Erlanger Bücherverbrennung hatte akademische Zündler
11.5.2018, 10:00 UhrDass in Erlangen erst am 12. Mai der Scheiterhaufen brannte – im restlichen Reich hatten die Bücher bereits am 10. Mai 1933 gebrannt – war der feierlichen Verkündung des neuen Studentenrechts geschuldet. Die völkisch-nationalistische Deutsche Studentenschaft hatte deswegen die Schändung der Literatur um zwei Tage verlegen lassen.
Aus privaten Besitz und Leihbüchereien hatte ein örtlicher "Kampfausschuss" Bücher indizierter Autoren eingesammelt, ausgenommen waren nur – und zwar auf Anweisung des bayerischen Kultusministeriums – die Bestände wissenschaftlicher Bibliotheken, also auch der Universitätsbibliothek. So verschwanden zwar die Werke von Karl Marx bis Heinrich Mann aus der öffentlichen Ausleihe, blieben aber für Forschungszwecke sichergestellt.
Anlässlich der 80. Wiederkehr der Bücherverbrennung hatte die Stadtbibliothek mit der Ausstellung "Verboten, verbrannt, verfolgt" dieses Kulturbruchs gedacht. Dabei waren Exponate aus dem Haus der Bayerischen Geschichte durch einen eigenen Blick auf die Situation in der Hugenottenstadt ergänzt. Dafür hatten die Autoren Martina Fries und Dominik Sauerer eigene Recherchen, fußend auch auf Material des Stadtmuseums, angestellt.
Unter den Studenten – so zeigten die Recherchen – war das nationalistische und völkische Gedankengut weit verbreitet. Nicht nur standen die studentischen Verbindungen, in denen ein Großteil der Studierenden organisiert war, von jeher dieser Ideologie nahe. Auch rühmte sich die Erlanger Studentenschaft, als erste bereits 1929 einen nationalsozialistischen AStA zu haben.
In der Professorenschaft gab es zwar kaum NSDAP-Mitglieder, aber sechs von ihnen hatten einen Wahlaufruf für die NSDAP zur Reichstagswahl am 5. März unterzeichnet.
Kaum Widerspruch
Entsprechend waren im örtlichen "Kampfausschuss" neben drei Vertretern der Studenten, dem Bezirkskommissar Dehmel, dem NSDAP-Kreisleiter und späteren OB Groß auch drei Professoren (Preuß, Weigel, Hornung) vertreten. Privatdozent Weigel schrieb sogar noch einen eigenen Aufruf, der am 27. April 1933 im Erlanger Tagblatt veröffentlicht wurde: "Raus aus dem Haus mit den jüdisch-marxistischen ,Geistesgrößen‘, raus mit den bolschewistischen ,Literatursternen‘. Raus mit allem, was undeutsch und ungermanisch, was niedrig und gemein ist, was im Schmutz und Sumpf versinkt! Ins Feuer mit all dem Gerümpel, dass es die heilige Flamme verzehre für immer!"
Die Aktion selbst fand sogar Zustimmung in der örtlichen Presse – das Erlanger Tagblatt und die Erlanger Neuesten Nachrichten berichteten wohlwollend.
Widerstand und Widerspruch war auch kaum zu erwarten, waren doch die wichtigsten Protagonisten des Widerstands bereits nach dem Wahlsieg der NSDAP verhaftet, darunter Rudolf Benario, der noch im Januar an der Uni Erlangen seinen Doktortitel erworben hatte. Er wurde im März wegen seiner jüdischen Herkunft und Nähe zur KPD verhaftet und im April 1933 in Dachau ermordet.
Oder Michael Poeschke, Redakteur des Erlanger Volksblatts und Vorsitzender der Erlanger SPD. Er wurde im März 1933 verhaftet, kam ins KZ Dachau und wurde schwer verletzt wieder entlassen. Nach Jahren des Berufsverbot wurde er 1939 zum Krieg eingezogen, 1946 dann OB in Erlangen. Zu den Ausnahmen in der Universität gehörte auch der Direktor der Uni-Bibliothek (UB), Eugen Stollreither.
Er widersetzte sich, als der Kampfausschuss unter Führung des Theologen und ehemaligen Uni-Rektors Hans Preuß begann, das Lesezimmer der UB nach zu verbrennender Literatur zu durchforsten. Er widersetzte sich – so die Recherche – auch so lang wie möglich der Aufnahme von Hitlers "Mein Kampf" in das Lesezimmer. Die Kampagne, die daraufhin gegen ihn angezettelt wurde, überstand er glücklicherweise schadlos.
Der Akt der Bücherverbrennung am 12. Mai selbst glich einem Spektakel, bei dem große Teile der Erlanger Bevölkerung dabei waren. Zuerst der martialische Fackelzug der studentischen Korporationen mit Militärkapellen, den NS-Organisationen und auf zwei Wagen die zu verbrennenden Bücher, aber auch Zeitungen, gegnerische Parteibücher und Fahnen.
Auf dem Schlossplatz schließlich der gruselige Akt: ein pathetisches Gedicht, Reden, die Feuersprüche werden verkündet und die Bücher in die Flammen geworfen. Zum Abschluss das unvermeidliche "Sieg Heil" und nach einem Burschenschaftslied das Horst-Wessel-Lied.
Das Land der Dichter und Denker hatte deren Werke soeben verbrannt und sich endgültig ins Land der Richter und Henker verwandelt.
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