eine stetig sinkende Lohnquote an den volkswirtschaftlichen Ergebnissen auf, Wachstum werde heute aus einem immer größer werdenden Ressourcenverbrauch geschaffen – mit der Folge weiterer ökologischer Krisen.
Unübersehbare Auswirkungen
Wie sehr sich die Einbindung der Arbeit in die Gesellschaft(en) verändert habe, lasse sich daran erkennen, dass vor über 100 Jahren das soziale Milieu noch rund zur Hälfte den Lebensmittelpunkt bestimmt habe, heute seien es nur noch rund 15 Prozent. Dafür werde der Ort, das Land, in dem man lebe immer wichtiger – "kein Wunder, dass sich so viele Menschen auf den Weg machen".
Die Rechtspopulisten versuchten, mit simplen (imginierten) Gegensätzen wie "System" und "Volk", "Eliten" und "kleinen Leuten" Stimmung zu machen, predigten eine "Homogenisierung des Volkes", in der die realen Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit aufgehoben erschienen. Diese Strategie der Rechten löse die Umverteilungsfrage von einem Oben nach einem Unten durch ein von innen nach außen ab – innen sitzen die deutschen Arbeitnehmer, außen die "fremden". Dies verbinde sich zudem mit einem Sozialpopulismus", "der den Linken die Krone abnehmen
möchte" – selbst vor den Klassikern wie Karl Marx werde nicht halt gemacht und versucht, deren Thesen umzudeuten.
Der Sozialwissenschaftler plädiert angesichts seiner Befunde, dass man sich innerhalb der Gewerkschaften auf eine offene Auseinandersetzung mit den Rechten einlassen müsse. Auch die "Systemfrage" dürfe man nicht den Rechten überlassen, deren Erfolge gemahnten daran, dass die Linke selbst kein schlüssiges Konzept für eine bessere Gesellschaft vorgelegt habe. Und dass Frauen offenbar weniger anfällig für das rechte Gedankengut seien, müsse auch nachdenklich machen.
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