Squashspieler aus Erlangen nach dem Turnier seines Lebens
17.2.2019, 11:00 UhrDie erste Nachricht kam bereits Sonntagabend. "Ich sitze im Zug und kann es gar nicht fassen, wie das Turnier verlaufen ist." Es war der Moment, in dem Johannes Thürauf anfing zu begreifen. Er hatte gerade das beste Wochenende seines Lebens hinter sich und das beste Turnier seiner Karriere gespielt. "Das Turnier", schrieb er "lief sensationell" und in Klammern: "So etwas passiert wahrscheinlich nur einmal im Leben".
Mehr brauchte es erst einmal eigentlich nicht, um zu wissen, dass es eine wunderbare Geschichte geben würde. Doch Johannes Thürauf schrieb natürlich noch mehr. Über seine Ausgangslage, seine überraschenden Siege, über das klare 0:3 gegen den späteren Sieger Raphael Kandra, der ebenfalls einst in Erlangen trainierte, dessen Familie in Eckental lebt. Kandra ist mittlerweile Profi, Top 15 der Welt, überall auf Turnieren unterwegs und in Paderborn zu Hause.
Johannes Thürauf ist Erlanger, der 26-Jährige aber ist kein Profi. An der FAU ist er Doktorand am Lehrstuhl für Wirtschaftsmathematik. Während seine Gegenspieler also täglich trainieren und sich ausschließlich auf den Sport konzentrieren können, muss Thürauf arbeiten. Trotzdem hat er es bei den Deutschen Squash-Meisterschaften auf den vierten Platz geschafft. Auch deshalb geht es in dieser Geschichte um denjenigen, der bei der Siegerehrung neben dem Podest stand — und nicht um die Nummer eins, die ganz oben über allen thronte.
"Die anderen stehen jeden Tag im Court."
Angefangen hat es für Johannes Thürauf mit zwei Urlaubstagen, die er sich extra für die ersten beiden Turniertage genommen hat. Am Donnerstag war er nach Hamburg gefahren, "hohe Erwartungen hatte ich nicht", die Zeit zum Trainieren fehlte. "Ich habe mich hauptsächlich auf meine Promotion konzentriert".
Neben seinem Vollzeit-Job an der Uni spielt Thürauf einmal pro Woche Squash im Sportland, dazu kommen zwei, drei Einheiten Fitness- oder Krafttraining. "Die anderen stehen jeden Tag im Court." Dank seiner bisherigen Leistungen hatte sich der Erlanger dennoch direkt für die Hauptrunde qualifiziert. "Der Traum war irgendwie die Top Ten zu erreichen." Das Erstrundenspiel hat Thürauf dann auch klar gewonnen, die große Überraschung gab es einen Tag später.
Im Achtelfinale besiegte er Yannik Omlor. Der Nationalspieler war an Position drei bis vier gesetzt, galt als Medaillenkandidat. "Ich wollte das Beste geben", sagt Thürauf, "doch ich hatte gegen ihn noch nie gewonnen. Einmal hatte ich einen Satz gewonnen." Diesmal war das anders, wie so Vieles an diesem "verrückten Freitag". Über 90 Minuten rangen die beiden Squash-Spieler miteinander. Und das sind keine 90 Minuten wie beim Fußball. Es sind 90 Minuten Dauer-Sprint, Dauer-Anspannung, Dauer-Stress.
"Von der Physis her war es brutal"
Dabei sind die Profi-Spieler noch einmal deutlich fitter. "Sie können mehr trainieren", sagt Thürauf. "Ich habe versucht, das Spiel sehr langsam zu machen, ihm meine Strategie aufzudrücken." Das klappte. "Er hat mein Spiel angenommen, das hat ihn aus dem Konzept gebracht. So habe ich ihn niederkämpfen können." Ein Kampf, das war es wirklich. Und das auch noch auf dem Center Court, einem riesigen Glaskasten umringt von Tausenden Zuschauern. Per Live-Stream schauten Eltern und Freunde online zu.
"Von der Physis her war es brutal", sagt Thürauf. "Wir beide haben alles gegeben. Yannik war hinterher auch kaputt, er hat im Spiel danach das Turnier wegen körperlicher Erschöpfung aufgeben müssen." Auch Johannes Thürauf war: fertig. Doch dank seines 3:2-Sieges musste er am gleichen Tag noch einmal ran. Im Viertelfinale wartete mit Ben Petzoldt der nächste Profi. "Gegen ihn hatte ich in all den Jahren erst ein einziges Mal gewonnen." Die Erfolgsaussichten, noch dazu mit müden Beinen, schienen mau.
"Wir hatten ein hartes Spiel, ich lag 2:0 in Führung, dann habe ich gemerkt, wie platt ich bin." Auch der Gegner spürte es, kam wieder heran, zog auf 2:2 gleich. "Auch das Spiel ging wieder 90 Minuten." Und am Ende, schon fast gegen 21 Uhr, gewann wieder Johannes Thürauf, der ambitionierte Hobby-Sportler. "Danach ging gar nichts mehr. Ich hatte Krämpfe, konnte in der Nacht kaum schlafen." Der Erlanger lag im Bett, die Beine zitterten vor Erschöpfung.
Noch Tage danach schmerzten die Beine, Treppensteigen war eine Qual, selbst der Weg zur Arbeit, Thürauf fährt immer mit dem Rad, war eine Anstrengung. "Doch ich war glücklich, ich war immer der Underdog, war davor bei der Deutschen Meisterschaft noch nie im Viertelfinale, und jetzt war ich im Halbfinale." Es war unglaublich. "Auch die anderen waren baff."
Am Samstag in der Runde der letzten Vier war dann Schluss, Raphael Kandra, ein ehemaliger Trainingspartner aus dem Erlanger Sportland, die klare Nummer eins, der spätere Deutsche Meister, war zu stark. "Ich war platt, und er war mit Abstand der beste Spieler des Turniers." Kandra spielte es clever, ging wenig Risiko, er wusste, dass sein Gegner müde war. "Er hat es klar und verdient gewonnen", sagt Thürauf, der auch im kleinen Finale noch eine Niederlage einstecken musste. "Ich war trotzdem super happy mit dem gesamten Turnierverlauf."
Für den Erlanger hat sich Platz vier angefühlt wie ein Sieg. "Es war das Turnier meines Lebens." Von Konkurrenten und vom Bundestrainer gab es "nette Worte", in der deutschen Rangliste ist der Mathematik-Doktorand sogar auf Platz sieben vorgerückt. Natürlich, ebenfalls, so gut wie nie zuvor. Als Johannes Thürauf danach das erste Mal auf sein Smartphone schaute, erwarteten ihn zahlreiche Nachrichten. Glückwünsche von Freunden und Familie. Sonntagabend kam noch ein weiterer hinzu, aus der Sportredaktion der Erlanger Nachrichten.
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