Sport an der Stange: Pole Dance in Erlangen
12.1.2018, 12:40 UhrEs gibt zwei Aspekte, die Weihnachten vor allem für Frauen zu einer lästigen Zeit werden lassen: Man frisst sich Pfunde an, die einen noch das ganze folgende Jahr begleiten und findet sich beinahe automatisch im veralteten Rollenklischee der Teig knetenden Fürsorge-Mutti wieder – ob man nun Kinder hat oder nicht. Die perfekte Gelegenheit also, um ein neues Ganzkörpertraining zu finden, mit dem man zugleich auch eine andere, "sexy" Seite an sich entdecken könnte. Feministinnen kreischen zwar ab und zu noch auf. Doch es gibt genügend Gründe, die Trendsportart "Pole Dance" einmal auszuprobieren.
Ohne Aufwärmen geht nichts
Unter dem Label "Pole Fitness" versucht der Stangentanz schon lange, den ranzigen Nachtclub-Muff loszuwerden. Die cityaktiv-Fitness- und Gesundheitsanlage, die mächtig im Gewerbegebiet über der trostlosen Frauenauracher Straße thront, sieht jedenfalls nach genau dem weitläufigen, weltoffenen Ort aus, an dem man diesen progressiven Sport zelebrieren kann. "Pole Dance?" Die Empfangsdame im Fitnesstempel schaut mich entgeistert an: "So etwas gibt es hier nicht." Dann finde ich doch an einem Tor zu einem Hinterhof das Schild zum Wellway-Sports-Fitnessstudio.
Vor einer unscheinbaren Metalltür neben einem Sex-Shop stehen zwei muskulöse Männer und unterhalten sich. Fitnessstudio oder doch semi-legaler Hafen-Stripclub? Ich schlucke. Beim herzlichen Empfang durch Inhaber Thomas Sommer und meinen Fotografen Klaus-Dieter Schreiter im kleinen Studio aber wird mir sofort warm. Auch wenn ich das Aufwärmen verpasst habe, lasse ich den Großteil meiner Klamotten in der Umkleidekabine.
Standvermögen
Ich weiß, dass die leichte Bekleidung für Pole Dance - auch ohne Striptease - obligatorisch ist. Schließlich "klebt" man ja mit seinem Körper an der Stange. Auch wenn ich finde, dass ich in meinen Hotpants und meinem Wanda-Top wie eine leicht bekleidete Kellnerin aussehe, bin ich unter meinen vier Mitstreiterinnen fast noch am angezogensten. Nun stehe ich also mit fünf halbnackten jungen Frauen vor einem deutlich älteren Mann mit einer Kamera. Kurz darf ich diesen Moment angenehm aufregenden Unwohlseins genießen, bevor Trainerin Naima Schippert die erste Übung vorführt: Klettern.
Wir halten uns mit beiden Händen an der Stange fest, platzieren einen Fuß an ihr und drücken das Knie von der anderen Seite gegen sie. Nun können wir unseren Körper nach Oben drücken und das andere Bein an der Pole, also der Stange, platzieren - siehe da, ich stehe in der Luft. Streckt man nun beide Arme nach Außen sieht man doch fast ein bisschen aus wie Jesus am Kreuz.
Mein Fuß jedenfalls schmerzt schon arg, doch ich lege mich mächtig ins Zeug: Ich will hot, also heiß, aussehen. Das wird spätestens bei der nächsten Figur schwieriger. Aus dem Stand an der Stange überkreuzen wir beide Beine, so dass wir - nun die Oberschenkelinnenseiten an die Pole pressend - einen bequemen Sitz in der Luft simulieren. Während meine Haut schon brennt, erinnern mich meine zusammengequetschten Oberschenkel an Kartoffelsalat. Hot oder not? Eher not. Unter lautem Stöhnen lasse ich mich auf meinen Hintern fallen.
Wie ein nasser Sack
Seit ich das Video von "I Just Don’t Know What To Do With Myself" von den White Stripes auf MTV gesehen habe, träume ich insgeheim vom verruchten Tanz an der Stange. Kate Moss dreht sich in dem Video wie ein wilder Kreisel an der Stange, ich hänge eher dran wie ein nasser Sack. Doch mit Hilfe eines Inbusschlüssels verwandelt Trainerin Schippert jede Stange von einer "Static Pole" in eine "Spinning Pole". Nun können wir tatsächlich an der Stange hängend unsere Körper wie Schmuckwerk im Teleshopping-Kanal von allen Seiten präsentieren. Je nachdem, wie weit man den Körper weg von der Stange biegt, wahlweise in der Geschwindigkeit Kettenkarussell oder Dönerspieß.
Eifrig rotieren wir stehend, sitzend, kniend an unseren Stangen. "I feel dizzy!", kommentiert eine Mitstreiterin, ihr sei schwindelig - auch ich taumle zeitweise wie betrunken um meine Stange. Nicht nur mein ganzer Körper schwitzt, auch die Pole ist nun mehr mit meinen Ausdünstungen ranzig beschmutzt, und ich rutsche mit jedem weiteren Versuch einem trägen Feuerwehrmann gleich die Stange hinunter. Für den nötigen Halt beschmiere ich mich an den Handflächen, in den Kniekehlen und zwischen den Beinen mit flüssigem Magnesium, das auf meiner Haut zu einer staubigen, weißen Schicht trocknet.
Zeit, gedanklich wieder in verrauchte Stripclubs abzudriften, habe ich keine: Nach kaum einer Stunde lernen wir unsere erste Choreografie. Ich könnte nun mit vielen hässlichen anatomischen Begriffen beschreiben, was Schippert uns an der Pole präsentiert, aber es käme nicht annähernd an die anmutige Eleganz heran, die ich empfinde, wenn ich beobachte, wie sie ihren Körper an der Stange biegt. Wir drehen uns, klettern, strecken die Arme von uns. Nur so viel: Am Ende hänge ich - die Pole zwischen meinen Beinen - Rumpf und Beine ausgestreckt in der Luft. Vermutlich sehe ich wie ein blasses aufgespießtes Grillwürstchen aus, aber ich fühle mich erhaben. Meine Wirbelsäule dankt mit leisem Knacken.
Am Ende bleibt der Schmerz
Die Innenseiten meiner Beine schmerzen schon bei der Heimfahrt auf dem Fahrrad weh. Am nächsten Tag folgen alle weiteren Körperteile. Bei welcher Gelegenheit bekommt man schon einmal einen blauen Fleck in der Kniekehle? Ob ich beim Stangentanz nun heiß aussah oder nicht, dürfen nun Sie, liebe Leser, entscheiden. Ich bin kaputt, mir ist alles egal.
Und eines weiß ich nun: Pole Dance ist eine harte Angelegenheit. Denken Sie einmal darüber nach - zumindest wenn Sie das nächste Mal einer Stripperin einen kleinen Schein in den Tanga stecken. Oder es in einem Musik-Video sehen.
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