Konfuzius — gefragter Wegweiser der Chinesen
2.11.2011, 00:00 UhrDing Cao ist ein freundlicher Mensch und wehrt erste neugierige Fragen mit dem Hinweis ab, er sei doch bloß der stellvertretende Direktor des Konfuzius-Instituts, sei also gar nicht kompetent genug, den „Aliens“ (wie die Fremden, die Besucher aus dem Ausland in der China-eigenen Englisch-Übersetzung heißen) Rede und Antwort zur Struktur und den Aufgaben des Staatsinstituts zu stehen. Das er es dann trotzdem tut, ist dem Umstand geschuldet, dass er zu allen einzelnen Fragestellungen mehr als nur eine Antwort hat — China ist sich nämlich derzeit selbst ein Rätsel, und die Konfuzius-Institute sind Teil dieses Rätsels.
Der stellvertretende Direktor der Abteilung für öffentliche Beziehungen führt seine Gäste aus Erlangen und Nürnberg (die auf Einladung der Gesellschaft für Völkerverständigung in China weilen) nicht ohne einen gewissen Stolz im Empfangsgeschoss der Zentrale der weltweiten Konfuzius-Institute herum. In dem staatlichen Haus arbeiten 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Auftrag des chinesischen Kulturministeriums an der Koordinierung ihrer Institute, die vor allem dafür sorgen sollen, dass das lange Zeit als hermetisch abgeschlossene geltende „Reich der Mitte“ mittels Kenntnissen der chinesischen Sprache erschlossen wird — wirtschaftlich weht längst der scharfe Wind des Konkurrenz-Kapitalismus durch das Land.
Und das ist wohl auch das Problem, vor das sich die chinesische Staatsführung gestellt sieht, das Problem, an dessen Lösung auch die Konfuzius-Institute mitwirken könnten. Nämlich durch die Binnenwirkung der Institute, die nicht umsonst nach einem Philosophen benannt sind, der zwar keine religiösen Glücksverheißungen vor oder nach dem Tode predigte, dafür aber Maßstäbe für eine harmonische Lebensführung im Alltag begründete. Also genau das, was den jüngeren Chinesen im geschäftigen Alltag abhanden zu kommen droht und destabilisierend auf die Verhältnisse wirkt.
Dass das Riesenreich mit seinen 1,3 Milliarden Menschen heute den ein halben Jahrhundert vor Christus lebenden (Staats-)Philosophen wieder aus jener Versenkung holt, in die ihn Mao-Tsetung und seine Kulturrevolution als „Feudalgesinnung“ geworfen haben, hat seine Gründe. „Die Renaissance von Konfuzius und Laotse hat klare Gründe“, sagt Shen Xin, Direktor für den Kulturaustausch in der Gesellschaft für Völkerverständigung, „wir brauchen wieder Werte, nachdem die Bindungskraft der kommunistischen Ideen verflogen ist.“
Große Widersprüche
Und wie stark diese Bindungskraft verflogen ist, lässt sich außerhalb des Instituts gut beobachten: Auf den Straßen stauen sich Importautos der Oberklasse, in den Stadtkernen haben sich architektonisch oft gelungene, gleichwohl unbezahlbare Appartementhäuser wie ein Krebsgeschwür breitgemacht, die Nobelrestaurants sind stets überfüllt – die breiten Massen aber sind (im Verhältnis dazu) arme Schlucker, und selbst die aufstrebenden jungen Akademiker, von denen es von Jahr zu Jahr immer mehr gibt, haben wenig Chancen, von diesem Reichtum etwas abzubekommen. China gehört heute den „Businessmen“, die Städte sind „Boomtowns“.
Und die Konfuzius-Institute, die im Ausland die chinesische Sprache verbreiten sollen, hätten auch im eigenen Land alle Hände voll zu tun. Das Riesenreich mit seinen zahlreichen Völkerschaften und Regionalsprachen tut sich immer noch hart, mit einer Stimme zu sprechen. Aber zumindest sind die neue Smartphones schon einmal mit intelligenten Sprachprogrammen gefüttert.
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