Jede Menge Werkzeug für die Fantasie
13.4.2013, 00:00 UhrBaumärkte sind bekanntlich Vorratslager für männliche Geburtstagswünsche. Frauen ist die Ästhetik von Bohrmaschinen, Winkelschleifern und Kettensägen nicht unmittelbar zugänglich. Schon ein Beil schauen sie misstrauisch an. Entgegen solchen Vorurteilen hat die Erlanger Bildhauerin Annette Voigt in der Galerie des Kunstvereins dem Baumarkt eine allgemein gültige Ästhetik erfunden.
Für die Hardcore-Technik der männlichen Kundschaft freilich ist in ihrem ansonsten vollständig eingerichteten Kaufladen kein Platz.
Das Sortiment an Geräten für Küche, Haus und Garten beschränkt sich auf die einfache Mechanik von Werkzeugen, die man mit eigener Hand bedienen muss. Eine Handhabung, die Annette Voigt allerdings vorsorglich unterbindet.
Streng dem Prinzip Immanuel Kants folgend, wonach Kunst zweckfrei zu sein habe, sperren sich ihre selbst konstruierten Geräte gegen jeglichen praktischen Gebrauch. Mit dem angeketteten Hammer ist kein Schlag mehr zu führen. Kompliziert verkabelte Schaufeln und Spaten geben sich als elektrische Maschinen aus.
Annette Voigt verwandelt in ihren Installationen das Material des Installateurs und baut aus Leitungen, Rohren und Wasserhähnen Konstrukte, die ebenso technisch eindrucksvoll, wie absolut sinnfrei gestaltet sind. Mit ihrem Laden führt sie geradezu exemplarisch vor, wie eine Installation ohne theoretischen Überbau zum optisch und haptisch wahrnehmbaren Kunstwerk wird.
Wenn Alltagsgeräte von ihren praktischen Zwecken erlöst und für die spielerische Aktivität der Fantasie freigegeben werden, stellt sich Komik fast von selbst ein, die aber für Annette Voigt ohne die Schärfe der Ironie nicht auskommt. Mit Rücksicht auf das menschliche Wesen, auf das sämtliche Objekte irgendwie bezogen sind, verwandelt sich ihr Laden in ein geheimes Lustrevier.
Schließlich spielen Herzen darin eine wichtige Rolle: Es gibt darunter harte und weiche, manche liegen in Ketten, einige führen Eigennamen. Vor allem aber erweisen sie sich als ausgesprochen wandlungsfähig, weil sie daran erinnern, dass es auch organische Werkzeuge, und zwar männliche wie weibliche, gibt. So wird der Baumarkt zum Spielfeld menschlicher Beziehungen und Konflikte.
Vor einigen Jahren berichtete eine Polizeimeldung von zwei Männern, die ihren Zwist auf offener Straße mit Gaspistole und Baseballschläger austragen wollten. Die Polizei traf am Tatort neben den Zuschauern nur noch die Freundin eines der Männer an, die mit einem Beil bewaffnet war. Auf die Frage, was sie damit wollte, sagte sie, sie habe damit beruhigend auf die Männer einwirken wollen. Ihr Werkzeug könnte sie bei Annette Voigt erworben haben.
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